Die Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg sind durch eine rasche Chemisierung des Alltags gekennzeichnet. Die aufstrebende chemische Industrie konzentrierte sich nicht mehr allein auf Grundstoffe, vielmehr fanden neu handhabbare chemische Stoffe zunehmend Platz im Haushalt – erst des Bürgertums, dann aber auch der Facharbeiterschaft. Das Essen veränderte sich durch neue Aromen (Vanillin, Maggis Würze), durch Backhilfsmittel (Backpulver, Puddingpulver), durch Stärkeprodukte (Reisstärke, Maizena), Nährpräparate und Essenzen, Konservierungsmittel (Salizylsäure, Benzoesäure) und vieles andere mehr. Haarpflegemittel erlaubten zunehmend Selbstgestaltung, sei es durch Färbemittel wie Wasserstoffperoxyd, sei es durch erste Haarshampoos, vielfach auf Teerbasis. Auch Körperpflege wurde mit verbesserten Seifen, neuartigen Cremes und mannigfachen Schlankheitspräparaten vielfältiger, scheinbar auch einfacher. Es folgten bisher unbekannte Putz- und Waschmittel, Polituren, Wachse, ganz zu schweigen von zahlreichen neuen Farben und Lacken, von Heilmitteln und durchaus wirksamen Pharmazeutika.
Neue chemische Stoffe wurden in Produkte umgeformt, die jedem einzelnen versprachen, sein Leben bequemer zu machen, den Alltag zu erleichtern. Die Zukunft würde bequem werden, Ruhe und Einkehr ermöglichen. Dank der neuen Convenienceprodukte würden Hast und Eile abgemildert, könne man die angespannten Nerven erholen, sich den Wonnen des gesicherten Daseins widmen. Im Haushalt stand Arbeitserleichterung im Mittelpunkt zahlloser Reklamen. Und wer wollte die offenkundigen Fortschritte bezweifeln? Ofenanzünder statt Feuermachen, Drehscheiben statt Lichtanzünden, Schalter für Warmwasser – manches bereits Alltagsluxus, vieles allerdings noch Zukunftsmusik.

Vorbereitet und vorportioniert: Convenienceprodukte der Jahrhundertwende (Die Woche 10, 1908, Nr. 1, IV (l.); Lustige Blätter 14, 1899, Nr. 23, 14)
Und doch: Diese neuen Convenienceprodukte lassen sich auch anders deuten. Es handelte sich eben immer auch um Übergangstechniken, um Wegmarken hin zu den paradiesartigen Verhältnissen, in denen all die Versprechungen eingelöst würden, die in Begriffen wie Muße, Ruhe, Lebensfreude steck(t)en. Convenienceprodukte stehen dann nicht nur für mehr Bequemlichkeit, sondern überdecken die Härten und Fährnisse des Alltags, überspielen die mangelnde Leistungsfähigkeit der Absatz- und Versorgungsketten, die im Alltagstraum des gelingenden Lebens schon längst ausgemalt wurden. Convenienceprodukte hatten und haben den Charme der Verbesserung, doch sie lenken zugleich davon ab, dass der Alltag eben weiterhin unvollkommen und beschwerlich ist. Sie stehen dann für ein Arrangement mit dem Unausgegorenen, dem Halbgaren. Convenienceprodukte sind Zwischenlösungen – die teils viele, viele Jahrzehnte Bestand haben, teils als solche nicht mehr hinterfragt werden. So verstanden, stehen Convenienceprodukte strukturellen Veränderungen entgegen, erschweren diese gar.
Ein dafür recht typisches Beispiel war das heute nicht mehr angebotene Eierkonservierungsmittel Garantol. Seit der Jahrhundertwende verfügbar, wurde es im späten Kaiserreich ein billiger Alltagshelfer. Sein Zweck war der Zeitensprung, war eine möglichst stete Präsenz von Eiern im Haushalt, auch im Winter. Das war an sich naturwidrig, denn die vermaledeiten Hühner legten Eier eben vor allem im Frühjahr und Sommer. Heute, im Zeitalter saisonaler Glättung, von energieintensiver Kühl- und Transporttechnik sowie einer von tradierten Rhythmen weitgehend entkoppelten Geflügelmassenproduktion ist das kein wirkliches Thema mehr. Garantol erlaubte seinerzeit jedoch ein einfaches und recht sicheres Einlegen der Eier – gängiges Alltagshandeln bis in die späten 1950er, frühen 1960er Jahre, bis hin zur Technisierung und Rationalisierung des Groß- und Einzelhandels. Es federte damit einen – im Vergleich etwa zur USA, Großbritannien oder den Niederlanden – Zustand zunehmender Rückständigkeit ab, in dem frische Eier im Winter seltener, teuer und schlechter wurden, wogegen sich die Haushalte aber ansatzweise wappnen konnten.
Eier als saisonale Ware oder Der Zwang zur Eierkonservierung
Eier waren Ende des 19. Jahrhunderts gewiss kein „Naturprodukt“ mehr. Doch trotz langsamer Fortschritte bei der Geflügelzucht, der Futtertechnik und der Bruttechnologie waren Eierproduktion und -versorgung noch an die natürlichen Reproduktionsrhythmen der Hühner angelehnt. Das gackernd-scharrende Federvieh legte die Masse der Eier brutlüstig im Frühjahr, während der „Eierschwemme“ in der Oster- und Nachosterzeit. Noch in den 1930er Jahren wurden hierzulande 60 Prozent aller Eier zwischen März und Juni gelegt (Hans-Jürgen Metzdorf, Saisonschwankungen in der Erzeugung und im Verbrauch von Nahrungsmitteln, Die Ernährung 3, 1938, 21-30, hier 25). Im Juli und August ebbte die Legetätigkeit ab, ebenso die nicht zu vernachlässigende Leistungsfähigkeit der Althähne. „Frische“ Eier wurden im September und Oktober rar, im November und Dezember waren sie Raritäten. Man behalf sich, gewiss. Eierimporte ermöglichten Zeitstreckungen, doch trotz ihrer Verfünffachung zwischen 1880 und 1900 handelte es sich bei diesen „Kisteneiern“ um deutlich teurere Ware, die vor allem Versorgungsengpässe im Winter abfederte.

Praktisch, doch zu teuer: Eierpulver und Eipräparate (Die Woche 8, 1906, H. 15, p. II)
Die deutsche Eierwirtschaft arbeitete in den Handelszentren Berlin, Hamburg und Leipzig zwar effizient, doch in der Fläche sah das trotz einer leistungsfähigen Eisenbahn anders aus. In den noch dominierenden Mittel- und Kleinstädten sowie auf dem Lande war Selbst- und Nahversorgung üblich, war man den natürlichen saisonalen Rhythmen weit stärker als in den Städten ausgesetzt – auch weil die Kaufkraft hier niedriger lag. Zwar konservierten größere Geflügelwirtschaften, frühe Eierproduktionsgenossenschaften und auch Großhändler wachsende Teile ihres Angebotes, doch dies milderte lediglich das Auf und Ab des Angebotes, zumal in den urbanen Hauptmärkten.
Hinzu kam, dass die preismindernde Eierschwemme seit dem späten 19. Jahrhundert zunehmend von der Industrie genutzt wurde. Eier wurden eben nicht nur direkt verzehrt, sondern mündeten in chemische und kosmetische Produkte. Als Zwischenprodukt fand sich Eigelb etwa in Eiernudeln wieder, in Backhilfsmitteln, Margarine oder Eierkognak. Auch die wachsende Farbstoffindustrie nutzte Eier, ebenso die sich dynamisch entwickelnde Photographie (Albuminpapiere) (Emil Marian, Deutschlands Geflügelhaltung und sein Handel mit Geflügelprodukten, Phil. Diss. Leipzig, Borna-Leipzig 1906, 59-60). Die langsam präzisere Eiweißforschung erlaubte eben nicht nur Eiweißpräparate und Utopien einer synthetischen Kost, sondern schuf Eiern ganz neue Verwertungsmöglichkeiten.
Welche Verfahren der Eierkonservierung gab es nun, welche kamen neu auf? Um den Verderb möglichst lange zu verhindern, galt es die Poren der Schale gegen Lufteintritt, also gegen Schimmelpilze und bakterielle Zersetzung abzudichten. Noch herrschte die Vorstellung, das Ei gleichsam dicht machen zu können. Über die inneren Veränderungen des Eiweißes bei Lagerung wusste man kaum etwas (deutlich elaborierter schon Fr[iedrich] Prall, Über Eier-Konservierung, Zeitschrift für Untersuchung der Nahrungs- und Genußmittel 14, 1907, 445-481). Üblich und durchaus „bewährt“ war lange Zeit das Einlegen der Eier in Kalk. Der Fäulnisschutz erfolgte jedoch auf Kosten der an sich vielfältigen küchentechnischen Möglichkeiten der Eier: Das Kalkeiweiß ergab trotz emsigen Schlagens keinen rechten Schaum. Beim Kochen zerbrachen häufig die Schalen, so dass das Frühstücksei immer wieder zerbarst. Der Geschmack der Kalkeier war hässlich und dumpf (Erich Schmidt, Eier und Geflügel als Nahrungsmittel, 3. Aufl., Berlin 1913, 17). Andere Verfahren waren noch schlechter, noch ausfallbehafteter: Einlegen in Salz war verbreitet. Doch anders als die zuvor gekochten und dann mit Senf und Öl verspeisten Soleier entwickelten Salzeier nach längerer Zeit einen „widerlichen Geschmack“ (Josef Weil, Diätetisches Koch-Buch, 2. umgearb. u. verm. Aufl., Freiburg i. Br. 1873, 105). Weniger invasiv war das Überziehen mit Speiseölen, etwa Leinöl, oder der in den 1870er Jahren aufkommenden Vaseline. Das Ei schmeckte besser, aber die Haltbarkeit war geringer. Derart konservierte Eier waren anfällig, mussten allwöchentlich in den Horden oder im Stroh gedreht werden, um anfällige Druckstellen zu vermeiden. Zeitensprünge hatten also eine beträchtliche Fallhöhe – und die zu Beginn des Kaiserreichs üblichen Schutzmaterialien Kalk, Salz und Fett waren bereits elaborierter als die simple Einlagerung der Eier in schützendem Sand, in Holzasche oder Häcksel sowie die winterliche Kühlung in Kellerräumen bzw. Erdmulden.

Wasserglas für den Hausgebrauch (Der Landbote 1886, Nr. 51 v. 1. Mai, 4 (l.); ebd. 1889, Nr. 56 v. 11. Mai, 4)
Diese Malaise der Eierkonservierung wurde seit den 1880er Jahren durch ein „neues“ Präparat gemildert, das Wasserglas (Hermann Mayer, Das Wasserglas, seine Eigenschaften, Fabrikation und Verwendung, Braunschweig 1925). Dabei handelte es sich um wasserlösliches kieselsaures Alkali, entstanden aus dem Verschmelzen von Quarzsand mit Kali und/oder Natron – sowie etwas Holzkohle. Wasserglas war pulverisiertes, in Wasser aufgelöstes Glas, eine gallertartige Flüssigkeit für die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts immer neue Verwendungen gefunden wurden: Sie half bei der Grundierung, bei Dachpappen, diente als Bleichmittel, zum Brandschutz, vermehrt auch als Kitt oder Waschmittel (H. Grothe, Ueber die Wasserglas-Industrie, Badische Gewerbezeitung 9, 1876, 169-179). Um Eier zu konservieren wurde das vom Apotheker oder Drogisten angebotene Wasserglas mit Wasser vermischt und leicht erhitzt. In diese warme Flüssigkeit legte man die Eier und imprägnierte sie ca. zehn Minuten. Dann herausnehmen und abtrocknen. Der Überzug schützte die Hühnerprodukte recht sicher, so dass man sie bis zur nächsten Eierschwemme nutzen konnte (Conservierung der Eier durch Wasserglas, Archiv der Pharmacie 179, 1867, 134). Der Wirkmechanismus war seit Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt, setzte sich aber erst seit den 1880er Jahren durch (Konserviren der Eier, Der Landbote 1858, Nr. 133 v. 9. November, 526). Der Wirkungsgrad war nämlich größer, legte man Eier dauerhaft in Wasserglas ein. Der Geschmack dergestalt konservierter Eier war nicht ideal, vielmehr recht kratzig. Doch verglichen mit Kalk gab es deutlich weniger Bruchfälle, zudem war das Eiweiß schlagfähig (Alfred Hasterlik, Wasserglas als Eierkonservierungs-Mittel, Pharmazeutische Zentralhalle für Deutschland 58, 1917, 265-266, hier 266). Als Rührei, in Speisen oder Backwaren erfüllten die Eier verlässlich den zugedachten Zweck. Um die Jahrhundertwende galt Wasserglas als das beste Eierkonservierungsmittel (Die Konservirung von Eiern, Zeitschrift für Öffentliche Chemie 3, 1897, 301-302).

Ausnahme: Eierkühlraum der Gesellschaft für Markt- und Kühlhallen in Berlin (Refrigeration, 1913, 82)
Die Kühlung von Eiern blieb dagegen unterentwickelt, anders als in den USA, anders als beim wichtigsten Eierlieferanten Russland. Dies galt, obwohl das Deutsche Reich die weltweit führende Kältemaschinenindustrie hatte (Hans-Liudger Dienel, Linde. History of a Technology Corporation, 1879-2004, Houndmills und New York 2004, 3-12, 28-35). Doch es fehlte abseits der Frachtzentren in Berlin, Hamburg, München und Köln an Kühlhauskapazitäten. Importe wurden rasch per Bahn weiterversandt. Am Ankunftsort aber endete die Kühlkette, insbesondere in den Läden und den Haushalten. Den Experten war bereits um die Jahrhundertwende klar, dass Eier durch Kühlung am besten „frisch“ bleiben würden, auch wenn die chemischen Abbauprozesse bei Kühllagerung noch recht unbekannt waren (Prall, 1907; L. Heyn, Konservierung der Eier durch künstliche Kälte, Die Kälte-Industrie 6, 1909, 50-51, 63-64). Doch trotz der während des Ersten Weltkriegs offen sichtbaren Versorgungsprobleme lag der Anteil der Kühlhauseier noch Ende der 1920er Jahre bei lediglich vier Prozent des Gesamtumsatzes (Einlagerung von Eiern in deutsche Kühlhäuser, Blätter für landwirtschaftliche Marktforschung 2, 1931/31, 135). Eine leistungsfähige Kühlinfrastruktur war schlicht teuer. Und die preiswerte und vermeintlich bequeme Eierkonservierung durch Wasserglas und Garantol verminderte die für Wandel erforderlichen Gewinnaussichten. Mochten die Eikonserven gegenüber gekühlten Angeboten auch schlechter schmecken und höhere Bruchraten ausweisen, so waren diese doch nicht so bedeutsam, um massive Investitionen in die Kühltechnik in Gang zu setzen. Gerade in den Haushalten stand die preiswerte Eierkonservierung somit einer verbesserten Gesamtversorgung im Wege.
Die Hamburger Garantol-Fabrik
Garantol war eines der vielen neuen Eierkonservierungsmittel, die im Nachklang von Wasserglas dessen Markterfolg wiederholen, ja, übertreffen wollten (Alexander Kossowicz, Die Zersetzung und Haltbarmachung der Eier, Wiesbaden 1913, 55-68). Seine Geschichte ist – ebenso wie die der Garantol-Fabrik in Hamburg und der anfangs in Dresden, dann in Gommern resp. Heidenau ansässigen Garantol GmbH – nur indirekt nachzuzeichnen. Archivalien fehlen – ähnlich wie für die große, große Mehrzahl der Unternehmen, zumal der Konsumgüterindustrien. Staatliche Archive interessieren sich halt vorrangig für staatliches Handeln, Wirtschafts- und Firmenarchive konzentrieren sich auf größere Unternehmen. Umso wichtiger sind Rekonstruktionen wie diese, handelte es sich beim Garantol doch um ein von Abermillionen über Jahrzehnte genutztes Convenienceprodukt.
Den Beginn des Reigens machte der in Tangermünde tätige Konditor August Utescher. Sein am 5. April 1893 beantragtes und dann am 31. Mai 1894 patentiertes „Verfahren zur Conservirung von Nahrungs- und Genußmitteln von Eiern mittels eines Eisenoxydulsalzes und Calciumhydroxydes“ (Patentblatt 1894, 54) wurde von den einschlägigen Interessenten nicht nur breit rezipiert, sondern auch positiv bewertet (R. Strauch, Das Hühnerei als Nahrungsmittel und die Conservirung der Eier, Bremen 1896, 26, 28). Eier sollten demnach mittels beider Stoffe eine „künstliche Umhüllung“ erhalten, um so die Poren zu schließen und das Eindringen von Luft und Mikroorganismen zu verhindern (Chemiker-Zeitung 18, 1894, 1097-1098). Das war das anfänglich bei Wasserglas verwandte Verfahren. August Utescher regte aber auch dauerhaftes Einlegen der Eier in Garantol-Wassergemische an – und darauf konzentrierte sich das jahrelange Pröbeln seines in Hamburg ansässigen Bruders Ernst Utescher. Dieser war ein Mann vom Fach, Handelschemiker und seit 1901 Patentanwalt (Stahl und Eisen 21, 1901, 400), Gründer der noch heute bestehenden Kanzlei Harmsen Utescher. Er war zudem Herausgeber und Leiter von Uteschers Berichte, einer industrienahen Zeitschrift der Nahrungs- und Genussmittelindustrie (Jahresbericht der Pharmacie 33, 1898, 754).

Warenzeichenschutz für ein Konservierungsmittel 1898 (Deutscher Reichsanzeiger 1898, Nr. 124 v. 27. Mai, 9)
Ernst Utescher versandte von Hamburg aus erste Packungen des Konservierungsmittels seines Bruders (Pharmaceutische Centralhalle 37, 1896, 308). Der Name Garantol wurde nach seinen Angaben seit Februar 1897 genutzt (Offizial Gazette of the United States Patent Office 100, 1902, 1106). Es handelte um einen Phantasiebegriff, der Vorstellungen sicheren Konservierens mit der zunehmend modischen Wortendung -ol koppelte.

Kein Kassenschlager – Garantol aus Hamburg (Der Materialist 20, 1899, Nr. 16, 2. S. v. 1)
Die ersten Anzeigen wandten sich vor allem an Hühnerhalter, konzentrierten sich auf Packungen für tausend oder mehr Eier. Adressat war zugleich aber der Kolonialwarenhandel: „Im Handel fehlt bisher ein wirklich gutes Conservirungsmittel für Eier, und dieser Umstand hat für den Eierhandel und den Unterschied der Eierpreise im Sommer und Winter grossen Einfluss; gute Eier haben im Winter bekanntlich den doppelten Preis und sind oft genug selbst dafür nicht zu haben. Es ist deshalb gar kein Zweifel, dass das neue, bereits in der Praxis auf’s Beste bewährte Eierconservierungsmittel Garantol ein guter Verkaufsartikel werden wird.“ Ernst Utescher verwies auf seine langjährige Forschung, verbesserte und patentierte. Und er offerierte auch Haushaltspackungen: „Das Eierconservirungsmittel Garantol wird in kleinen Packungen von 15 Pf. an (für 15, 60 Pf. und 1 Mk.) in den Handel gebracht; […]. Der Absatz des Garantols wird durch angemessene Reklame in den gelesensten Zeitschriften, durch Prospecte etc. unterstützt“ (Garantol, Der Materialist 20, 1899, Nr. 16, 3. S. v. 1).
Garantol war zu diesem Zeitpunkt ein weißlich graues Pulver, das an „pulverisirten ungelöschten Aetzkalk“ erinnerte (Neumann, Die gemeinsame Eierverwerthung durch Vermittlung der Molkereigenossenschaften, Molkerei-Zeitung 9, 1897, 515-516, hier 516). Es musste in Wasser im Verhältnis 100 zu 1 aufgelöst werden. Gefäße aus Ton und Emaille schienen ratsam, in größeren Betrieben auch aus Zement. Anschließend musste man die frischen Eier überprüfen, denn diese mussten sauber und nicht eingeknickt sein, sollten im Idealfall auch durchleuchtet werden. Dann legte man sie vorsichtig in die Gefäße, Lage um Lage. Das Wasser musste die Eier komplett abdecken, ab 1897 enthielten die Packungen zudem ein getränktes Pergamentpapier, das die Wasseroberfläche abdecken sollte. Utescher versprach bis zu drei Jahre Haltbarkeit (Wiener Landwirthschaftliche Zeitung 50, 1900, 97).
Garantol war während der 1900er Jahre ein Dachbegriff für unterschiedlich zusammengesetzte Konservierungsmittel. Ernst Utescher ging – wie sein Bruder – stets von Kalkpräparaten aus, ergänzte diese jedoch um vorwiegend metallische Stoffe. Das sollte die geschmacklichen und küchentechnischen Probleme der gängigen Kalkmilch verringern. Auf die Details der Patente 86077, 98231 und 122388 muss hier nicht eingegangen werden. Kalkmilch wurde darin mit Aluminium resp. Magnesiumsulfaltlösungen vermengt oder aber Kalkwasser mit Fett resp. Paraffin imprägniert. Das wichtigste Ergebnis des Pröbelns war gewiss das im April 1901 gewährte Patent Nr. 119575, das Eisenvitriol, Kalkmilch und Paraffinöl kombinierte (Chemisches Centralblatt 71, 1900, Nr. 25, II; ebd. 72, 1901, 980). Das Einlegen funktionierte ähnlich, doch empfahl Utescher nun einerseits eine größere Wassermenge überstehen zu lassen und anderseits am Ende nochmals etwas Pulver aufzustreuen (Zeitschrift für Untersuchung der Nahrungs- und Genußmittel 5, 1902, 213). Die fachliche Resonanz war fast durchweg positiv – auch wenn man berücksichtigen muss, dass sehr viele Experten interessenbeladen werteten bzw. solche Wertungen reproduzierten (P. Welmans, Untersuchung von Eikonserven, Pharmaceutische Zeitung 58, 1903, 804; Max Müller, Ref. v. Welmans, 1903, Zeitschrift für Untersuchung der Nahrungs- und Genußmittel 8, 1904, 751-752, hier 752). Ernst Utescher, Inhaber eines chemischen Laboratoriums, sollte in den Folgejahren jedenfalls noch zahlreiche Innovationen entwickeln, insbesondere Verfahren der Margarine- und Fettproduktion sowie der Koffeinextraktion.
Verlagerung und Konkurs: Die erste Dresdener Garantol GmbH
Die Hamburger Garantol-Werke legten die Grundlagen für den späteren Erfolg; doch dieser stellte sich erst nach der Übersiedlung nach Dresden ein – und nach dem Konkurs einer ersten Gründung in der sächsischen Hauptstadt.

Hauptgesellschafter Hermann Leonhardt (1850-1922) und frühe Produktionsstätten in Dresden, Huttenstraße 13 (Garantol, 1953, 5 (l.); ebd., 6)
Die Verlagerung nach Dresden ging mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Initiative des Geschäftsmannes Hermann Leonhardt zurück, 1900 Geschäftsführer der dann aufgelösten Dresdner Industrie GmbH (Deutscher Reichsanzeiger 1900, Nr. 91 v. 14. April, 16), zugleich Eigentümer eines Hamburger Export- und Import-Geschäftes (Ebd. 1901, Nr. 304 v. 24. Dezember, 12). Er wurde 1850 in Bremen geboren (Stadtarchiv Dresden, Einäscherungsbücher 1911-1952, Rep. Nr. 9.1.24, Bd. 1923, Nr. 10016), emigrierte möglicherweise in die USA, wurde dort Farmer, gehörte aber zu dem Fünftel der deutschen Auswanderer, die wieder zurück ins Deutsche Reich kamen. Utescher verkaufte Anfang des Jahrhunderts seine Rechte peu a peu an Leonhardt, um dann gemeinsam mit ihm ein neues Unternehmen zu gründen. Die Waagschale pendelte immer stärker Richtung Leonhardt, zumal dieser im September 1902 das Warenzeichen Garantol als Sammelbegriff beantragte, was im April 1903 gewährt wurde (Deutscher Reichsanzeiger 1903, Nr. 111 v. 12. Mai, 12).
Zu diesem Zeitpunkt existierte die Garantol GmbH Dresden bereits. Der im Februar 1903 unterzeichnete Gesellschaftervertrag sah „die Verwertung der von dem Handelschemiker und Patentanwalt Ernst Utescher in Hamburg erfundenen Verfahren und Mittel zur Konservierung von Eiern […] durch Fabrikation und Vertrieb der Erfindungsrechte, durch Erteilung von Lizenzen im In- und Auslande und eventuell durch Verkauf der Auslandspatente“ (Ebd. 1903, Nr. 68 v. 20. März, 19). Das Stammkapital betrug 33.000 Mark, Leonhardt und Utescher erhielten für ihre Warenzeichen und Patente 16.000 resp. 8.000 Mark angerechnet. Leonhardt übernahm die Geschäftsführung, unterstrich damit seine dominante Stellung. Ernst Utescher übertrug 1904 weitere Patente an die Garantol GmbH (Deutscher Reichsanzeiger 1904, Nr. 164 v. 14. Juli, 9; ebd., Nr. 177 v. 29. Juli, 10; ebd. Nr. 192 v. 16. August, 7).
Alles schien in Ordnung, doch am Mitte Januar 1905 wurde ein Konkursverfahren eröffnet, in dessen Folge die Garantol GmbH am 30. März 1905 gelöscht wurde (Deutscher Reichsanzeiger 1905, Nr. 12 v. 14. Januar, 16; ebd., Nr. 79 v. 1. April, 19). Was war geschehen? Quellen fehlen, doch zwei Szenarien sind plausibel. Erstens können schlechte Geschäfte ursächlich gewesen sein. In den Jahren 1903 bis 1905 finden sich kaum Werbeanzeigen, nur wenige Erwähnungen in der Fachpresse. Zweitens kann es sich um einen konsequent umgesetzten Machtkampf zwischen den Gesellschaftern gehandelt habe. Mir scheint letzteres wahrscheinlicher.
Das Konkursverfahren führte nämlich zur Umgründung, nicht zum wirklichen Ende der Garantol GmbH. Sie wurde am 4. April 1905 eingetragen, ihr Zweck war „der Erwerb der Vermögensmasse der im Konkurs befindlichen bisherigen Garantol-Gesellschaft mit beschränkter Haftung sowie die Fabrikation und der Vertrieb von Eierkonservierungsmitteln unter der Bezeichnung ‚Garantol‘, der Erwerb und Betrieb gleichartiger Unternehmungen“ (Deutscher Reichsanzeiger 1905, Nr. 83 v. 6. April, 16). Das Stammkapital von 20.000 Mark bestand fast gänzlich aus der von Hermann Leonhardt aufgekauften Konkursmasse. Der Dresdener Kaufmann agierte neuerlich als Geschäftsführer, der Name konnte nach Aufhebung des Konkursverfahrens beibehalten werden (Ebd., Nr. 103 v. 2. Mai, 23). Ernst Utescher war nicht mehr mit an Bord. Mag sein, dass die Geschäftsaussichten zwischen den Gesellschaftern umstritten waren. Doch Utescher hätte sich dann auszahlen lassen und verabschieden können.

Bild-Warenzeichen für Garantol (Deutscher Reichsanzeiger 1906, Nr. 125 v. 29. Mai, 17)
Spätere Aussagen Uteschers von 1906, dass er keinerlei Beziehungen zur Garantol GmbH unterhalte (E[rnst] Utescher, Zu der Veröffentlichung von A. Beythien betr. Garantol, Zeitschrift für Untersuchung der Nahrungs- und Genußmittel 12, 1906, 660-661, hier 660), unterstreichen die These einer Art feindlichen Übernahme. Die Garantol GmbH nannte Utescher jedenfalls noch 1906 in ihrer Werbung (A[dolf] Beythien, Einige neuere Erfindungen der Nahrungsmittelindustrie, ebd. 12, 1906, 467-473, hier 468-470; Ders., Bemerkungen zu vorstehenden Ausführungen des Herrn E. Utescher-Hamburg, ebd., 661-662). Das am 16. April 1907 erteilte US-Patent seiner Eierkonservierungsmethode bezeichnete ihn als „Assignor“, also als Zessionar, als Gläubiger der Garantol GmbH (Official Gazette of the United States Patent Office 127, 1905, 2685-2686; US850693). Das deutet auf ein mögliches Zerwürfnis hin. Die bis Mai 1905 erfolgten Patentanmeldungen in Frankreich, Finnland, Dänemark und Österreich liefen allerdings allesamt noch auf die Garantol GmbH (FR343045A; DI2256A; DK7444C; AT19185B). Das im Warenzeichen enthaltene U erinnerte jedenfalls bis in die 1920er Jahre an die Erfindungen Ernst Uteschers.
Garantol mal anders
Eine kleine Abirrung sei erlaubt, inmitten des Patentzwistes, von Konkurs und Neubeginn. Denn die recht enge Warenzeichenanmeldung Uteschers erlaubte zwischen 1901 und 1902 dem gewiss streng seriösen Geheimmittelanbieter Ferdinand Kögler seinerseits Garantol anzubieten – doch es handelte sich um eines der nicht nur das Mannesantlitz, sondern insbesondere die Werbespalten des Kaiserreichs zierenden Bartwuchsmittel. Er trat damit in die Fußstapfen des berühmten Prof. Migargeés, einer weltbekannten Persönlichkeit, der dieser Branche seinerzeit ins Stammbuch schrieb: „Zweifle an der Sonne Klarheit, / Zweifle an der Sterne Licht, / Zweifl‘, ob lügen kann die Wahrheit, / Nur am Barterzeuger nicht!“ (Fliegende Blätter 88, 1888, Nr. 2220, 6). Ferdinand Kögler, pardon, sein alter ego Paul Koch, der Anbieter des Bartwuchsmittels Fixolins, versprachen „großartige Erfolge“ bei der wilhelminischen „Manneswürde“ (Lustige Blätter 16, 1901, Nr. 2, 15).

Streng reell! Fixolin (Monika 32, 1900, 454)

Kein Schwindel! Garantol (Badische Presse 1902, Nr. 75 v. 30. März, 8)
Das Bartwuchsmittel Garantol unterstrich jedenfalls, dass Markterfolg in einer Konsumgesellschaft auf sprachlichen Fiktionen beruhte – und ohne die Kunstwelt der Worte Unordnung und Irritation drohten. Was sollte denn der Garantol-Kunde denken, als der Vertrieb des Mittels zeitweilig aussetzte und er dann mit schmissig-bangem Schritt ab November 1902 zu Harasin greifen musste, um den zarten Erfolg der Anfangskuren zu verstetigen (Münsterische Zeitung 1902, Nr. 687 v. 16. November, 6; Deutscher Reichsanzeiger 1905, Nr. 75 v. 28. März, 22).

Streng reell! Kein Schwindel! Harasin (Das interessante Blatt 22, 1903, Nr. 182 v. 5. Juli, 12)
Garantol hieß ehedem auch eine Dachmarke für Lacke und Farben der Firma Gottfried Grün, dann der Gebrüder Kob in Prag (Militär-Zeitung 65, 1910, 998; Färber-Zeitung 25, 1914, 67). Derartige Bedeutungsvielfalt gab es auch bei anderen bekannten Konsumgütern: Mercedes ist für uns Nachgeborene eindeutig ein Vehikel, doch vor dem Ersten Weltkrieg handelte es sich auch um eine erfolgreiche Schuhmarke, Mercedes-Zigaretten wurden mehr als ein halbes Jahrhundert angeboten, die Mercedes-Werke im thüringischen Mehlis offerierten einschlägige Büro- und Schreibmaschinen. Doch zurück zum Eierkonservierungsmittel Garantol.
Die zweite Dresdener Garantol GmbH
Unter Hermann Leonhardts alleiniger Führung konsolidierte sich die Garantol GmbH seit 1905. Sie übernahm neue, im Augst 1903 angemeldete „Verfahren zum Konservieren von Eiern“ (Deutscher Reichsanzeiger 1906, Nr. 132 v. 6. Juni, 10; ebd., Nr. 244 v. 15. Oktober, 10). Ein weiteres Warenzeichen wurde im Mai 1906 erteilt, das alte Uteschersche Warenzeichen 1908 gelöscht (Ebd., Nr. 125 v. 29. Mai, 17; ebd. 1908, Nr. 109 v. 8. Mai, 13). Garantol konnte nun seine Stellung als gleichwertige Alternative zum Wasserglas festigen.
Diese war 1906 von keinem geringeren als dem Dresdener Nahrungsmittelchemiker Adolf Beythien (1867-1949) in Frage gestellt worden. Er kritisierte die Zusammensetzung des Uteschers Patentes 119575, verwies auf das Ausfällen von Eisenoxydulsalz im Kontakt mit Wasser, deduzierte schließlich, dass es sich um nichts anderes „als ein mit etwas Gips, Eisenoxyd etc. verunreinigtes Ätzkalkpulver“ handele, dass Garantol letztlich nur Kalkeier zu erzeuge (Beythien, 1906, 470). Utescher versuchte diese Bedenken beiseite zu wischen, doch seine Ausführungen waren wenig überzeugend (Utescher, 1906). Ich halte es für wahrscheinlich – auch ohne Quellenbeleg –, dass Garantol daraufhin anders hergestellt wurde, nämlich aus Kalkmilch, Eisenbestandteilen (Ferrosulfat) und schließlich sehr fein vermahlene Eierschalen. Auch dieses Patent war bereits 1903 beantragt worden (Zeitschrift für Untersuchung der Nahrungs- und Genußmittel 13, 1907, 753). Die immer wieder erwähnte rötlich-graue Farbe des Eierkonservierungsmittels deutet jedenfalls in diese Richtung. Spätere Analysen bestätigten dies, hoben zugleich aber die durch den fast 70-prozentigen Kalkanteil herrührende „Verschiedenheit der Zusammensetzung“ hervor (Ed[uard] Dinslage, Garantol, Pharmazeutische Zeitung 55, 1910, 971; auch J[ohannes] Großfeld, Handbuch der Eierkunde, Berlin 1938, 297-298).

Ludwig Grube (1885-1935), wohl in den 1930er Jahren (Garantol, 1953, 7)
Das veränderte Produktionsverfahren wurde kurz vor dem Ersten Weltkrieg noch durch eine Personalentscheidung ergänzt, die sich als Gewinn erweisen sollte. Im Mai 1913 erhielt Ludwig Grube Prokura (Deutscher Reichsanzeiger 1913, Nr. 124 v. 28. Mai, 11). Glaubt man der wohl aus der Erinnerung geschriebenen, notorisch fehlerhaften, ja irreführenden Broschüre zum 50. Firmenjubiläum, so handelte es sich bei Ludwig Grube um einen strebsamen Vollwaisen, der seit einer Gärtnerlehre an Fortbildung und beruflichen Aufstieg arbeitete. Er war demnach in mehreren Industriebetrieben tätig, wurde nach Brüssel versetzt, besuchte dort die höhere Handelsschule und bewarb sich 1910 erfolgreich als Auslandskorrespondent der Garantol GmbH. Amtliche Quellen belegen, dass er 1885 als Sohn des Lehrers Heinrich Friedrich Ludwig Grube und seiner Ehefrau Juliane Maria, geb. Knolle im 100-Seelen-Örtchen Möllensen im niedersächsischen Kreis Gronau geboren worden war. Der auf die Namen August Albert Ludwig lutherisch getaufte Grube zog spätestens 1911 nach Dresden, wo er am 23. Dezember die zwei Jahre ältere Verlagsleiterin Ottilia Carolina Hedvica Siegl heiratete. Deren Eltern stammten aus dem böhmischen Dittersbach, ihr Vater war Holzhändler (alle Angaben n. Stadtarchiv Dresden, Eheaufgebote/Eheregister 1876-1927, 1911, Nr. 381). Ludwig Grube etablierte sich in der Folge in der Garantol GmbH und erhielt im Mai 1913 Prokura; wobei er im Dresdner Adressbuch erstmals 1914 und dann noch als Korrespondent zu finden war (Deutscher Reichsanzeiger 1913, Nr. 124 v. 28. Mai, 11; Adreßbuch für Dresden und seine Vororte 1914, T. I, 288).
Propagierung von Zeitensprüngen: Die doppelte Garantol-Werbung in friedlichen Zeiten
Garantol wird gemeinhin mit einigen wenigen Werbeklischees aus den 1920er Jahren und dann der Zeit des Zweiten Weltkrieges verbunden. Dies spiegelt die vergleichsweise spät einsetzende aktive Werbung des Unternehmens, unterschätzt aber die beträchtliche Alltagspräsenz von Garantol bereits während des Kaiserreichs. Im Alltag der großen Mehrzahl dominierten Tageszeitungen – und darin war das neue Eierkonservierungsmittel stetig präsent. Allerdings waren es die Verkäufer selbst, vor allem Drogisten und Apotheker, seltener Konditoren und Kolonialwarenhändler, die regelmäßig im Frühjahr mit kleinen Erinnerungsanzeigen um Käufe warben.

Kontinuierliche Werbung für ein Produkt – abseits der wechselhaften Firmenentwicklung (Westfälische Zeitung 1899, Nr. 91 v. 19. April, 4 (l.); Mülheimer Zeitung 1904, Nr. 78 v. 2. April, 4; Iserlohner Kreisanzeiger und Zeitung 1905, Nr. 118 v. 20. Mai, 12 (r.))
Die Verkäufer vor Ort präsentierten Garantol vorrangig einfach, präsentierten Namen, Zweck und Preis des Konservierungsmittels. Doch es wurde auch in ansprechenderer, appellativer Form beworben:

Elaboriertere Werbung durch Eigeninitiative (Jeversches Wochenblatt 1907, Nr. 91 v. 19. April, 4 (l.); Münsterischer Anzeiger 1912, Nr. 272 v. 14. April, 3)
Die große Mehrzahl lokaler Anzeigen für Eierkonservierungsmittel konzentrierte sich jedoch auf den Verkauf an sich. Garantol und Wasserglas waren praktisch austauschbare Convenienceprodukte, sie waren nicht näher attributierte Angebote. Wichtig war, dass man irgendeines nutzte – welches, war auch den Verkäufern letztlich gleich, denn Preis und Handelsspannen waren ähnlich. Das spiegelte sich in der Werbung präzise wieder: Dort wurde die Illusion eines klar herausragenden Hilfsmittels aufgegeben, wurden Wasserglas und Garantol gleichwertig nebeneinander gestellt.

Austauschbare Angebote (Westfälische Zeitung 1907, Nr. 96 v. 25. April, 6 (l.); Der Albtalbote 1911, Nr. 115 v. 11. Mai, 4; Durlacher Wochenblatt 1913, Nr. 78 v. 4. April, 3 (r.))
Die Garantol GmbH bot Flankenschutz für derartige lokale Werbungen. Dazu gehörten Reklamemarken, auch erste Werbeschilder. Doch diese dürften – abseits der Sammler- und Liebhaberforen – rare Ergänzungen gewesen sein. Wichtiger waren wahrscheinlich kleine Faltblätter, auch wenn diese erst in den 1930er Jahren größere Bedeutung gewannen.

Fehlende Einheitlichkeit (Die Gartenlaube 1908, Nr. 11, Beilage, s.p. (l.); ebd., Nr. 19, Beilage s.p.; ebd. Nr. 10, Beilage, s.p. (r.))
Gleichwohl versuchte die Dresdener Firma, ihr Produkt unmittelbar anzupreisen. Dazu nutzte sie einzelne illustrierte Massenzeitschriften. Im Gegensatz zu anderen Markenartikeln dieser Zeit wurde Garantol aber nicht in der Breite beworben, stattdessen wurden jedes Jahr nur einige wenige Zeitschriften mit Anzeigen bedacht – die dann aber recht konsequent zwischen März und Juli geschaltet wurden. Die Garantol GmbH zielte dabei offenbar auf ein (klein-)bürgerliches, vielfach auch ländliches Publikum. Charakteristisch war anfangs zweierlei: Einerseits präsentierte man gerne redaktionelle Reklame, also kleine Werbetexte, die scheinbar Rat für das nun wieder notwendige, jedoch auch sparsame Einlegen der Eier boten. Anderseits aber gab es noch keine einheitliche Produktkommunikation. Garantol wurde mit sehr verschiedenen, allesamt nicht sonderlich elaborierten Motiven präsentiert, selbst der Namenszug erschien in immer wieder anderen Schrifttypen und Größen. Eier und Hühner boten visuelle Anreize, setzten sich ab von den Attraktionen der urbanen Moderne. Garantol war hilfreich, gewiss, stand zugleich aber für tradierte Lebenszuschnitte, für ruhiges, gedeihliches Leben ohne größeren Anspruch. Es ging darum, Zeit zu überbrücken, zugleich aber, sie stillzustellen. Garantol half, die natürlichen Rhythmen der Geflügelzucht mit den Anforderungen und Herausforderungen der Marktgesellschaft zu verbinden.

Konservierte Eier – konservierter Lebenszuschnitt (Die Woche 14, 1912, H. 17, 21 (l.) und 20)
Das galt auch für die Firmenwerbung kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges. Sie blieb sachlich-preisend, erinnerte dabei an Geheimmittelwerbung dieser Zeit. Das eigentliche Markensignet – ein Ei mit einem U – wurde regelmäßig eingesetzt, Kosten-Nutzen-Abwägungen durch Preise unterstützt. Das zielte auf Großverbraucher und Einzelhaushalte. Neu war allerdings, dass man das Einlegen nicht nur in dem jeder Packung hinzugefügten Beipackzettel anschaulich beschrieb, sondern dass man das Vorgehen auch in Anzeigen visuell präsentierte. Dabei zeigte man jedoch kaum handelnde Personen, sondern begnügte sich mit den für den Konservierungsakt erforderlichen Gefäßen – wobei man nun vorrangig auf Glasgefäße setzte. Anleitungen zum Konservieren würden von den Käufern gewiss als Anlass zum Kauf verstanden werden. Die Nähe zum Kunden wurde nur indirekt gesucht, dieser als rationell Rechnender verstanden.
Die Stabilität des Oligopols
Derartige Formen rationaler Erinnerungswerbung sind üblich für Oligopole, also die Marktbeherrschung durch nur wenige, meist ähnlich große Anbieter. Und in der Tat konzentrierten sich hunderte kleiner und kleinster Ratgebertexte in den haus- und gartenwirtschaftlichen Zeitschriften und den Tageszeitungen zwischen 1910 und 1940 stets auf drei Verfahren: Kalk – für größere Betriebe, da etwas billiger –, Wasserglas und Garantol. Andere Anbieter versuchten immer wieder, dieses Oligopol aufzubrechen, doch sie scheiterten. Typisch hierfür war etwa Ovodura, dessen sprechender latinisierter Name schon auf die Verzehrsdauer des Eies verwies. Es handelte sich um eine fast 80-prozentige Kochsalzlösung mit etwa zwei Prozent Kaliumpermanganat (L. Heß, Die Eierkonservierungsmittel ‚Ovodura‘ und ‚Garantol‘, Neueste Erfindungen und Erfahrungen 39, 1912, 456-458, hier 457). Die Eier wurden in die Salzlake gelegt, das Kaliumpermanganat zersetzte die Keime. Ovodura wurde in kleinen Packungen á zehn Gramm verkauft, 20 Pfennig sollten für 200 Eier reichen. Sie wurden 50 Minuten der Lösung ausgesetzt, konnten dann in Papier gewickelt in Körben oder Kisten aufbewahrt werden. Ovodura funktionierte, doch das Einlegen dauerte recht lang, auch der Geschmack der Eier dürfte gelitten haben. Es scheiterte. Ähnlich weitere Anbieter: Denn auch für Pun, Ovupur, Eikonservose, Antifabrolin und andere mehr galt, dass das Brechen eines bestehenden Oligopols ein klar besseres oder billigeres Produkt erforderte – oder aber neue Vertriebsformen. Andernfalls würden Großhändler und Verkäufer die mit erweiterten oder veränderten Sortimenten einhergehenden Kosten nicht tragen wollen. Die relative Marktstärke der Convenienceprodukte Wasserglas und Garantol gründete auf berechenbarer Bequemlichkeit dieser Marktakteure, die den Markt damit vor Veränderungen schützten. Der Weltenbrand des Krieges hätte einen solchen Bruch allerdings hervorrufen können.

Scheiternde Konkurrenz (Deutscher Reichanzeiger 1913, Nr. 104 v. 3. Mai, 1 (l.); ebd. Nr. 189 v. 8. Dezember, 32 (oben r.); ebd. 1912, Nr. 110 v. 7. Mai, 18)
Nationale Pflicht und Eiermangel: Eierkonservierung im Ersten Weltkrieg
Die Eierversorgung im Deutschen Reich geriet von Beginn des Ersten Weltkrieges an unter Druck. Einerseits brach ein Großteil der Importe weg: Hauptlieferant Russland fiel als Kriegsgegner aus, Galizien war Kriegsgebiet und chinesische Ei(gelb)konserven wurden durch die völkerrechtswidrige Seeblockade der Alliierten unterbunden. 1915/16 dürften die Einfuhren bei etwa der Hälfte der Vorkriegswerte von ca. 167.000 Tonnen gelegen haben, 1917 bei nur mehr einem Viertel, 1918 ebbten sie dann weiter massiv ab (R[obert René] Kuczynski, Deutschlands Versorgung mit tierischen Nahrungs- und Futtermitteln, Berlin 1927, 138-140). Die einheimische Eierproduktion, über deren Höhe es nur unsichere Schätzungen gibt, nahm nicht zuletzt aufgrund der Rationierungsmaßnahmen mindestens ebenso schnell ab. Eine charakteristische Stimme vermerkte 1915: „Wir Geflügelliebhaber ziehen fast alle dieses Jahr keine Küken; der drohende Futtermangel und das stets wie ein Damoklesschwert über uns hängende Gerstefütterungsverbot der Staatsregierung rät uns dringend, unseren Bestand eher zu vermindern, als zu vermehren. Es ist ja auch ganz klar, daß zuerst versucht wird, das Großvieh durchzuhalten, die Hühner kommen erst in zweiter Linie. Die Kükenaufzucht wird erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht durch den Mangel an Kraftfuttermitteln und Reis, durch das Verbot der Verfütterung von Weizen und Hafer. Den Züchtern, die Brutapparate haben, mangelt das Petroleum“ (Eiereinlegen als Kriegsfürsorge, Daheim 51, 1914/15, Nr. 24, 26-27, hier 27). Während des Krieges sank die Geflügelhaltung um ein Drittel, die Zahl der Eier weit stärker. Die Preise stiegen massiv an, 1916 waren Eier zunehmend Hamsterware, wurden zum Vorrecht der „noch zahlungsfähigen, wohlhabenderen“ Kreise ([Ludwig] v. Bar, Die kriegswirtschaftliche Regelung der Eierversorgung im Deutschen Reich […], Berlin 1919, 2). Ab August 1916 wurde der Eierhandel strikt reguliert, eine Reichsverteilungsstelle für Nährmittel und Eier eingerichtet. Das Hamstern konnte so nicht eingedämmt werden, die Preise stiegen weiter, Eier wurden zunehmend als Tauschmittel genutzt. Nominell erhielt das versorgungsberechtigte Drittel der Bevölkerung im Jahr 1918 noch 25 Eier (Bar, 1919, 8).

Im Tenor der Sparsamkeit (Sonntags-Zeitung fürs Deutsche Haus 19, 1915/16, H. 35, IV (l.); Deutsche Kraft 1916, Nr. 9, 6)
Dieser massive Einbruch führte allerdings nicht zu einem ebenso massiven Einbruch beim Absatz von Eierkonservierungsmitteln. Im Gegenteil: Der Eiermangel führte zu verstärkter Eierkonservierung. Auf der einen Seite wurde ein Großteil der begehrten Waren von den Militärbehörden beschlagnahmt – und zunehmend eingelegt. Dies betraf nicht nur Lazarette und die Sicherstellung des Prunks im Großen Hauptquartier und den Stäben, sondern diente auch einer gewissen Abwechslung in der vielfach eintönigen Militärverpflegung (Uwe Spiekermann, Künstliche Kost. Ernährung in Deutschland, 1840 bis heute, Göttingen 2018, 251-263). Importeier wurden durch die bei Kriegsbeginn gegründete Reichseinkaufs-Gesellschaft (ab Dezember 1914 Zentral-Einkaufs-Gesellschaft) bewirtschaftet. Neben die Kühlung trat vermehrt die Konservierung. Verfügbare heimische Eier wurden in wachsendem Maße von den Kommunalverbänden aufgekauft, um die Verteilung saisonal zu strecken und etwa das symbolisch wichtige Weihnachtsbacken zu garantieren. Die Hühnerhalter waren angesichts steigender Preise darauf erpicht, ihre Eier zur gewinnträchtigsten Zeit anbieten zu können (Eiereinlegen als Kriegsfürsorge, Daheim 51, 1914/15, Nr. 24, 26-27, hier 27). Und schließlich wurden die Verbraucher zu vermehrter Sparsamkeit angehalten – und das bedeutete ebenfalls eine zeitliche Streckung des Eierkonsums. Garantol gewann an Alltagswert, sarkastisch festgehalten am Naturallohn für neu einzustellende Haushaltshilfen: „Puddingpulver, zuckersüße, / Eingelegte Schweinefüße, / Erbsen in Konservendosen, / Dauerwürste, die aus Posen, / Eier viel, in Garantol – / und dann massig Sauerkohl“ (Kladderadatsch 70, 1917, Nr. 46, s.p.). Doch diese, schon längst nicht mehr alltäglichen Dauerwaren reichten nicht, die Hilfe trat in die Dienste eines Haushaltes mit Trüffeln und echtem Kaffee.

Werbung um die Eierproduzenten (Das Land 24, 1915/16, 206 (l.); ebd., 255; Haus Hof Garten 38, 1916, 76 (r.))
Die Garantol GmbH profierte trotz Eiermangels von der veränderten Versorgungslage, die Umsätze stiegen „schlagartig“ (Garantol, 1953, 6). Die Werbung in Zeitungen und Illustrierten wurde fast gänzlich zurückgefahren, geworben wurde einzig noch um Hühnerhalter und Großwirtschaften. Das Konservierungsmittel etablierte sich gleichsam offiziell, wurden Garantol- und Wasserglaseier doch definitorisch als „Eier“ anerkannt (Dresdner Nachrichten 1916, Nr. 179 v. 30. Juni, 11). Ebenso wurde Garantol seit 1916 zu den „Gegenständen des täglichen Bedarfs“ gezählt (Gesetze und Verordnungen sowie Gerichtsentscheidungen […] 9, 1917, 596-597). Die Firma exportierte weiterhin Teile der Produktion, insbesondere in die USA, die Schweiz und die Habsburger Monarchie. Als Konsequenz dieser wachsenden Nachfrage errichtete die Garantol GmbH 1915/16 eine neue vierstöckige und voll mechanisierte Fabrik im nahe Dresden gelegenen Gommern. Im Sommer 1917 verlegte sie dorthin den Firmensitz (Garantol, 1953, 8; Deutscher Reichsanzeiger 1917, Nr. 168 v. 17. Juli, 10; ebd., Nr. 186 v. 7. August, 6). Diese Kleinstadt fusionierte 1920 mit zwei benachbarten Orten zur Gemeinde Heidenau. Mit einer gewissen Verzögerung schlug sich dies auch in den Anzeigen der Garantol GmbH nieder; wenngleich man im Exportgeschäft weiterhin Dresden als Anlaufpunkt angab.

Neubau während des Weltkrieges: Produktionsstätten in Gommern (Garantol, 1953, 8)
Die kommode Lage der Anbieter kriegswichtiger Ware rief allerdings neue Wettbewerber hervor. Ihre Produkte ergänzten, die Wirkmechanismen entsprachen grob denen von Wasserglas und Garantol. Die neuen, durchweg kleinen Produzenten reagierten dabei auf die nicht geringen Versorgungsprobleme mit Eierkonservierungsmitteln insbesondere während der zweiten Kriegshälfte und der Übergangswirtschaft. Zudem nährten verschiedene Skandale mit verdorbenen Eiern Skepsis gegenüber Wasserglas und der Kühltechnik. Der Erfolg von Eiwol und Dauer-Ei, von Eiolin und Ovumol blieb jedoch begrenzt (Deutscher Reichsanzeiger 1918, Nr. 76 v. 30. März, 25; ebd. 1917, Nr. 284 v. 30. November, 17). Sie waren gleichwertiger Ersatz, weder besser, noch billiger als Wasserglas, Garantol und natürlich Kalkmilch. Das reichte nicht.

Temporäre Substitute für Wasserglas und Garantol (Deutscher Reichanzeiger 1917, Nr. 259 v. 31. Oktober, 11 (l.); ebd., Nr. 284 v. 30. November, 18)
Der Erste Weltkrieg stärkte also das bestehende Oligopol der Eierkonservierungsmittelanbieter. Es fehlten preiswerte und wirksame Alternativen, nicht dagegen einschlägige Forschung. Doch auch diese ergab kaum Neues, keine Innovationen. Teils wurde gar empfohlen, die von chinesischen Anbietern genutzte Borsäure einzusetzen (Über die Konservierung von Eiern, Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene 27, 1916/17, 381; Röhmer, Ueber Konservierung von Nahrungs- und Genussmitteln, Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitätswesen, III. F. 56, 1918, 167-220, insb. 195-202). Die führenden Mittel behaupteten sich also auch während der Kriegs- und Übergangszeit. Die Kühltechnik hatte sich parallel bewährt, war jedoch im verarmten Deutschland nach den 1920er Jahren nur mit Auslandskapital auszuweiten.

Wachsendes Interesse am devisenträchtigen Exportgeschäft nach dem Waffenstillstand (Velhagen & Klasings Export-Anzeiger 8, 1918/19, Nr. 12, 17)
Ein gängiges Haushaltsmittel: Garantol in den 1920er Jahren
Garantol hatte sich während des Weltkrieges in einer Notsituation bewährt, sich damit als gängiges Haushaltsmittel vollends etabliert. Für das Unternehmen bedeuteten Frieden, das langsame Ende der Rationierung und der Übergangswirtschaft allerdings ein Ende einer langwierigen Sonderkonjunktur. Großkunden brachen weg, konnten durch die langsam wachsende Zahl leistungsfähiger Eierproduktionsgenossenschaften auch nicht annähernd wettgemacht werden. Aus diesem Grunde versuchte Hermann Leonhardt, das Produktportfolio zu erweitern.
Die Garantol GmbH hatte schon während ihrer ersten Dresdener Zeit ein breites Sortiment alltagsnaher Convenienceprodukte offeriert. Es handelte sich bei diesen Angeboten um typische Folgeinnovationen, also um kundennähere Ummodellierungen bereits bestehender Geräte und Alltagsprodukte. Den Anfang machte das 1903 eingetragene Promptin (Deutscher Reichsanzeiger 1903, Nr. 262 v. 6. November, 11). Die Garantol GmbH vermarktete unter diesem Namen ab spätestens 1906 einerseits einen Tascheninhalator, gläsern, mit zwei birnenförmigen Stützen zum Einatmen durch die Nase, mit einer Öffnung am Boden zum Einsaugen. Der Apparat war mit Watte gefüllt, auf die Menthol oder anderes geträufelt werden konnte (Therapeutische Monatshefte 2, 1908, 423). Unter gleichen Namen produzierte sie auch ein Schnupfpulver, bestehend aus Borsäure, Menthol, ätherischen Ölen und Aromastoffen (Pharmazeutische Praxis 7, 1908, 62). Für beide galt der frühe Slogan „Promptin wirkt prompt!“ (Hamburgischer Correspondent 1907, Nr. 621 v. 7. Dezember, 4).

Angebote abseits der Eierkonservierung (Das interessante Blatt 24, 1905, Nr. 46, 39)
Promptin wurde in Fachzeitschriften und Illustrierten beworben, der Erfolg blieb jedoch begrenzt (Die Gartenlaube 1908, Nr. 1-4, jeweils Beilage, s.p.). Das 1904 erworbene Patent belegt, dass die Garantol GmbH anfangs breiter angelegt worden war (Deutscher Reichsanzeiger 1905, Nr. 268 v. 13. November, 10). Das Eierkonservierungsmittel sollte Teil eines breiteren Angebots von Drogerieartikeln sein. Doch gerade der Asthmamarkt war hart umkämpft, so dass Flops damals die Regel, nicht die Ausnahme waren. 1930 sollte die Garantol GmbH allerdings an diesen Ausflug in die Alltagsmedizin neuerlich anknüpfen. Promptin wurde der Name einer Hustenpastille mit Lecithin. Sie gewann regionale Bedeutung (Der sächsische Erzähler 1930, Nr. 290 v. 13. Dezember, 10; Dresdner Neueste Nachrichten 1936, Nr. 268 v. 15. November, 20).
Zurück zu den Anfängen: Das ebenfalls 1903 als Sammelbegriff eingetragene Garantin mutierte anfangs zu einem Desinfektionsmittel in der Milchverarbeitung (Deutscher Reichsanzeiger 1903, Nr. 262 v. 6. November, 10; Drogisten-Zeitung 22, 1907, 316). Es sollte während der Bundesrepublik als Trockenstärkesirup eine Neubelebung erfahren, als Zwischenprodukt der Lebensmittelindustrie (Hermann Koch, Die Fabrikation feiner Fleisch- und Wurstwaren, Frankfurt a.M. 1966, XXIV). Weitere Warenzeichen wurden nicht zu Produkten verdichtet: Das galt etwa für das ebenfalls 1903 beantragte Gerbholz Rosol sowie die eventuell für die Viehwirtschaft gedachten Warenzeichen Ossogen und Ossopol. Sie wurden allesamt 1913 gelöscht (Deutscher Reichsanzeiger 1913, Nr. 187 v. 9. August, 1; ebd. Nr. 278 v. 25. November, 23).
Was 1903 begonnen und dann verworfen wurde, griff die Firma 1921 wieder auf: Im Juli weitete man den Geschäftsgegenstand auf „die Herstellung und den Vertrieb weiterer Erzeugnisse“ aus. Parallel verzehnfachte man, gewiss auch inflationsbedingt, das Stammkapital auf 200.000 Mark. Eingebracht wurde diese Summe von Hermann Leonhardt (51.000), seiner Frau Elise Leonhardt (69.000) sowie dem nun auch als Gesellschafter agierenden Prokuristen Ludwig Grube. Sie nutzten dazu bestehende Darlehensforderungen an die GmbH (Deutscher Reichsanzeiger 1921, Nr. 201 v. 29. August, 12). Kurz darauf veränderte sich die Geschäftsleitung. Herrmann Leonhardt starb im Dezember 1922, schon ein Monat vorher wurde Ludwig Grube Geschäftsführer. Seine Prokura wurde aufgehoben, er durfte die GmbH nun alleine vertreten (Deutscher Reichsanzeiger 1922, Nr. 274 v. 4. Dezember, 14; ebd. 1923, Nr. 40 v. 16. Februar, 14). Im Gefolge erwarb Grube zudem die Geschäftsanteile der Witwe Elise Leonhardt. Auch der Markenschutz für Garantol wurde verstärkt (Ebd., Nr. 78 v. 4. April, 1). Die Neuausrichtung und Konsolidierung der Firma endete mit der Umstellung des Stammkapitals auf 100.000 Goldmark im November 1924 (Ebd., 1924, Nr. 298 v. 18. Dezember, 16).
Grube behielt den 1921 eingeschlagenen Weg bei, mochte dieser auch auf Leonhardts Ideen zurückgehen. Dabei dürfte es auch um die Nutzung brachliegender Produktionskapazitäten handeln, stellte die Garantol GmbH bis mindestens 1924 doch auch Standardconvenienceprodukte her, etwa Vanillinzucker, Creme- und Puddingpulver (Das Leben 2, 1924/25, Nr. 15, IIb) sowie Likör- und Punschextrakte.

Verbreiterte Angebote (Illustrierte Familien-Zeitung 1922, Nr. 12, 48 (l.); Der praktische Ratgeber im Obst- und Gartenbau 37, 1922, Nr. 18, Anzeigen, 6)
Langfristig folgenreicher sollte der Einstieg in den Tiermedizinmarkt werden. Ende 1920 hatte man „Lehrer Schaper’s Antityphoid“ eintragen lassen, das seit 1921 offenbar recht erfolgreich vermarktet wurde (Deutscher Reichsanzeiger 1921, Nr. 26 v. 1. Februar, 23). Es handelte sich dabei um ein Mittel gegen Durchfälle von Geflügel. Die Mischung von Eisenvitriol, Methylenblau und Salzsäure war apothekenpflichtig (Bericht über das Veterinärwesen im Freistaat Sachen für das Jahr 1921, Dresden 1922, 90). Es wurde anfangs nicht nur im Deutschen Reich, sondern insbesondere in den USA gegen Devisen vertrieben (Das Echo 41, 1922, 3207, 3701).

Produkte, um die Dinge zusammenzuhalten (Haus Hof Garten 43, 1923, 120 (l.); Deutscher Reichsanzeiger 1921, Nr. 127 v. 3. Juni, 21)
Neue Geschäftsfelder sollten auch durch den Klebstoff Sanril erschlossen werden. Ein gleichlautendes Sammelzeichen hatte Hermann Leonhardt bereits zwanzig Jahre zuvor für seine Hamburger Handelsfirma beantragt (Deutscher Reichsanzeiger 1901, Nr. 304 v. 24. Dezember, 12). Nun wurde es durch ein Bildzeichen spezifiziert und auch für den devisenträchtigen Schweizer Markt eingetragen (Schweizerisches Handelsamtsblatt 39, 1921, 1652). Der Erfolg in dem durch Otto Rings Syndetikon dominierten Markt dürfte sich jedoch in engen Grenzen gehalten haben. Das gilt auch für die zur Schaufenster- und Messewerbung nutzbare Schokoladen- und Süßwaren-Imitationsmasse Katee, die dann unter dem Namen Garanta bis mindestens in die 1970er Jahre angeboten wurde (Deutsches Markenartikel-Adressbuch 1931, Leipzig s.a., 168; Fette, Seifen, Anstrichmittel 74, 1972, 252).
Garantol blieb das alles überragende Hauptprodukt. Angesichts des wieder steigenden Konsums – rechnerisch verbrauchte der Durchschnittsdeutsche 1900 102, 1912 111, 1925 108 und 1930 dann 139 Stück pro Jahr (Paul Gross, Der deutsche Eiermarkt, Berlin 1933, 9, 95) – hätten die Aussichten gut sein müssen. Doch die in der 2. Hälfte der 1920er Jahre engagierte geführte Debatte über qualitativ hochwertigere, vor allem auch verlässlich standardisierte Agrarprodukte verlief gegenläufig zur Haushaltskonservierung. „Frisch“ wurde zu einem immer wichtigeren Wert im Eiermarkt, die reichsweite Etablierung des „Deutschen Frischeis“ 1930 unterstrich dies. Importeier, vor dem Weltkrieg noch zu zwei Dritteln von Billiganbietern, stammten nun zu zwei Dritteln aus höherpreisigen Angeboten. Die Bedeutung der Kalkeier schwand – an sich eine Marktchance für Garantol. Doch angesichts eines qualitativ höherwertigen Gesamtangebotes sank der Stellenwert häuslich konservierter Eier.
Die Garantol-Werbung reagierte hierauf, wenngleich verhalten. Seit Mitte der 1920er Jahren wurde die Werbung einheitlicher, fokussierte sich verstärkt auf den Markenartikel als Qualitätsgarant. Das Heidenauer Unternehmen nutzte seine während des Krieges gewonnene Marktstellung, präsentierte Garantol als „bewährten“ Helfer der Hausfrau, anders als die vielen wertlosen Eiersatzmittel der „Hungerzeit“. Doch während viele der damaligen Konsumgüter nun mittels einer starken Werbefigur, eines Slogans oder aber in Alltagsituationen präsentiert wurden, warb man für Garantol öffentlich jährlich, teils mehrjährig mit nur einer, dann allerdings konsequent präsentierten Werbevorlage.

Markenartikelwerbung Mitte der 1920er Jahre (Velhagen & Klasings Monatshefte 40, 1925/26, H. 1, 27; Meggendorfer Blätter 148, 1927, Nr. 1888, 144)
Umsatzzahlen fehlen: Rechnet man jedoch die selbst annoncierte Zahl von 500 Millionen jährlich mit Garantol eingelegten Eiern hoch, so ergeben sich 4,2 Mio. Kleinpackungen und ein Umsatz von 1,7 Millionen Reichsmark. Angesichts von Handelsspannen von etwa 40 Prozent und dem wohl dominierenden Absatz in mittleren Packungen und Großgebinden dürfte der Inlandsumsatz jedoch bei etwa 800.000 Reichsmark gelegen haben. Garantol war angesichts der geringen Herstellungskosten gewiss eine „Cash Cow“, doch zugleich war der Absatzhorizont begrenzt. Hinzuzurechnen ist allerdings das nicht unbeträchtliche Auslandsgeschäft. Vergleicht man die Angabe mit dem Gesamtverbrauch von 1927 ca. 7,8 Milliarden Eiern (Gross, 1933, 97), ergibt sich ein Anteil von 6,4 Prozent aller Eier. Nimmt man als Bezugsrahmen jedoch allein die aus dem Deutschen Reich stammenden Eiern – 1927 ca. 44 Prozent – dann wurden mehr als 14 Prozent aller „deutschen“ Eier mit Garantol konserviert.
Auslandsmärkte: Ein Blick auf die USA und die Schweiz
Während die deutschen Eierproduzenten in den 1920er Jahren trotz beträchtlicher Rationalisierungsbestrebungen, steigender Legeleistungen und vermehrter Geflügelhaltung hinter die ausländischen Wettbewerber zurückfielen, war Garantol immer auch ein erfolgreicher Exportartikel – auch wenn es an Zahlen fehlt. Die Garantol GmbH war, wie ihr Hamburger Vorgänger, ein exportorientiertes Unternehmen. Das Vorgehen im Ausland war konventionell, doch wirksam: Patente und Warenzeichen wurden angemeldet, eine Agentur beauftragt, selten selbst eingerichtet, anschließend begann der Vertrieb, flankiert von mehr oder weniger aktiver Werbung.

Preisende Benennung in den USA (R.B. Dunning & Co. Illustrated Catalog. Seeds 1908, 47)
Dabei orientierte man sich zumeist an den Spezifika der Auslandsmärkte. Blicken wir etwa in die USA, einen Zielmarkt, der nicht nur durch seine Größe lockte. Angesichts der im Großhandel und Transportwesen bereits weit verbreiteten Kühltechnik waren die Konsumenten zumindest in den Absatzzentren im Osten und mittleren Westen kaum mehr für häusliche Eierkonservierung zu gewinnen. Ernst Utescher hatte 1904 ein erstes Patent erhalten, ein weiteres folgte 1907 (Offizial Gazette of the United States Patent Office 127, 1907, 2686-2687). Als Warenzeichen wurde Garantol bereits 1902 eingetragen (Ebd. 100, 1902, 1106). Die Garantol GmbH nutzte diese Vorarbeiten, erhielt 1911 schließlich ihr Warenzeichen (Ebd. 168, 1911, 777). Der Vertrieb setzte spätestens 1907 ein, doch konzentrierte er sich auf die in den USA bereits recht großen Hühnerfarmen. Niedrige Preise und der gegenüber Kalkwasser bessere Geschmack waren Kaufargumente. Auch in den USA war Wasserglas der wichtigste unmittelbare Konkurrent (Special Bulletin of the Food Department of the Agricultural Experiment Station North Dakota 2, 1912, 260). Garantol wurde während des gesamten Weltkrieges angeboten (R.B. Dunning & Co. Illustrated Catalog. Seeds 1917, 58; ebd., 1918, 58; ebd., 1919, 58). Die Werbung war altbacken und selbstpreisend, präsentierte überholte Bewertungen, zielte auf Erinnerung, nicht auf Überzeugung (American Poultry World 4, 1913, 900; The Progressive Farmer 28, 1913, 665). Es ist wahrscheinlich, dass die Markterfolge seit den 1920er Jahren deutlich abnahmen, da Kühltechnik in den größeren Läden dieser Zeit bereits Standard war.

Garantolwerbung in den 1920er Jahren in der Schweiz (Am häuslichen Herd 27, 1923/24, Nr. 9, s.p. (l.); ebd. 28, 1924/25, Nr. 8, s.p.; ebd. 31, 1927/28, Nr13, s.p. (r.))
Anfangs ähnlich, dann aber ganz anders war die Marktpräsenz in der Schweiz – und das trotz der technisch fortgerittenen Konsumgenossenschaften resp. der 1925 gegründeten Migros. Garantol wurde anfangs – sicher ab 1905, nach Eintrag des Warenzeichens (Schweizerisches Handelsamtsblatt 23, 1905, 862) – wie im Deutschen Reich vorrangig über Apotheken und Drogerien vertrieben (Hauswirtschaftlicher Ratgeber 12, 1905, 159). Eine zentrale Markenartikelwerbung fehlte mehr als ein Jahrzehnt, stattdessen pries man das Konservierungsmittel in vielen redaktionellen (Reklame-)Beiträgen und überließ es den Verkäufern vor Ort Werbung zu machen. Eine Ausnahme bildete das allerdings nachfragestarke Hotelgewerbe (Schweizer Hotel-Revue 23, 1914, Nr. 21). Während des Ersten Weltkrieges nahmen die Anzeigen von Wasserglas, Garantol und des Kalziumkarbonat-Präparates Eyoline deutlich zu. Ab den 1930er Jahren trat die Markenartikel-Werbung für Garantol dann stärker hervor und erreichte während des Zweiten Weltkrieges einen Höhepunkt. Dabei verwandte man zumeist die deutschen Werbeklischees, übersetzte deren Texte einfach ins Französische oder Italienische.

Gleiche Werbung in unterschiedlichen Sprachen (La Confédéré 1935, Nr. 51 v. 1. Mai, 4; Bieler Tagblatt 1935, Nr. 103 v. 4. Mai, 7; La Voce della Rezia 1935, Nr. 19 v. 11. Mai, 6 (r.))
Garantol wurde in der Schweiz während des gesamten Zweiten Weltkrieges beworben. Auch in der Nachkriegszeit findet man einschlägige Anzeigen, wohl von Angeboten aus der Sowjetischen Besatzungszone (La Gruyère 1947, Nr. 37 v. 20. März, 8). Es folgte eine kurzfristige Werbepause, dann aber setzte der Absatz wieder ein – nun aber von Ware aus dem badischen Grötzingen, nun wieder mit den dort verwandten Werbemotiven (Le Confédéré 1950, Nr. 39 v. 31. März, 4; Walliser Volksfreund 1950, Nr. 31 v. 18. April, 3; Neue Zürcher Nachrichten 1955, Nr. 91 v. 18. April, 5).
Ressourcenoptimierung: Garantol während des Nationalsozialismus
Nach Ende der Weimarer Republik (die ich mit den Präsidialdiktaturen 1930 ansetze) und der Machtzulassung der Nationalsozialisten und ihrer konservativen Bündnispartner änderte sich für die Garantol GmbH relativ wenig – trotz der Eierverordnung von 1932, die unter anderem eine Kennzeichnungspflicht für konservierte Eier vorsah. Die Verordnung wurde während der NS-Zeit modifiziert, galt im Grundsatz aber weiter. Der Eierkonsum ging während der Weltwirtschaftskrise beträchtlich zurück, sank durch die Beschränkungen der Importe bis 1934 weiter, lag auch 1938 noch unter den Werten der Weltwirtschaftskrise. Die NS-Zeit war eine Zeit der Eierknappheit – also schon vor dem Zweiten Weltkrieg ein Umfeld, das einen sorgfältigen Umgang und damit ein Konservieren der begrenzt verfügbaren Hühnerprodukte nahelegte. Das begünstigte zwar auch die Kühltechnik, die ab 1939 in eine vor allem an Wehrmachtsinteressen ausgerichteten und bis 1942 zu einer europäischen Großraumwirtschaft erweiterten Kühlwirtschaft mündete; doch gerade die dabei offenkundige Vernachlässigung der Interessen von Handel und Konsumenten bestärkte den Zwang, Eier auf tradiertem Wege für den Winter zu konservieren.
Für die Garantol GmbH verlief das Geschäft in durchaus tradierten Bahnen – auch wenn sich die Geschäftsleitung beträchtlich veränderte. 1930 wurden gleich zwei Prokuristen benannt. Zum einen die Buchhalterin Elisabeth Menzel (1895-1990), die diese Position allerdings schon nach einem Jahr wieder verlor (Deutscher Reichsanzeiger 1930, Nr. 126 v. 2. Juni, 12-13; ebd. 1931, Nr. 151 v. 2. Juli, 10). Die Tochter eines Dresdener Maurers arbeitete anfangs als Verkäuferin, heiratete 1920 einen Handlungsgehilfen, 1924 einen Werkmeister, etablierte sich in der Garantol GmbH und arbeitete für diese wohl auch später – zumindest deutet ihr Sterbeort Stuttgart darauf hin, dass sie ab 1947 die Neugründung in Grötzingen mitgestaltet hat (Stadtarchiv Dresden, Geburtsregister/Geburtsanzeigen 1876-1907, Bd. 1895, Nr. 2623; ebd. Eheaufgebote/Eheregister 1876-1927, Bd. 1920, Nr. 1240; ebd., Bd. 1924, Nr. 672). Zum anderen der Kaufmann Arthur Irmer (1901-1945), Sohn eines Dresdener Produktenhändlers, der als Oberfunker kurz vor Kriegsende bei den Versuchen der Wehrmacht starb, die vordringenden US-Truppe nach dem Fall von Neuß zu stoppen (Stadtarchiv Dresden, Sterberegister/Sterbefallanzeigen 1876-1957, Bd. 1949, Nr. 2325). Er besaß ab 1931 Gesamtprokura.

Todesanzeigen von Ludwig Grube 1935 (Dresdner Nachrichten 1935, Nr. 108 v. 5. März, 14)
Gravierend war der Tod von Hauptgesellschafter und Geschäftsführer Ludwig Grube im Rudolf-Heß-Krankenhaus 1935 (Stadtarchiv Dresden, Sterberegister/Sterbefallanzeigen 1876-1957, Bd. 1935, Nr. 389). Otti Grube übernahm, die Auswirkungen auf das unmittelbare Geschäft waren begrenzt. Die Garantol GmbH wurde allerdings zwei Jahre später von einer Kapital- in eine Personalgesellschaft überführt: Sie firmierte nun als Grube & Co. Das folgte der nationalsozialistischen Idee des persönlich haftenden Kaufmannes, der Stärkung von Familienunternehmen. Derartige Übertragungen erfolgten damals massenhaft, denn die Durchführungsverordnungen des 1934 erlassenen Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften lockten mit Steuererleichterungen, drängten mit einer erhöhten Körperschaftssteuer. Irmer führte weiterhin die Alltagsgeschäfte, zwei Kommanditen stärkten 1937 und 1938 die Finanzkraft der Firma (Deutscher Reichsanzeiger 1937, Nr. 124 v. 3. Juni, 18; ebd. 1938, Nr. 6 v. 8. Januar, 12).
Das Geschäft von Grube & Co. beruhte damals vorrangig auf Garantol, Promptin und Antityphoid bildeten Ergänzungen. Die Firma bemühte sich allerdings auch während der 1930er Jahre um weitere Produkte. 1935 wurde Bartsch-Tee eingetragen, ein offenbar dem erfolgreichen und massiv beworbenen Dr. Ernst Richters Frühstückstee der Münchener Hermes-Fabrik nachempfundenes Produkt (Warenzeichenblatt 42, 1935, 487). Wie Garantol wurde es 1941 mit ansprechend geschalteter Serienwerbung propagiert, nun allerdings als deutsches Austauschprodukt für den fehlenden Tee aus Asien.

Vom Nischenmarkt zum Kriegsprodukt (Westfälische Neueste Nachrichten 1938, Nr. 73 v. 28. März, 6 (l.); Fliegende Blätter 195, 1941, 400)
Die naheliegende Frage nach den Beziehungen zwischen dem NS-Regime und der Garantol GmbH resp. der Firma Grube & Co. ist nicht seriös zu beantworten. Man dürfte sich angepasst, zugleich auf eine gewisse Distanz geachtet haben. Die Todesanzeigen Ludwig Grubes erschienen nicht im lokalen NS-Parteiorgan Freiheitskampf, sondern in den traditionell konservativen und demokratieskeptischen Dresdner Nachrichten. Sein 1915 geborener Sohn Hans Grube promovierte 1939 an der Handelshochschule Leipzig bei dem Betriebswirt Erich Schäfer (1900-1984), seit 1940 NSDAP-Mitglied, zugleich einer der intellektuellen Köpfe der Gesellschaft für Konsumforschung. Diese Gruppe, der auch der spätere ordoliberale Heros Ludwig Erhard (1897-1977) angehörte, war integraler Bestandteil des NS-Regimes, stand der Kriegs- und Vernichtungspolitik des Nationalsozialismus aber kritisch gegenüber (zu diesem Milieu vgl. Uwe Spiekermann, German-Syle Consumer Engineering: Victor Vogt’s Verkaufspraxis, 1925-1950, in: Jan Logemann, Gary Cross und Ingo Köhler (Hg.), Consumer Engineering, 1920s-1970s, Cham 2019, 117-145, insb. 128-132). Hans Grubes im Frühjahr 1939 geschriebene Dissertation (Werbung und Umsatzentwicklung bei Markenartikelunternehmungen, Leipzig 1941) ist eine solide, für damalige Verhältnisse weit überdurchschnittliche Arbeit, die dem gängigen NS-Jargon der Zeit keine Konzessionen machte. Anderseits kann man ab 1941 fast sicher von Zwangsarbeit bei Grube & Co. ausgehen, zumal sich in Heidenau viele kriegswichtige Unternehmen angesiedelt hatten und in Dohna-Heidenau ein Durchgangslager für Zwangsarbeiter bestand. Die spätere Enteignung erfolgte gemäß dem SMAD-Befehl Nr. 124/45 vom 30. Oktober 1945, der bei aller Willkür doch Maßnahmen gegen das Vermögen von „Amtspersonen der NSDAP, ihren führenden Mitgliedern und hervortretenden Anhängern“ vorsah (Bestimmungen der DDR zu Eigentumsfragen und Enteignungen, hg. v. Gesamtdeutschen Institut, Bonn 1971, 50-52, hier 50).

Appelle an die sparsame Hausfrau (Illustrierter Beobachter 7, 1932, 376 (l.); Die Frau und Mutter 23, 1934, H. 4, 38)
Für die Öffentlichkeit war die Werbepräsenz der Garantol GmbH jedoch vorrangig. Während der Weltwirtschaftskrise und den ersten Jahren der NS-Herrschaft nutzte sie verstärkt einfache Textanzeigen, die regelmäßig auch als redaktionelle Reklame geschaltet wurde. Im Mittelpunkt standen wirtschaftliche Argumente. Eierkonservierung galt als einfacher und bequemer Bestandteil sparsamer Haushaltsführung. Wichtig war, dass auf diese Weise trotz bedrückender Not ein wenig Abwechslung in der Küche beibehalten, den Lieben eine kleine Freude bereitet werden konnte.

Serienwerbung mit einfachen Mitteln (Fliegende Blätter 178, 1933, 240 (l.), 272, 336 (r.))
Die Werbung war weiterhin einfach, aufwändige Formen hätten die Kernbotschaften konterkariert. Allerdings finden sich Anfang der 1930er Jahre auch Ansätze von Werbeparolen, etwa „Garantol hält Eier über ein Jahr lang frisch“. Das klang hölzern, war nicht eingängig, war stattdessen sachbezogen und ernst. Mehr wurde versucht, etwa die Propagierung des Tätigkeitswortes „garantolen“. Das hatte beim Einwecken geklappt, ebenso beim Kukirolen, der Verwendung eines damals erfolgreichen Hühneraugenmittels. Doch beim Eiereinlegen scheiterten entsprechende Sprachspiele.

Die zufriedene Hausfrau mit ihrem Winterschatz (Israelitisches Familienblatt 36, 1934, Nr. 11, 7 (l.); Illustrierte Nützliche Blätter 1936, 99)
Die Garantol GmbH begann Anfang der 1930er Jahre zudem, ihre Markenartikelwerbung zu personalisieren. Dazu wählten sie einfach skizzierte Hausfrauen, deren Konterfei nach mehreren Jahren auch verändert wurde und bei denen durchaus zwischen urbanen und ländlichen Kundinnen unterschieden wurde. Allerdings baute die Firma keine produktspezifische Werbefigur auf, wie dies damals die Margarine- oder aber die Waschmittelindustrie vormachte. Parallel bemühte sich die Heidenauer Firma um Anschaulichkeit und Nachvollziehbarkeit, nutzte dafür aber vorrangig Werbeblätter. Im Bereich der Haushaltskonservierung war dies schon seit langem üblich.

Anschaulichkeit auch in der Werbung – Auszüge aus einem Werbeblatt ca. 1937 (Uwe Spiekermann)
Die NS-Zeit war für die Garantol-Werke eine neuerliche Zeit des Wachstums. Dazu mochte nicht zuletzt die Wehrmacht und die an Bedeutung rasch zunehmende Gemeinschaftsverpflegung beigetragen haben. 1937 wurde in Heidenau ein erster Erweiterungsbau errichtet, um den Versand zu beschleunigen und zu erweitern. Auf der einen Seite lag ein Eisenbahnanschluss, auf der anderen Verladerampen für Lastwagen (Garantol, 1953, 11). Zudem legte die Garantol GmbH vermehrt Wert auf eine verbesserte Ansprache der Verkäufer. Das galt insbesondere für die Drogisten und Apotheker. Es war kein Zufall, dass Ludwig Grube bis zu seinem Tode auch Vorsitzender der Velidro gewesen war, des Verbandes der Lieferanten im Drogenfach (Dresdner Nachrichten 1935, Nr. 108 v. 5. März, 14).

Werbung für die Verkäufer (Deutsche Apotheker-Zeitung 50, 1935, 530)
Die Werbung war stets mit diesen Verkaufsmultiplikatoren koordiniert, auf sie nahm man besonders Rücksicht. Die Handelsspanne lag bei ordentlichen 40 Prozent und wurde auch während des Zweitens Weltkrieges nicht gesenkt, als die gebundenen Preise 1941 um etwa ein Achtel reduziert wurden (Drogisten-Zeitung 57, 1941, Nr. 10, 4). Das entsprach dem Ideal der gebunden Wirtschaft, dem ideologisierten „Leben und leben lassen“ des deutschen Kaufmanns.

Die Krise nutzen – Werbung um Apotheker und Drogisten (Wiener Pharmazeutische Wochenschrift 73, 1940, 125)
Überraschend war der recht eigenständige Charakter der Garantol-Werbung. Obwohl sie nah an zentralen NS-Kampagnen agierte, etwa den seit 1936 im Rahmen des Vierjahresplanes initiierten „Kampf dem Verderb“-Feldzügen, der Propagierung des häuslichen Einmachens, der Förderung von Kleinsiedlung und Kleingärten sowie einer verstärkten Wertschätzung heimischer Produkte, fanden diese höchstens indirekt Widerhall in der Garantol-Markenartikelwerbung. Referenzen etwa auf das Deutsche Frauenwerk oder die Verbrauchslenkung unterblieben. Auch während des Krieges war man nicht Teil der vielgestaltigen Kampagnen um Kohlenklau oder andere mehr oder minder populäre Figuren der Verhaltensregulierung, des völkischen Nudging.

Visuelle Ankerpunkte für Sparsamkeit und Tradition (Kleine Volks-Zeitung 1940, Nr. 182 v. 4. Juli, 12 (l.); Wiener Pharmazeutische Wochenschrift 73, 1940, Nr. 12, 1).
Bemerkenswert ist zudem die 1940, also während des Krieges, einsetzende Ausweitung der Werbung, die seither konsequent auf ansprechende Bildvorlagen und vor allem serielle Motive setzte. Die Motive knüpften an Huhn und Ei an, doch nun wurde der Alltag der Konsumenten systematisch mit einbezogen. Dieser veränderte Markenauftritt dürfte direkt auf Hans Grube zurückzuführen sein – und es ist wahrscheinlich, dass nun auch eine Werbeagentur engagiert wurde. Grubes Dissertation behandelte die Markenartikelwerbung, setzte sich insbesondere mit den auch für Garantol charakteristischen „Saisonschwankungen“ auseinander (Grube, 1941, 25). Während des Weltkrieges war er Soldat, doch das war mehr Potemkinsche Fassade als Aussage. Das Dresdner Adressbuch verortete ihn bis 1941 noch nahe beim Heidenauer Werk in der Pirnaer Straße 32, ab 1943 dann in der Dresdener Lockwitzerstraße 30 (Dresdner Adreßbuch 1941, Heidenau, 27; ebd. 1943/44, Niedersedlitz, 84). Bereits 1937 hatte er Geschäftsanteile übernommen, wenngleich er im Adreßbuch erst ab 1943 als Mitinhaber der Garantol-Gesellschaft Grube & Co. firmierte (Garantol, 1953, 12).

Verhaltensregulierung und Kaufappell (Illustrierter Beobachter 16, 1941, 52 (l.); ebd., 148)
Die neuen Werbeanzeigen setzten kaum neue Themen, banden die alten jedoch in die Kriegszeit, in die Eierrationierung ein. Der Eierkonsum sank damals reguliert, lag 1944/45 schließlich bei etwa der Hälfte der Vorkriegswerte: 1939/40 waren das durchschnittlich 140 Stück pro Kopf, 1941/42 87 und 1944/45 schließlich 68 (Kurt Häfner, Materialien zur Kriegsernährungswirtschaft 1939-1945, s.l. s.a. (Ms.)). Das war wenig, doch immer noch fast das Dreifache von 1918/19.

Winke auch abseits der Saison (Die Umschau 46, 1942, 176 (l.); ebd., 400)
Die Werbemotive waren ansprechend gestaltet, führten auch erstmals konsequent über die Legesaison hinaus. 1941 begann im August eine neuerliche Kampagne – also just in dem Monat, in dem zuvor die Werbesaison faktisch endete: Haushälterische Winke – recht typisch für die damalige Werbewelt, doch mit jahrzehntealten Vorläufern bei Convenienceartikeln wie Backhilfsmitteln oder Suppenpräparaten – erläuterten nun den Umgang mit Garantol und gaben Ratschläge für die Werterhaltung der Eier im getränkten Glase. Damit emanzipierte sich das Konservierungsmittel auch von seinem Mitbewerber Wasserglas, für den als Markenartikel nie geworben wurde. Garantol wurde als bewährter Helfer, als Kriegskamerad positioniert, der um die Schwierigkeiten des Kriegsalltags wusste, der jedoch optimistisch die Engpässe und Probleme überwand.

Zuversicht im Kriege (Straßburger Neueste Nachrichten 1943, Nr. 106 v. 16. April, 7 (l.); Erlaftal-Bote 1943, Nr. 36 v. 9. April, 8)
Diese Grundhaltung und auch die stimmungs- und versorgungswirtschaftlich wichtigen Funktionen des Garantol führten denn auch dazu, dass das Konservierungsmittel noch 1943 und selbst 1944 mit recht großen Anzeigen mit visuellen Elementen beworben wurde. Dazu muss man wissen, dass Zeitungen und Zeitschriften Anfang und dann nochmals im Sommer 1942 die Werbemöglichkeiten deutlich reduzieren mussten, da die Anzeigengrößen gedeckelt wurden. Vielfach fanden sich nun ein Dutzend und mehr Motive auf einer Seite, die große Mehrzahl davon reine Werbetexte.

Verpflichtungsdiskurse in der Volksgemeinschaft (Gemeinschaftsverpflegung 1944, H. 4, Beil., 5; ebd., H. 11, Beil., 5)
Das galt auch für Garantol – doch mit deutlichem zeitlichem Verzug. Entsprechend nahm die relative Präsenz des Eierkonservierungsmittels 1943/44 zu. Es stand nun Seit an Seit mit den führenden Markenartikeln weit größerer Unternehmen. Obwohl die Heidenauer Firma bis Kriegsende kontinuierlich produzierte – Dresden wurde als letzte deutsche Großstadt am 8. Mai 1945 besetzt, also am Tag der Kapitulation der Wehrmacht – spiegelten letztlich aber auch deren Anzeigen den nahenden Verlust des Krieges.

Dem Endsieg entgegen – abebbende Werbeanstrengungen 1944 (Westfälische Zeitung 1944, Nr. 179 v. 2. August, 2 (l. oben); Badische Presse 1944, Nr. 165 v. 17. Juli, 4 (l. unten); Garten-Zeitschrift 1944, Nr. 7/8, 68 (r. oben); Grenzbote 1944, Nr. 16 v. 16. April, 8)
Doppelte Wege: Garantol in Heidenau und Grötzingen
Grube & Co. überstand den Zweiten Weltkrieg ohne Zerstörungen, inklusive den massiven Bombenangriff auf Heidenau am letzten Kriegstag. Dennoch kam der Betrieb 1945 kurzfristig zum Erliegen. Otti Grube wurde von der sowjetischen Militäradministration von der Geschäftsführung ausgeschlossen, ihr Sohn Hans Grube übernahm nach Ende der Kriegsgefangenschaft im Dezember die Leitung des Familienbetriebes. Die Garantol-Werke reüssierten rasch, 1947 übertrafen sie den Beschäftigungsstand der Vorkriegszeit (Garantol, 1953, 12). Der Betrieb wurde 1946 erstmals, 1948 neuerlich beschlagnahmt (Who’s who in Germany, 4. Aufl., Ottobrunn 1972, Bd. 1, 502). Hans Grube wurde verhaftet und für viele Monate inhaftiert, flüchtete Ende 1948, Anfang 1949 dann in den Westen. Die Gründe für diese Entwicklung sind unklar, können in der NS-Zeit liegen, an wahrscheinlicher Beschäftigung von Zwangsarbeitern, an den Interessen der Besatzungsmacht oder aber der kollektivistischen Politik der SED und der Blockparteien. Eine Sichtung der einschlägigen Archivalien im Staatsarchiv Dresden steht noch aus.
Während in Heidenau die Garantol-Werke verstaatlicht wurden, zum VVB (L) und dann VEB Garantol mutierten und weiterhin Garantol und Antityphoid produzierten, nahm die bereits am 18. Oktober 1947 gegründete Dr. Grube GmbH im nahe von Karlsruhe gelegenen Grötzingen den Betrieb auf (Badische Neueste Nachrichten 1949, Nr. 18 v. 27. Januar, 3). Hans Grube wurde am 8. Juni 1949 zum allein vertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt (Ebd., Nr. 119 v. 18. Juni, 10), der zwischenzeitliche Geschäftsführer Otto Lips im Januar 1950 als Geschäftsführer entlassen (Ebd. 1950, Nr. 25 v. 4. Februar, 9). Im April 1950 etablierten Hans Grube, seine Mutter Otti und zwei Kommanditen zudem die Grube & Co. KG, restaurierten also den Status von 1937 (Ebd., Nr. 109 v. 30. Mai, 8), auch wenn die Garantol GmbH parallel bestehen blieb (Ebd. 1951, Nr. 53 v. 3. März, 5). Zwischen den Heidenauer und den Grötzinger Garantol-Werken kam es zu Rechtshändeln (Süddeutsche Juristen-Zeitung 5, 1950, 277). Am Ende gab es zwei Produzenten des Eierkonservierungsmittels Garantol, je einen in beiden deutschen Staaten.

Werbeplakate für Garantol in Österreich (Wienbibliothek AC10534260-4201 (ca. 1950, l.); ebd. AC10534101-4201 (1950))
Beide Firmen knüpften teils bruchlos an die NS-Zeit an, auch in der DDR warb man mit den alten Werbeklischees. Sie entwickelten sich auch in der Folgezeit ähnlich, wenngleich mit unterschiedlicher Dynamik. Die Grötzinger Firma intensivierte rasch ihre Exporttätigkeit, besaß damit eine angesichts der damaligen Dollar-Lücke strategisch wichtige Einnahmequelle. Beide Firmen erweiterten ihr Sortiment, wobei Grötzingen deutlich aktiver war; auch durch den Ankauf US-amerikanischer Patente. Dominierte Anfang, in der DDR auch noch Ende der 1950er Jahre der Umsatz des namensgebenden Eierkonservierungsmittels, so mutierten mit dem Rückgang der Nachfrage seit Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre beide Firmen zu Anbietern von Tiermedizin und Drogerieartikeln. Der Ausbau der Selbstbedienung, das Vordringen der Kühltechnik im Handel und dann auch den Haushalten, die „Massenproduktion“ von Geflügel und Eiern ließen „frische“ Eier zum Standard werden. Die Heidenauer Firma ging später in größere chemische Betriebe auf. Die Geschichte der Grube & Co. KG endete im Juni 1995, im Folgemonat auch die der Dr. Grube GmbH. Die 1985 gegründete Garantol GmbH wurde schließlich im Mai 1996 gelöscht. Wasserglas ist weiterhin verfügbar.

Angebotspaletten der Grötzinger und der Heidenheimer Garantol-Werke (Garantol, 1953, 18 (l.); Werbezettel Garanta, s.a.)
Convenienceprodukte als Zwischenlösungen mit Beharrungsvermögen
Kurz vor dem Ersten Weltkrieg hatte es noch mit typisch wilhelminischem Optimismus geheißen: „Die Konservierung der Eier ist nur eine Frage der sich immer mehr und mehr entwickelnden Technik auf dem Gebiet“ (Kurt Woite, Kolonialgeflügel, Die Woche 14, 1912, 1109-1111, hier 1110). Die Geschichte des Konservierungsmittels Garantol belegt, dass die technische Verfügbarkeit einer überlegenen Konservierungstechnik – hier der Kühltechnik – für deren Durchsetzung nicht ausreichte. Wasserglas und Garantol ermöglichten Eier auch im Winter, mochten diese auch geschmacklich schlechter und küchentechnisch begrenzter als gekühlte oder gar frische Angebote gewesen sein. Diese Mängel aber waren überschaubar, an sie konnte man sich gewöhnen, ebenso an den saisonalen Rhythmus derartiger Verschlechterungen. Wasserglas und Garantol halfen Kriege und Krisen zu bewältigen, boten handhabbare Alternativen zum Verzicht, übertrafen zuvor übliche Konservierungsverfahren. Bequem waren diese Bequemlichkeitsprodukte aus heutiger Sicht vielleicht nicht, doch ihre Anwendung wurden seit der Jahrhundertwende zur üblichen Haushaltsroutine, so wie man auch das enorm aufwändige Waschen und Putzen lange, lange kaum hinterfragte, auch, weil dies unbezahlte Frauenarbeit war.
Garantol war Ausdruck begrenzter Anspruchshaltungen, eines Arrangements mit einem Leben, in dem das frische Ei kein Dauerangebot war. Man dachte im Jahresrhythmus, noch nicht mit der für uns geltenden Kurzlebigkeit der Ware. Convenienceprodukte stehen heute für die Beschleunigung des Marktes und des Konsums – einhundert Jahre zuvor standen sie für Stetigkeit und Verlässlichkeit. Heute, wo wir alte Waren nur als gereifte Edelprodukte schätzen, wo uns Frisches und Neues permanent umgibt, wo wir Waren wegwerfen, wenn sie ein zwar begründetes, aber doch auch imaginäres Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben, heute können wir uns Convenienceprodukte als Entschleuniger, als Dynamikbremse kaum mehr vorstellen.
Garantol war just dies, war ein Grund für die nur verzögerte Einführung der Kühltechnik hierzulande. Garantol war eine Zwischenlösung in einer unvollkommenen Welt. Dieses scheinbar so nebensächliche Produkt kann uns aber vielleicht anregen darüber nachzudenken, dass wir uns auch mit vielen Zwischenlösungen begnügen, mögen diese uns auch anders präsentiert werden. Das gilt für unsere Ernährung, unsere Umwelt, unsere materielle Existenz. Vielleicht können wir im Kopfschütteln über die überwundene Zwischenlösung Garantol dann gar erkennen, wie wichtig es ist, sich möglichst mit Kernproblemen auseinanderzusetzen, um nicht Jahrzehnte zu verlieren.
Uwe Spiekermann, 14. August 2022
Danke!
DAS hab ich gesucht, als wir kürzlich über die bei unserer Mutter übliche Methode sprachen, ab Spätsommer/Herbst die eigenen Hühnereier nach und nach in „Wasserglas“ einzulegen, um genügend für die Weihnachtsbäckerei bevorratet zu haben.
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