1940, zu Beginn der „Luftschlacht um England“, dem Angriff des Deutschen Reiches auf die britische Hauptinsel. Kriegsberichterstatter Hans-Herbert Basdorf berichtete begeistert von einem Fliegerhorst: „Immer wieder, wenn er dazu ansetzen will, wird die Tür seiner Stube aufgerissen. Ein braungebrannten Kopf guckt durch den Türspalt und ruft ihm das Wort ‚pfundig‘ zu. Was ist denn pfundig, erkundigt er sich verärgert. Na, hast Du es nicht gehört. Nein! Nun, wir fliegen nach London“ (Metropolis auf einem Vulkan. Londons Feuerschein über dem Kanal, Haaner Zeitung 1940, Nr. 217 v. 14. September, 6). Der Krieg, eine offenbar pfundige Sache. Nun ja, Kriege heißen heute militärische Spezialoperationen, Interventionen oder Friedensmissionen, Kriegsbeteiligungen gelten als Sanktionen oder Waffenlieferungen. Doch pfundig?
Fündig wird man doppelt: Zum einen sprachlich, im Worte „pfundig“ selbst. Zum anderen aber sachlich, denn nur wenige Monate vor dem Abnutzungskrieg der deutschen und britischen Luftwaffen hatte „Familie Pfundig“ vielen Deutschen freundliche Ratschläge für einen gedeihlichen Umgang mit den Problemen im Kriegsalltag gegeben. Die Anfang 1940 laufende Kampagne ist offenkundig nicht mehr bekannt, in der Fachliteratur fehlt sie in der langen Reihe der gern gestriffenen, selten näher behandelten NS-Propagandaaktionen. Nicht nur angesichts unserer heutigen Bemühungen um die Bewältigung von Kriegsfolgen scheint ein Blick in die Vergangenheit daher sinnvoll zu sein.
Der Weltkrieg verändert den Alltag
Als am 1. September 1939 deutsche Truppen Polen angriffen, waren die wichtigsten Maßregeln für eine weiter leistungsfähige Heimatfront schon in Gang gesetzt worden. Die Niederlage im Ersten Weltkrieg hatte zu vielfältigen Planungen geführt, um die damaligen Fehler insbesondere bei der Rationierung zu vermeiden. Dazu gehörten nicht nur eine umfassende Vorratswirtschaft und die Entwicklung zahlreicher als „Austauschstoffe“ bezeichneter Ersatzmittel im Rahmen des seit 1936 laufenden Vierjahresplanes. Dazu gehörte insbesondere eine schon am 27. August 1939 beginnende Rationierung der meisten Lebensmittel und vieler Gebrauchsgüter. Der kriegerische Staat gab sich sorgend: „Um eine gerechte Verteilung lebenswichtiger Verbrauchsgüter an alle Verbraucher sicherzustellen, ist für gewisse Lebensmittel, ferner für Seife und Hausbrandkohle sowie lebenswichtige Spinnstoffwaren und Schuhwaren eine allgemeine Bezugsscheinpflicht eingeführt worden“ (Bezugsscheine garantieren Bedarfsdeckung für jedermann, Völkischer Beobachter 1939, Nr. 240 v. 28. August, 7). Textil- und Schuhgeschäfte wurden zeitweilig „wegen Inventur“ geschlossen, Brot, Kartoffeln und Mehl waren dagegen noch frei käuflich. Obwohl Polen (im Einklang mit der UdSSR) rasch geschlagen werden konnte, stand der offenkundig verlustreichere Waffengang mit den Westmächten noch bevor. Diese hatten ihre anfangs massive Überlegenheit nicht genutzt, stattdessen gab es einen vielmonatigen „Sitzkrieg“ mit relativ begrenzten Kampfhandlungen vornehmlich von Marine und Luftwaffe. Er war begleitet von intensiven Luftschutzmaßnahmen, von Verdunkelung gemäß der schon im Mai 1939 erlassenen Verordnung. Allen Vorbereitungen zum Trotz veränderte sich der Alltagskonsum nicht unerheblich, denn die für den Kampf um die „Sicherheit des Reiches und seine Rechte“ (Völkischer Beobachter 1939, Nr. 245 v. 2. September, 3) mobilisierten Männer fehlten: Die Werbung wurde langsam zurückgefahren, es mangelte an Gebrauchsgütern, auch die Qualität vieler Angebote ließ zu wünschen übrig. All das, so wurde versichert, wäre nur vorläufig – und wurde begleitet vom gängigen Arsenal der Kriegspropaganda: Wir wollen den Krieg nicht, die Gegner tragen dafür die Verantwortung, unsere Sache ist gerecht, die Mission heilig, unsere Berichterstattung ehrlich und nicht in Zweifel zu ziehen (Anne Morelli, Die Prinzipien der Kriegspropaganda, Springe 2004; Arthur Ponsonby, Falsehood in War-Time, London 1928). Zweifel und etwaige Kritik waren zu zerstreuen, Mut angesichts der kleinen Hürden des Alltags zu machen: Das war auch die Aufgabe der Pfundigs: „Die Familie Karl Pfundig / Ist fürwahr des Lebens kundig, / Weil sie innerlich begeistert, / Alle kleinen Sorgen meistert! Wie die Pfundig’s stets zufrieden, / Stolz an ihrem Glücke schmieden, / Ungestört von kleinen Dingen, / Wollen wir in Bildern bringen. Was die Pfundig’s noch erleben, / Gilt auch für dein eignes Streben!“ (Hamburger Neueste Zeitung 1940, Nr. 8 v. 6. Januar, 5). Der Tenor klang bekannt: Krisen seien Bewährungsproben, vielleicht gar Chancen. So nur zwei Jahre später auch der US-Schriftsteller Thornton Wilder (1897-1975) in seinem Drama „Wir sind noch einmal davongekommen“, hierzulande eines der wichtigsten Stücke nach der totalen Niederlage 1945.

Die biedere Familie Pfundig (St. Pöltner Zeitung 1940, Nr. 1 v. 5. Januar, 5)
Das Wortfeld „pfundig“
Familie Pfundig kam bieder daher, entsprach schon dadurch nicht der vermeintlichen Freude und Hochspannung von Kampffliegern vor dem Einsatz. Bei den fünf Familienmitgliedern – Vater Karl, den Kindern Inge, Fritz und Max sowie der vornamenlosen „Mutter Pfundig“ – handelte es sich offenbar um ganz normale Deutsche, um den idealisierten Bevölkerungsdurchschnitt. Mit ihnen konnte man sich identifizieren, in ihnen sich wiederfinden. Was aber besagte der Name „Pfundig“?
Das Wort ist süddeutschen, vorrangig südwestdeutschen Ursprungs, bedeutet „großartig, außergewöhnlich, außerordentlich“ (Bayerisches Wörterbuch, Bd. II, hg. v. d. Kommission für Mundartforschung, München 2021, 706). Es entstand aus der bis heute bekannten Gewichtsbezeichnung, die präzise daherkam, etwa beim 5-pfündigen Brot. Doch pfündig war auch ein auf schweres, auf ansprechendes hinweisendes Eigenschaftswort, etwa bei pfündige Forellen oder – und hieran sehen wir die einfache Verschiebung des einen Vokals – bei pfundigen Karpfen. Derartige Teichfische waren gewichtig, man freute sich sprachlich vorab schon auf ein gutes, weil mehr als auskömmliches Essen. Pfündig war lange auch Teil der Militärsprache, bezeichnete die Geschossgröße von Mörsern und Kanonen. Angesichts immer schwererer Munition lief diese Verwendung aber spätestens im Ersten Weltkrieg aus.
Pfündig wurde in der folgenden Zwischenkriegszeit inhaltlich neu aufgeladen und die Schwierigkeiten in Deutschland mit dem ü und dem u (Benutzer vs. Benützer…) ließen das Pfundige im Süden aufkommen, ehe es sich dann auch im Norden und Osten etablierte. Entsprechend habe ich vorrangig badische Zeitungen analysiert, in deren Verbreitungsraum das Wort Teil der Alltagssprache war: Pfündig wurde schon vor der NS-Zeit ein Begriff des Außeralltäglichen, des Ausfluges, des Erlebnisses: Natürlich durfte das Münchener Oktoberfest nicht fehlen, denn hier gab es auch mitten in der Weltwirtschaftskrise „eine wirkliche und ‚pfundige‘ Gaudi!“ (Badischer Beobachter 1932, Nr. 265 v. 25. September, 3). Ein alpines Studentenheim lud meist gutbürgerliche Skifahrer ein, die sich auf eine pfundige Abfahrt freuten (Badische Presse 1931, Nr. 112 v. 7. März, 7). Auch im Trendsport Kanufahren hoffte man auf eine „pfundige Strömung, heftiger Wellengang, ab und an einen annehmbaren Schwall, prächtige Floßgassen mit mehr oder weniger heimtückischen Widerwellen“, denn so „war immer etwas los“ (Badische Presse 1931, Nr. 270 v. 13. Juni, 6). Die von den Bergfilmen der späten 1920er Jahre näher gebrachten Gipfel wollten erklommen werden, Kletterer erzielten entsprechend pfundige Leistungen im Fels (Badische Presse 1933, Nr. 225 v. 16. Mai, 5).
Hier war das Beiwort aber noch abhängig von Äußerem, von einem besonderen Umfeld. Auch das legte sich in den frühen 1930er Jahren, denn pfundig mutierte zu einem zunehmend beliebigen Beiwort, mit dem man Schwere, Größe und Bedeutung von fast allem wabernd bezeichnen konnte. Es gab plötzlich pfundige Regierungskrisen, pfundigen Applaus, eine pfundige Überschrift (Der Führer 1931, Nr. 136 v. 20. Juni, 1; Karlsruher Zeitung 1931, Nr. 164 v. 17. Juli, 3; Der Führer 1931, Nr. 200 v. 20. September, 5). Der mächtig aufkommende Fußball kam ohne das Attribut kaum mehr aus, Schüsse, Lattentreffer, selbst Niederlagen waren nun „pfundig“ (Badischer Beobachter 1933, Nr. 78 v. 20. März, 7). Sollte aber die Verteidigung pfundig gestanden haben, so war auch eine „pfundige Ueberraschung“ (Badischer Beobachter 1933, Nr. 112 v. 2. Mai, 7; Badische Presse 1934, Nr. 341 v. 23. August, 7) möglich.

Pfundiges Training, pfundige Cliquen (Badische Presse 1934, Nr. 403 v. 3. November (l.); ebd., Nr. 6 v. 8. Januar, 8)
Was sich freundlich, spielerisch anhörte hatte jedoch auch strikt politische Seiten. Pfundig wurde nämlich auch zu einem anklagenden Wort, das von der NSDAP Anfang der 1930er Jahre vielfach zur Denunziation des vermeintlich korrupten demokratischen „Systems“ genutzt wurde. Subventionsnehmer hatten ein vermeintlich „pfundiges“ Gehalt, lokale Politiker einen entsprechenden Vertrag, die Oberen nahmen sich einen pfundigen Happen aus den öffentlichen Kassen (Der Führer 1931, Nr. 284 v. 17. Dezember, 5; ebd., Nr. 293 v. 29. Dezember, 6; ebd. 1932, Nr. 61 v. 2. März, 6).
Nach der Machtzulassung wurden die öffentlichen Kassen noch stärker geplündert; und so verschwand das Adjektiv aus diesem Felde. Es wurde nun vermehrt mit Gemeinschaftshandeln im NS-Verbund verbunden, zumal in der Hitler-Jugend. Bei den Pimpfen war eine Keilerei Spaß, eine pfundige Angelegenheit, im Zeltlager herrschte pfundige Stimmung, selbst der Schlafsack wurde pfundig inmitten des Rudels (Badische Presse 1934, Nr. 301 v. 7. Juli, 13; Durlacher Wochenblatt 1934, Nr. 187 v. 13. August, 5; Der Führer 1934, Nr. 230 v. 22. August, 6). War pfundig zuvor ein Wort junger Erwachsener, so entwickelte es sich Mitte der 1930er Jahre auch zu einem der Jugend, der Bewegung. Die Jungen nahmen Elemente der bürgerlichen Freizeitkultur der späten 1920er Jahre auf, im Rahmen der zunehmend von der NSDAP dominierten Jugendverbände waren Sport und Reisen angesagt: Am Obersalzberg gab es nicht nur Hitlerplausch und Almenrausch, sondern man traf auch pfundige Mitstreiter (Ebd. 1933, Nr. 195 v. 17. Juli, 7). Eine pfundige Abfahrt lockte, den entsprechenden Sturz steckte man lachend weg (Mittelbadischer Kurier 1933, Nr. 288 v. 11. Dezember, 3; Badische Presse 1934, Nr. 19 v. 12. Januar, 7).
Pfundig war jugendbewegt, das Wort bezeichnete impulsives Leben ohne Intellekt, ohne größeren geistigen Überbau. Es stand für ein einfaches, simples Leben, ohne großes Nachdenken. Pfundig war kein Leben im Wallgraben seines Selbst, es war offen, dynamisch, stand für Teilhabe und Teilnahme, für ein Leben in Gemeinschaft, im völkischen Umfeld. So sollte das Leben sein, instinktiv. Leben als Wollen, Schaffen und Tun. Von Pfundskerlen umgeben glich das Leben einem Rausch, einem Wirbelwind: Im Augenblick leben, nur den nächsten Tag im Blick, die Vergangenheit vergessen, die Zukunft im Vertrauen auf sein Umfeld angehen. So machen das viele bis heute, das Bungeespringen steht dafür.
Der 1939 losgebrochene Krieg schien all dies zu beenden. Und doch dürften viele den Kampf als ultimativen Kick verstanden haben, mochte es einer großen Zahl Deutscher bei Kriegsbeginn auch mulmig gewesen sein. Mehr als zwei Millionen tote deutsche Soldaten waren nicht vergessen, amputierte Beine und Arme markierten Verletzungen, eine halbe Million Kriegsversehrte wurden anerkannt. Noch wusste man um die Nöte und Härten der „Heimatfront“, um die Abmagerung aller. Doch das innere Feuer löschen, die Träume vom pfundigen Leben stillstellen? Just hier setzte „Familie Pfundig“ an, denn sie bot ein anständiges Vorbild im Einklang mit den Erfordernissen der Zeit. Das innere Feuer konnte weiter brennen, die Träume der eigenen Jugend. Doch Krieg war keine Zeit der Ekstase, sondern des ruhigen, beharrlichen Handelns. Der Feind würde jede Unbedachtheit nutzen, es galt ihm zuvorzukommen – nicht in der Ferne, sondern auf dem Bewährungsgrund Heimat. Die Landser mochten in die Ferne ausschwärmen, bei Widerstand pfundig schimpfen (Der Führer 1939, Nr. 294 v. 24. Oktober, 3). Doch mit pfundiger Kameradschaft und ebensolchen Weisen auf den Lippen würde es schon gehen (Ebd., Nr. 320 v. 19. November, 5; ebd. 1940, Nr. 44 v. 14. Februar, 4). Der nationalsozialistische Reichsfußballtrainer Sepp Herberger (1897-1977) schrieb entsprechend an einen seiner Nationalspieler: „Sie haben ja eine schöne Irrfahrt durch ganz Frankreich gemacht. Aber pfundig muss die Sache gewesen sein“ (Gregor Hoffmann, Mitspieler der »Volksgemeinschaft«. Der FC Bayern und der Nationalsozialismus, Göttingen 2022, 246). Der Krieg war ein Spiel, mit manch pfundigem Schuss.
Anregungen und Vorbilder

Herr Hase: Werbekampagnen für Zeitungsabonnements 1936/37 (Westfälische Neueste Nachrichten 1936, Nr. 235 v. 7. Oktober, 6 (l.); Schwerter Zeitung 1937, Nr. 73 v. 30. März, 3)
Die Anfang Januar 1940 einsetzende Kampagne mit „Familie Pfundig“ wurde vom Reichsverband der deutschen Zeitungsverlage in Kooperation mit dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda durchgeführt. Bezugspunkt und bedingt Vorbild war eine frühere Kampagne der Zeitungsverleger, die ebenfalls kaum mehr bekannte Herr Hase-Kampagne von 1936/37 (Herr Hase als Anzeigenwerber, Zeitungs-Verlag 37, 1936, 720; Herr Hase auf der Anklagebank, ebd. 36, 1937, 135). Dieser Herr, der von nichts wusste, weil er keine Zeitung las, wurde als Negativfigur des unbedarften, am Gemeinschaftsleben nicht teilnehmenden Sonderlings präsentiert, der am Ende zwingend mit dem Gesetz und der Gemeinschaft in Konflikt geriet und seine wirtschaftliche Existenz verlor (Gustav Lange, Schöne Grüße vom Schaefer-Ast (1890-1951). Postkarten und Geschichten für Werbekampagnen im Dritten Reich, Romerike Berge 72, 2022, H. 2, 12-31; unkritisch Werner Greiling, Werbegraphiker und Kunstprofessor in Weimar – Albert Schaefer-Ast (1890-1951), Das kulturhistorische Archiv von Weimar-Jena 1, 2008, 110-138, hier 120-125). Die Auftraggeber reagieren damit auf den massiven Auflagenrückgang der Tagespresse, einerseits Folge der Verbote der SPD- und KPD-Zeitungen und dem Ende auch liberaler Zeitungen, etwa der Vossischen Zeitung 1934. Sie war anderseits aber eine rationale Entscheidung der Leser, die ein zunehmend uniformes Nachrichten- und Propagandaangebot nicht auch noch finanzieren wollten, die sich fern hielten vom betreuten Denken in der vermeintlichen Volksgemeinschaft. Gleichwohl bemühten sich Verleger und Machthaber um höhere Abonnementzahlen, denn darauf gründete nicht nur eine einigermaßen erfolgreiche Verhaltens- und Verbrauchslenkung, sondern auch der Vertrieb zahlloser Angebote und Anzeigen (Norbert Frei und Johannes Schmitz, Journalismus im Dritten Reich, München 1989, 36-38).
Herr Hase tauchte in zwei längeren Serien Ende 1936 und Anfang 1937 in deutschen Zeitungen auf, wurde nach der halbwilligen Besetzung Österreichs dann 1939 in der „Ostmark“ abermals aufgelegt, dabei mit neuen Motiven ergänzt. Künstlerisch war sie wenig ansprechend, inhaltlich teils peinlich. Die Gründe für das Zeitungslesen waren teils hanebüchen, konnten die strukturellen Defizite einer fast gänzlich gleichgeschalteten und von Presseanweisungen recht genau gesteuerten Zeitungslandschaft ja nicht angesprochen werden (Konrad Dussel, Wie erfolgreich war die nationalsozialistische Presselenkung?, Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 58, 2010, 543-561). Hinzu kam, dass der 1939 begonnene Krieg für die Presse fast wie ein Konjunkturprogramm wirkte, stiegen die Auflagen doch rasch an, war man durch die Rationierung und die Zivilverteidigung doch von behördlichen Informationen zunehmend abhängig. „Familie Pfundig“ knüpfte daran an. Hans Fritzsche (1900-1953), Leiter der Abteilung „Deutsche Presse“ im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, betonte, diese Serie, ähnlich wie zuvor die Serien über Herrn Hase, solle „generell von allen deutschen Zeitungen gebracht werden“ (Jürgen Hagemann, Die Presselenkung im Dritten Reich, Bonn 1970, 309). Doch sie würde positiv sein, keine Negativfiguren enthalten, Willigkeit hervorrufen. Und so geschah es…
Naja, nicht ganz. Offen bleibt die Frage, warum man den Namen „Familie Pfundig“ wählte. Die Antwort liegt wohl in der Person des Zeichners Emmerich Huber (1903-1979). Dieser, wir kommen darauf zurück, hatte sich seit Mitte der 1920er Jahren als Zeichner, Illustrator und Werbegraphiker einen Namen gemacht, versah er doch gleichermaßen Güter und Gebote mit dem Charme des Freundlichen. Seine Arbeit kombinierte – wie schon Paul Simmel (1887-1933) und Walter Trier (1890-1951) – unmittelbar eingängige Zeichnungen mit humorvollen, selten auch bissigen Kommentaren. Huber arbeitete allerdings stärker seriell, erzählte kleine Geschichten, versah sie oft mit Sprachblasen, eingefügten Textzeilen und gereimten Unterzeilen. Huber war populär und daher gleichermaßen wertvoll für das Regime und die Konsumgüterindustrie.
Einer seiner vielen Auftraggeber in den späten 1930er Jahren war der niederländische Handelskonzern C&A. Als Filialbetrieb anfangs nicht wohl gelitten, gar Boykotten ausgesetzt, passten sich die offiziell gut katholischen Besitzer dem NS-Regime rasch an, entließen 1933 jüdische Mitarbeiter, übernahmen in der Folge jüdische Konkurrenten (Kai Bosecker, Vom ‚unerwünschten Betrieb‘ zum Nutznießer des NS-Regimes […], in: C&A zieht an! Impressionen einer 100-jähigen Unternehmensgeschichte, Mettingen 2011, 94-105; Mark Spoerer, C&A. Ein Familienunternehmen in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien 1911-1961, München 2016, insb. 132-175). Emmerich Huber war 1938 Teil einer breit gefächerten Werbekampagne für Konfektionsware und Barkauf (Dortmunder Zeitung 1938, Nr. 499 v. 26. Oktober, 9). Dabei wurde auch ein Herr Pfundig eingeführt. Den Kundinnen dürfte dies kaum im Gedächtnis haften geblieben sein, doch ein Graphiker erinnert sich solcher Namen, anregender und weiter verwertbarer Figuren.

Ein Herr Pfundig taucht auf: rechts, sechste Zeile (Hamburger Neueste Nachrichten 1938, Nr. 298 v. 17. Dezember, 3)
Alltags- und Versorgungsprobleme zu Kriegsbeginn – Die Motive der Serie
Die NS-Propaganda hatte anfangs auf eindimensionale Identifikationsfiguren gesetzt, brachiale, biestige Figuren, kraftstrotzend und gesinnungsstark. Derart leblose Vorkämpfer waren nach der Konsolidierung der NS-Herrschaft zwar noch immer weit verbreitet, kamen im öffentlichen Raum als martialische Symbole von Sieg und Zukunft auch stetig vor. Doch in den Zeitungen dominierten eher freundliche Durchschnittspersonen, in der Werbung die schürzenbewerte Hausfrau. Gezeichnete Werbefiguren kamen schon lange vor dem Ersten Weltkrieg auf und etablierten sich seit den frühen 1920er Jahren. Das NS-Regime nutzte sie seit Mitte der 1930er Jahre. Dabei lernte man durchaus von angelsächsischen Werbegraphikern und den zahlreichen in Deutschland vertretenen US-Werbeagenturen. Doch diese waren dem deutschen Markt nicht wirklich angepasst, zudem meinte man Besseres bieten zu können. Die immer wichtigere Verbrauchslenkung nutzte vielfältige Graphiken, Schaubilder, zunehmend auch kampagnenfähige Zeichenfiguren. Im Rahmen der „Kampf dem Verderb“-Propaganda symbolisierten „Groschengrab“ und „Roderich das Leckermaul“ Gefahren und Fehlverhalten. Doch die Machthaber, die noch an die starke Wirkung von Medien glaubten, wussten, dass der erhobene Zeigefinger allein nicht ausreichte. Positive, durchaus alltägliche Gegenfiguren kamen auf, Vorbilder für ein Alltagsnudging. Auf Groschengrab folgte der allerdings wenig erfolgreiche „Übeltöter“, Roderich fand in seiner Gemahlin Garnichtfaul einen im Sinne des Volksganzen denkenden Gegenpol. Dadurch war Verhaltenslenkung möglich, ohne den Einzelnen direkt zu attackieren. „Familie Pfundig“ stand in dieser Linie hin zum zivilen Vorbild. Innerhalb der fünfköpfigen Familien konnte Fehlverhalten verdeutlicht und zugleich korrigiert werden. Durchaus konsequent folgte auf „Familie Pfundig“ Ende 1940 das ebenfalls positive „Flämmchen“, ein Helfer beim Energiesparen.

Kiebitz: Pfundig als Modewort auch im Norden; Ankündigung einer Serie über die Familie Pfundig (Altonaer Nachrichten 1936, Nr. 53 v. 3. März, 5 (l.); Hamburger Neueste Zeitung 1940, Nr. 4 v. 5. Januar, 3)
All dieser Aufwand wurde betrieben, um letztlich den Einzelnen dazu zu bringen, seine Interessen zu Gunsten des kriegsführenden Staates zurückzustecken. Die Pfundigs machten das vor, machten voller Glauben mit, erfüllten alle an sie gestellten Anforderungen. „Familie Pfundig“ war personifizierte nationalsozialistische Moral (Lothar Fritze, Die Moral der Nationalsozialisten, Reinbek 2019; Wolfgang Bialas, Moralische Ordnungen des Nationalsozialismus, Raphael Gross, Anständig geblieben. Nationalsozialistische Moral, Frankfurt a.M. 2010). Während die Wehrmacht den Krieg gegen Frankreich und Großbritannien führte und vorbereitete, ging es an der Heimatfront um Zusammenhalt, Zurückstecken und Opferbereitschaft. Wie dies in kleiner Alltagsmünze möglich war, das zeigte „Familie Pfundig“.

Pfundigs „verkohlen“ sich selbst (Murtaler Zeitung 1940, Nr. 2 v. 13. Januar, 5)
Blicken wir dazu auf die Einzelmotive der Serie. Sie bündelten drängende Alltagsprobleme der frühen Kriegszeit, gaben einen Widerschein der von Beginn an bestehenden Probleme in der Konsumgüterversorgung (Christoph Buchheim, Der Mythos vom „Wohlleben“. Der Lebensstandard der deutschen Zivilbevölkerung im Zweiten Weltkrieg, Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 58, 2010, 299-328). Nach der reichsweiten Vorstellung der Familie Pfundig am 5./6. Januar 1940 erschienen im Halbwochentakt – in manchen Fällen auch in längeren Intervallen, in Österreich später als im Norden – thematische Kleincomics. Huber verwandte in den Bildern nur selten Sprachzeilen, eigentlich sein Markenzeichen, stattdessen dominierten Unterzeilen. Die jeweils drei Bilder wurden durch eine zusammenfassende Merkspalte ergänzt, in der die Botschaft nochmals verdichtet gebündelt wurde.
Dass als erstes die Probleme des Transportwesens und der Heizstoffversorgung thematisiert wurden, war naheliegend, denn die Requirierungen für Wehrmachtszwecke hatten tiefe Lücken nicht nur bei Automobilen und Lastkraftwagen hinterlassen, sondern auch bei den nach wie vor dominierenden Pferden und Fuhrwerken. Zudem war der Winter 1939/40 besonders kalt, betrug die Durchschnittstemperatur im Januar 1940 -9 °C. Der durch die Kriegsanstrengungen und wachsende Lieferverpflichtungen an neutrale Staaten ohnehin gebeutelte Wasser- und Bahntransport der heimischen Kohle stockte. Die Antwort hierauf war Eigeninitiative, waren Aushilfen mit privaten Karren, war vor allem Verständnis für Lieferprobleme.

„Reste-Tag“ bei Pfundig’s! (Salzburger Volksblatt 1940, Nr. 11 v. 13. Januar, 4)
Ähnlich drängend waren offenkundige, durch Transportprobleme ebenfalls verschärfte Versorgungsprobleme mit Lebensmitteln. Die Planer waren ohnehin von einem leichten Gewichtsverlust der Deutschen aufgrund der Rationierung ausgegangen. Nun aber griffen schon lange laufende Kampagnen für sparsame Haushaltsführung, praktische neue Convenienceprodukte und die vielbeschworene Resteküche (W. Plaetke, Lebensmitteleinkauf und Resteverwertung, Zeitschrift für Volksernährung 11, 1936, 92, 104-105, 119-121; Der durchdachte Haushalt. Kochplanung und Resteverwertung, Die Genossenschaftsfamilie 31, Nr. 1, 11; dass derartige Bestrebungen im letzten Jahrzehnt eine bemerkenswerte Renaissance erfuhren, sei nur am Rande vermerkt). Familie Pfundig beging nicht nur den zunehmend gängigen Reste-Tag, sondern fand das ungewohnte Essen so fabelhaft, dass sie das Rezept gleich mit den Volksgenossen teilte.

Pfundigs „alltägliche“ Feldpostsendung (St. Pöltner Zeitung 1940, Nr. 3 v. 18. Januar, 4)
Es folgte eine Reminiszenz Familie Pfundigs an die Herrn-Hase-Kampagne und die Interessen der auftragsgebenden Zeitungsverleger. Trotz wachsender Auflage warb man für die Tageszeitung im Felde. Wirtschaftliche Werbung und Kriegspropaganda gingen hierbei Hand in Hand, denn es ging hier nicht nur um Einnahmen, sondern auch um ein enges Band zwischen Front und Heimat. Anders als im Ersten Weltkrieg waren Liebesgaben 1939/40 zur Soldatenversorgung nicht wirklich erforderlich, wurde das enge Band zwischen Soldaten und den Zurückgeblieben vornehmlich durch einfache Feldpostbriefe gestärkt. Dass hierbei Inge Pfundig von einem wackeren Soldaten träumte, wird Uniformträger ebenso gefreut haben wie Vertreter einer pronatalistischen Politik, die immer auch an die demographischen Konsequenzen der Trennung gebärfreudiger Erwachsener dachten.

Begleitkampagnen zu pfundigen Anregungen (Bochumer Anzeiger 1940, Nr. 49 v. 27. Februar, 6)
„Familie Pfundig“ wurde von zahlreichen dezentralen Initiativen unterstützt, die die allgemeinen Zielsetzungen der Kampagne konkreter ummünzten. Das war bei der Werbung für zusätzliche Feldabonnements offenkundig, doch in den Folgewochen gab es zahlreiche ergänzende Hinweise und Angebote für fast alle Motive der Kampagne.

Vater Pfundig wird im dunklen „Helle“! (St. Pöltner Zeitung 1940, Nr. 4 v. 25. Januar, 5)
Moderne Kriege gründen auf einer leistungsfähigen Industrieproduktion, sind deshalb vielfach umkränzt von Sorge um Arbeiter und Angestellte. Es gilt Unfälle zu vermeiden, Vorsorge zu treffen, das Humankapital möglichst lange intakt zu halten. Nicht umsonst gewannen zu dieser Zeit Anzeigen für Heft- und Wundpflaster stark an Gewicht. Parallel aber schuf die mit Kriegsbeginn zwingend einsetzende Verdunkelung neue, bisher unbekannte Gefahren. Das betraf nicht ausgeleuchtete Gehwege, abgedunkelte Fahrrad- und Autoscheinwerfer. Herr Pfundig erlitt fast folgerichtig eine Beule als er mit jemand anderen zusammenstieß – was die Jungen gleich zu Spott veranlasste. Sie wussten nämlich um die neuen, auch in der Schule behandelten Alltagsregeln für Fußgänger. Hier galt es zu lernen, ansonsten würden die pfundigen Jungs die gebeutelten Älteren abhängen. Die Fußgänger wurden zwar faktisch belehrt und mit zehn Regeln vertraut gemacht. Doch es handelte sich um „Anregungen“, nicht um die zuvor stets tönenden „Gebote“ oder um die sprachlich schon weniger rigiden „Ratschläge“. Hier sprachen Volksgenossen miteinander, war Respekt und Freundlichkeit gewährleistet, mochte schadenfreudiges Schmunzeln über den hölzern-gutwilligen Karl Pfundig auch erlaubt sein.

Vater Pfundig und „Minna von Barnhelm“: Auch mal im Hochformat (Die Heimat am Mittag 1940, Nr. 17 v. 20. Januar, 4 (l.); spiegelverkehrt: Bochumer Anzeiger 1940, Nr. 18 v. 22. Januar, 4)
Diese nach innen gewandte Kameradschaftlichkeit war immer auch Ausdruck deutscher Bildung und deutscher Kultur (natürlich nur im „arteigenen“ Sinne). Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781), Schöpfer von „Nathan der Weise“, einem bis heute beeindruckenden Plädoyer für Toleranz und friedliches Miteinander, wäre gewiss vergrätzt gewesen, hätte er von der Aufnahme seines 1767 erschienenen Lustspiels „Minna von Barnhelm“ in die Familie-Pfundig-Kampagne erfahren. Dieses war ein Bühnenklassiker, blieb es auch während der NS-Zeit, wurde bis März 1945 wieder und wieder gespielt. Warum? Gewiss, weil es leicht und leidenschaftlich war, zu Herzen ging, einem dem Alltag entzog. Für die Kampagne aber wichtiger dürfte das Spiel gegen „den überspitzten Ehrbegriff“ gewesen sein, mit dem Ziel, „das lockende, reizende Werben aufgeschlossener Fröhlichkeit, den finsteren, verschlossenen, in Dogmen und Maximen erstarrten Ernst zu besiegen“ (Wilhelm Antropp, Akademietheater, Völkischer Beobachter 1939, Nr. 287 v. 14. Oktober 1939, 4). Minna von Barnhelm war pfundig im Sinne des Begriffs; und Pfundigs zielten durch den Theaterbesuch nicht nur auf eine kriegsgemäße Work-Life-Balance, sondern sie nährten auch das pfundige Grundgefühl ihrer Jugend, das sich nun geläutert zu bewähren hatte.

Pfundigs Kameradschaft immer guten Rat schafft! (Mittelrheinische Landes-Zeitung 1940, Nr. 23 v. 27. Januar, 4)
Wir könnten so fortfahren, Motiv für Motiv. Denn Entspannung war für die Pfundigs nicht nur selbstbezüglich, sondern war Nährboden für die organische Gemeinschaft, für Familie, Haus- und Volksgemeinschaft. Nachbarschaftshilfe war für sie selbstverständlich, die Sorge für den Nachwuchs weckte mütterliche Gefühle, ließ den Mann wieder zum Kinde, zum Spielkameraden werden. Dass dies die innere Seite der Hege eines nach außen aggressiven Regimes war, ist offenkundig.
Doch ebenso ermüdend wie das beigefügte Lob der Hilfsbereitschaft sein konnte – im Sommer 1942 folgte gar eine breit gefasste Kampagne des Reichspropagandaministeriums für Höflichkeit – ist eine Auflistung ohne wirklich fundiertes Eingehen auf den Inhalt der einzelnen Motive. Sie finden sie gleichwohl hier abgedruckt, denn sie spiegeln die Probleme des Deutschen Reichs schon zu Kriegsbeginn. Leder war knapp, musste geschont und gepflegt werden – entsprechend wurde für Schuhpflegemittel bis Kriegsende immer schlechterer Qualität zum Trotz geworben. Wie auf Humankapital war auch mit Sachkapital sorgfältig, achtsam umzugehen.

Fritzen’s Schuhe stören Pfundigs Ruhe! (Jeversches Wochenblatt 1940, Nr. 26 v. 31. Januar, 6)
Auch die Textilproduktion diente immer stärker dem Militär, doch auch sie konnte dessen Bedarf nicht annähernd decken, wurde der Krieg gegen die UdSSR mit unzureichender Ausrüstung geführt. Während „Deutsche Mode“ zu einem devisenträchtigen Exportartikel wurde – Berlin überholte in der Folgezeit kurzfristig Paris als europäische Modehauptstadt – glich der Umgang mit Altkleidern denen mit Lebensmittelresten. Damit galt es hauszuhalten, daraus konnte aber auch Neues geschaffen werden – wenn denn die Frauen, wie Tochter Inge Pfundig, neben ihrer gewerblichen Arbeit noch Zeit fanden, selbst zu schneidern.

Auch „alte“ Kleider machen Leute! (Briesetal-Bote 1940, Nr. 29 v. 3. Februar, 3)
Angesichts der zu Kriegsbeginn nur sporadischen Luftangriffe auf Reichsziele ließ die Neigung zur steten Verdunkelung nach, beträchtlicher Kontrollen zum Trotz. Selbst Karl Pfundig wurde nachlässig, konnte aber wiederum mit Hilfe seines Jungen (und der ausgedünnten Polizei) auf den Pfad der Kriegsgemeinschaft zurückgebracht werden. Dass nun „Ratschläge“ erteilt wurden, verweist auf eine gewisse Renitenz zumal im ländlichen Bereich.

Die Polizei kommt zu Pfundigs! (General-Anzeiger für Bonn und Umgegend 1940, Nr. 16673 v. 7. Februar, 4)
Dieses Motiv war für viele Zeitungen in der Tat das letzte Motiv ihrer Familie-Pfundig-Kampagne; bereits die Streifen zur Schuhpflege und zum Kleiderschneiden waren nur noch selten gedruckt worden. Die folgenden drei Motive fanden sich nur selten – wobei immer zu berücksichtigen ist, dass die Zeitungsdigitalisierung in diesem Staate, trotz erfreulicher Fortschritte in NRW, auf dem Stand eines rückschrittlichen Landes liegt.

Pfundigs Idee für’s Winterhilfswerk! (Baruther Anzeiger 1940, Nr. 18 v. 9. Februar, 2)
Dieses Abebben und Ausfransen der Kampagne mochte auch daran liegen, dass die nun folgende Propaganda für das Winterhilfswerk und das Papiersparen ohnehin weit verbreitet war. Sammlungen waren längst der Freiwilligkeit enthoben, die aufgrund fehlenden devisenträchtigen Holzes akute Papiernot wurde durch staatliche Maßnahmen bereits zu mildern versucht (etwa die Reduktion des Zeitungsumfanges und der Größe und Ausstattung der Werbeanzeigen).

Beim Papier sind Pfundigs „eisern“! (Fehrbelliner Zeitung 1940, Nr. 16 v. 16. Februar, 3)
Die Motive knüpften an die den NS-Alltag schon seit langem prägenden Sparsamkeitsappelle an – und der wachsende Zwang von Partei und Staat verwies schon auf die sich seither immer wieder verschärfende, nur selten sich wieder entspannende Versorgungssituation. Von einer „Wohlfühldiktatur“ kann man kaum sprechen. Obwohl sich Familie Pfundig durch die Themensetzung auch inhaltlich in die allgemeine NS-Kriegspropaganda einreihte, endete die Serie mit einem sowohl untypischen wie charakteristischen Motiv. Fritz hatte durch Unachtsamkeit seinen Anzug zerrissen, seine Mutter drängte auf eine tüchtige Tracht Prügel. Doch sein Vater beließ es bei einem eindringlichen Appell, künftig anders zu handeln. Leben war eben pfundig, nicht immer zu zügeln. Das drängende Dasein, es war durch Gewalt nicht zu einzudämmen. Ihm eine Richtung zu geben, Karl Pfundig hatte dies durch Selbstzucht erreicht. Sein Sohn würde auch ohne Prügel in seine Fußstapfen treten.

Wie sagt’s Pfundig seinem Kinde? (Sauerländisches Volksblatt 1940, Nr. 53 v. 2. März, 4)
Die Familie-Pfundig-Kampagne ist aber – wie jede Kriegspropaganda – nicht nur spannend durch die darin enthaltenen Aussagen und Ratschläge. Historisch ebenso wichtig war, was in ihr nicht thematisiert wurde. Indem die kleinen handhabbaren Probleme des Alltags humoristisch angegangen wurden, konnte die große Frage nach dem Krieg als solchen, nach dessen Ursachen und dessen Sinn überdeckt werden. Die Einreihung in Familie, Haus- und Volksgemeinschaft, die kleinen Problembewältigungen, sie waren schon Bejahung, ein Nachjustieren, Teil der Kriegsanstrengung. Der gute Menschenverstand kam scheinbar zum Durchbruch, der Pragmatismus des Alltags; doch die Kampagne zielte zugleich auf dessen Ausschaltung zugunsten des Regimes, zugunsten eines möglichst reibungslosen Kriegsgeschehens. Bestehende Probleme des Kriegsalltages wurden in der Kampagne angerissen, doch die strukturellen Probleme der Rationierung, weiterhin bestehender Devianz, weit verbreiteter Korruption und Bereicherung, sie wurden bestenfalls angedeutet, nicht aber rückfragend aufgegriffen. Dafür gab es andernorts eine offiziöse NS-Härte, die Inklusion und Exklusion aus der Volks- und Kriegsgemeinschaft. Sie schwang immer mit: „Familie Pfundig“ stand in der Mitte, weil sie mitschwamm. Doch irgendwann wäre die Grenze überschritten gewesen, wäre eine ordentliche Tracht Prügel und mehr die Folge gewesen. Dem konnte jeder Vorbeugen, durch Handeln im Sinne des Regimes. Die unterschiedlichen Motive der Kampagne spiegeln begrenzte Sprach- und Handlungsräume innerhalb der NS-Diktatur, innerhalb der NS-Kriegspropaganda. Sie spiegeln zugleich auch die sich verengenden Sprach- und Handlungsräume innerhalb jeder Kriegssituation. „Familie Pfundig“ adelte das biedere Mitmachen, das Zähne-Zusammenbeißen, das bereitwillige Durchhalten. Aktives, freudiges, aufheiterndes und begeisterndes Handeln war weiter von Nöten – nun aber für die Volksgemeinschaft, unter Vernachlässigung der eigenen Interessen. So konnte auch der Krieg zu einer pfundigen Sache werden.
Emmerich Huber, NS-Humorist
Die NS-Propagandaserie „Familie Pfundig“ wurde ersonnen und umgesetzt vom wohl wichtigsten NS-Humoristen, von Emmerich Huber. Er ist heute nur noch wenigen bekannt, auch wenn er bis in die 1960er Jahre gut beschäftigt war (Eckart Sackmann, Emmerich Huber, Deutsche Comicforschung 2005, 56-71; Ders., Emmerich Huber – zum Zweiten, Deutsche Comicforschung 2010, 87-92). Er zog sein Ding durch, doch anders als in derart oberflächlicher Forschung suggeriert, war er während der NS-Zeit nicht allein der nette Zeichner von Nebenan, dessen kleine Episoden und Figuren kurze Freude in den tristen (Kriegs-)Alltag zeichneten, der sich nur ein wenig anpasste. Huber war ein Pendant zum Filmstar und Biedermann Heinz Rühmann (1902-1994), lieferte wie dieser bräsigen, massenkompatiblen Humor, der sich in jedem politischen System findet (Torsten Körner, Ein guter Freund Heinz Rühmann, Berlin 2003; eingängig populär: Hans Sarkowicz (Hg.), Hitlers Künstler. Die Kultur im Dienst des Nationalsozialismus, Frankfurt a.M. 2004; nicht überzeugend, ja vielfach peinlich: Michael H. Kater, Kultur unterm Hakenkreuz, Darmstadt 2021). Täter wie Huber und Rühmann tönten vom Miteinander, vom Freund, dem guten Freund. Doch mit mehr Distanz erscheinen sie als Personen, denen es sich vorrangig um sich ging, um ihr Einkommen, ihre Sicherheit, ihre Uk-Stellung.
Huber wurde in den 1920er Jahren bekannt als Zeichner von Kindergeschichten, kleinen Comics in der Kundenzeitschrift Blauband-Woche, für die er neue Figuren schuf: „Das Neueste von Onkel Jup“ und „Hans und Lottchen“ waren nicht nur bei Kindern beliebt (einschlägige Digitalisate finden Sie unter Archive.org). Parallel arbeitete er schon früh für Werbekunden, etwa die Berliner Firma L.M. Baginski mit ihren Fitnessartikeln (Der Welt-Spiegel 1926, Nr. 50 v. 12. Dezember, 10). Man findet Hubers Zeichnungen in so herausragenden Zeitschriften wie „Sport im Bild“, vor allem aber in der Karikaturzeitschrift „Ulk“, dank der bissigen politischen Karikaturen von Rudolf Herrmann Anfang der 1930er Jahre ein wichtiges Kampfblatt für die Weimarer Republik, gegen die „Reaktion“ und die NSDAP. Huber selbst witzelte über die Enttäuschungen der Woche, zeichnete optimistisch (Ulk 61, 1932, Nr. 1, 1), half dem Ulk zu einer stärken Balance zwischen Unterhaltung und republikanischer Agitation. Auch durch Buchillustrationen gewann er den Ruf eines lustigen Zeichners, der für alles und jedes gut zu verwenden war (H[ermann] K[arl] Frenzel, Emmerich Huber. Ein lustiger Zeichner, Gebrauchsgraphik 9, 1932, Nr. 4, 4-11).

Beispiel für Hubers Werbezeichnungen für Wybert (Illustrierter Beobachter 13, 1938, 1837)
Die Machtzulassung der NSDAP war für Huber kein wirklicher Bruch. Er arrangierte sich mit der neuen Lage, zeichnete Werbung etwa für die Radios von Saba (Sport im Bild 40, 1934, 1117), oder eine umfangreiche, bis 1941 fortgeführte Serie für Wyberts Pastillen. Einzelzeichnungen und Buchillustrationen festigen den Ruf, dass er „immer wieder mit seinen köstlichen Figuren die Schwächen der Menschen festzuhalten“ (Der Sächsische Erzähler 1936, Nr. 264 v. 11. November, 9) wisse. Huber prägte das, was Deutsche unter lustig verstanden, voller Schenkelklatschen, mittels strikter Geschlechtscharaktere, draller Damen und gutmütiger Kleinbürger. Heroisch war das alles nicht, ein Gegenbild zu Marschkolonnen und Arierertypen. Doch diese waren in der deutschen Unterhaltungskultur keineswegs so dominant, wie dies im Blick auf strikte NS-Propaganda erscheinen mochte. Hubers „lustigen Karikaturen“, seine Seiten „lustiger Zeichnungen“ (Wilsdruffer Tageblatt 1939, Nr. 155 v. 7. Juli, 5; Der Sächsische Erzähler 1938, Nr. 39 v. 16. Februar, 10) waren zeichnerisch gut gemacht, machten aus ihm eine Marke. Ab Mitte der 1930er Jahre etablierte er sich als einer im Graphikbereich wichtigsten, schließlich im Krieg zum wichtigsten NS-Humoristen. Er gestaltete anfangs ganze Seiten für die hochwertig gedruckte „Neue Illustrierte Zeitung“, die seine Werke in der Werbung stetig pries (Zschopauer Tageblatt und Anzeiger 1936, Nr. 302 v. 19. Dezember, 2; Bergische Landes-Zeitung 1937, Nr. 228 v. 30. September, 3; Bergische Landes-Zeitung 1938, Nr. 35 v. 2. November, 3). Seine Zeichnungen brachen die offenkundigen Härten des NS-Regimes, der ubiquitären Verfolgung und Denunziation nicht nur von Minderheiten.

Sparsamkeit und Zurückhaltung: Werbekampagne für Max Krause 1940 (Die Kunst für alle 56, 1940/41, H. 10, Anhang, 14 (l.); ebd. H. 3, Anhang, 27)
Die zunehmenden Werbeeinschränkungen seit Beginn des Zweiten Weltkrieges ließen Werbekunden seltener werden. Emmerich Huber konnte dies kompensieren, zeichnete und textete bis 1945 für führende NS-Illustrierten, für den parteieigenen „Illustrierten Beobachter“, die „Münchener Illustrierte“, für das Magazin der Deutschen Arbeitsfront „Arbeitertum“. Der Umfang der Zeitschriften schwand, doch Emmerichs letzte Seite blieb stehen, war kriegswichtig, nicht nur für die Stimmung an der Heimatfront und im Betrieb. Die „Emmerich-Huber-Seite“ (Völkischer Beobachter 1943, Nr. 6 v. 6. Januar, 5) spornte freundlich an, zielte auf ein Es-geht-noch-was, auf ein stetes in-die-Hände-Spucken, zielte ohne Knute auf beschwingtes, pfundiges Handeln der Volksgemeinschaft. Emmerich Huber war ein Meister des Selbst- und Fremdbetruges, der auch dem Leben im Bombenkrieg manch heitere Seite abgewinnen konnte.

Die Juden als gewissenlose Geschäftemacher, als Ausdruck des jüdischen Bolschewismus – Hubers Benennung der deutschen Hauptfeinde nach dem Beginn des Krieges gegen die UdSSR (Illustrierter Beobachter 16, 1941, Nr. 38)
Der biedere Emmerich Huber war jedoch mehr als ein humoristischer Sorgenbrecher des Großdeutschen Reiches. Er war auch ein antisemitischer Hetzzeichner. Das betraf etwa eine antibritische und antisemitische Propaganda-Broschüre, die er 1941 zusammen mit dem geschätzten Kollegen Hans Herbert Schweitzer (1901-1980) verfasste (Die Plutokraten-Presse. Wie sie lebt und lügt, wer sie macht, wer sie bezahlt, Berlin 1941). Unter dem Pseudonym Mjölnir, dem Namen des durch Marvel-Comics ja allseits bekanntem Hammers des nordischen Donnergottes Thor, war letzterer nicht nur seit 1926 für die NSDAP agitatorisch tätig, sondern wurde 1933 auch zum „Zeichner der Bewegung“ ernannt (Carl-Eric Linsler, Mjölnir – Zeichner des Nationalsozialismus, in: Wolfgang Benz (Hg.), Handbuch des Antisemitismus, Bd. 7, Berlin 2015, 313-316).

Der „ewige Jude“ im ausgebombten London – Zeichnung von Emmerich Huber (Illustrierter Beobachter 16, 1941, 248)
Doch Huber hat auch in seinen wöchentlichen „heiteren“ Serien wiederholt Ideen einer jüdisch-bolschewistischen Weltherrschaft in Szene gesetzt, hat zugleich den „ewigen Juden“ gezeichnet, dessen vermeintlich zerstörerische Natur immer wieder zum Ausdruck kam. Fast pfundig ist, dass dies im Gefolge der „Luftschlacht um England“ erfolgte, die mit einer empfindlichen Niederlage der deutschen Luftwaffe endete, die ihrem britischen Gegner in fast allen Belangen unterlegen war. Huber zeichnete das Hauptquartier der siegreichen Royal Air Force als Stelldichein exzentrischer Dummköpfe, regiert von Juda. Dem Mannheimer Medienwissenschaftler Konrad Dussel, der vorgab, die Huberschen Zeichnungen im Illustrierten Beobachter durchgesehen zu haben, sind diese Karikaturen offenbar entgangen (Bilder als Botschaft, Köln 2019, 239-241) – entsprechend freundlich seine Einschätzung des biederen Herrn Huber und seines NS-Werkes.

Juda regiert – Hubers Einblicke in das Hauptquartier der Royal Air Force (Illustrierter Beobachter 16, 1941, Nr. 45)
Familie Pfundig verschwindet
Familie Pfundig verschwand Anfang März 1940 ohne viel Aufhebens, wurde vergessen. Sie war Teil der nationalsozialistischen Kriegspropaganda, zeigte deren scheinbar freundliche, verständnisvolle, pfundige Seite. Sie handelte von den Sorgen und Aufgaben des Kriegsalltags, zielte auf das für jeden Krieg erforderliche Einvernehmen, Mitmachen und Dulden der Zivilbevölkerung. „Familie Pfundig“ personifizierte nationalsozialistische Moral, deutsche Zuversicht und deutschen Optimismus. Serien wie „Familie Pfundig“ appellierten an deutsche Werte, solche der Selbstleugnung und der Pflichterfüllung. Besser als repressive und warnende Propaganda, besser als die Kampagnen gegen Hamsterei und Wucher, besser als direkte Denunziationen der „plutokratischen“, der „jüdisch-bolschewistischen“ Feinde vermochte sie Zusammenhalt zu schaffen, Verständnis für die Härten der Zeit. Sie war typisch für die frühe Phase des Krieges, in dem die Fährnisse des Alltages noch überschaubar waren, in der noch nicht täglich zehntausend deutsche Soldaten verreckten, wie in der Endphase des Höllensturzes.
„Familie Pfundig“ knüpfte an die Werte einer antiintellektuellen Erwachsenen- und Jugendkultur an, geprägt von realem, vor allem aber virtuellem Leben und Abenteuer. Die Form der Comic-Zeichnung zielte auf die große Mehrzahl, auf einfache Problem-Lösung-Strukturen, auf Aufgabe und Erfüllung. Ihr Gestalter Emmerich Huber bettete all dies in humoristische Watte, doch andere seiner Zeichnungen präsentierten auch den rassistischen Grundtenor des Nationalsozialismus. Angesichts der breiten Klaviatur der NS-Propaganda war dies all denen klar, die lesen und sehen konnten und wollten.
„Familie Pfundig“ ist eine abgeschlossene, nicht wirklich bedeutsame Episode im breiten Kranz der NS-Kriegspropaganda – mochte sie auch abermillionenhaft gedruckt und verbreitet worden sein. Sie steht für die Wandlungsfähigkeit und Vielgestaltigkeit der Kriegspropaganda. Die steten Einseitigkeiten, Halbwahrheiten und offenen Irreführungen in der staatsnahen, vielfach staatsgleichen Presse waren einfacher zu erkennen als die nette Umrahmung, die freundliche Bitte zum Mitmachen, die Alltagshilfe. Und vielleicht kann der Blick auf „Familie Pfundig“ das Verständnis dafür schärfen, auf welch samten Pfoten sie uns bis heute umschleicht.
Uwe Spiekermann, 5. November 2022