Alle Jahre wieder beginnt Ende November ein eigenartiges Ritual. Weihnachtsmärkte laden ein, Glühwein lockt, Adventsfeiern folgen, dann der stete Reigen der weihnachtlichen Vorfeste. Jahr für Jahr starten die Polizeibehörden zeitgleich Aufklärungskampagnen über die Gefahren von Alkohol am Steuer, kündigen umfassende Kontrollen an, führen zehntausende durch, ziehen hunderte Führerscheine ein und können doch den zusätzlichen Tod einiger Dutzend Menschen nicht verhindern. Beschwipste Rituale dieser Art gehören offenbar zur Adventszeit wie Wichteln und Tannengrün. Und doch, derartige Konflikte zwischen vermeintlich rationalem Staat und irrationalen Bürgern berühren nicht nur Jahr für Jahr hunderttausende von Menschen direkt und elementar, sondern sie geben zugleich Auskunft über das Verhältnis von Staat und Individuum, von der Bedeutung wissenschaftlicher Definitionsmacht für richtiges und abweichendes Handeln, schließlich auch für sanktionswürdige Ordnungswidrigkeiten und Verbrechen.
Historiker lassen es dabei nicht bewenden. Sie wollen gern mehr wissen, einen genaueren Blick wagen: Die heutige Blutalkoholkontrolle wurde schließlich in den frühen 1930er Jahren eingeführt und während des Nationalsozialismus dann obligatorisch. Fünf Fragen möchte ich gerne beantworten – und wenn Sie die Antworten interessieren, so lesen Sie doch weiter:
- Erstens: Wann begann diese erst einmal überraschende Beziehung von Blut und Alkohol?
- Zweitens: Warum setzte sich die Blutprobe in Deutschland durch, just zu einer Zeit in der sowohl eine neue Verkehrspolitik praktiziert als auch eine unsägliche, gleichwohl wissenschaftlich geadelte Rassenideologie angewendet und umgesetzt wurde?
- Drittens: Welche Bedeutung hatte in diesem Zusammenhang die Wissenschaft, insbesondere die Gerichtsmedizin, von der die Blutprobe angewendet und verbessert wurde?
- Viertens: Welchen Zusammenhang hatten die im Grundsatz bis heute geltenden Techniken der Blutprobe mit dem NS-Regime und der NS-Ideologie?
- Schließlich fünftens: Was können wir an diesem einen Beispiel über Grundstrukturen des Nationalsozialismus, insbesondere aber über den Umgang des NS-Regimes mit seinen Bürgern lernen?
Solche Fragen zum Zusammenhang von Blut und Alkohol galten nicht marginalisierten Gruppen, sondern betrafen grundsätzlich alle Deutschen. Das galt nicht nur für die trunkenen Fahrer – 90 Prozent von ihnen waren Männer im Erwachsenenalter –, sondern grundsätzlich allen Verkehrsteilnehmern, auch den Opfern. Einfache Fragen dieser Art gewinnen allerdings an Kontur, bettet man sie in einen theoretischen Ordnungsrahmen. Die meisten von Ihnen werden gewiss ihren Foucault gelesen, zumindest aber von diesem französischen Philosophen, Soziologen, Historiker und Enfant terrible gehört haben. Pionierstudien wie „Überwachen und Strafen“ oder „Wahnsinn und Gesellschaft“ stellten eine „Mikrophysik der Macht“ in den Mittelpunkt und analysierten die Disziplinierung von Geist und Körper durch neues Wissen in Irrenanstalten, Gefängnissen und Gesellschaft. [1] Neues Wissen und dessen herrschaftliche Anwendung – genau darum ging es bei der Einführung der Blutprobe – konnten so untersucht werden, mochte das Subjekt dabei auch kaum beachtet wurde. Foucault selbst hat diesen blinden Fleck Mitte der 1970er Jahre in seinen Vorlesungen zur sogenannten Gouvernementalität theoretisch reflektiert und dadurch Modelle für die Untersuchung auch für Herrschaft und Subjektivität im 20. Jahrhundert geöffnet: „‘Gouvernementalität‘ bezeichnet einen Komplex aus Regierungstechniken und Denkweisen, der sich mit dem Auftauchen moderner (biopolitischer) Staatlichkeit allmählich durchgesetzt und in dieser sich erst institutionalisiert hat“ [2]. Moderne staatliche Herrschaft konnte nicht allein – wie während des Absolutismus – durch Souveränität erfolgen oder durch Disziplin und körperliche Strafen erzwungen werden, sondern es bedurfte neuer Institutionen, Verfahren, Analysen und Reflexionen, Berechnungen und Taktiken, um auf das Handeln der Bürger und Untertanen einzuwirken. [3] Derartige gouvernementale Führung gründete auf Vorstellungen vom Gemeinwohl, vom Dienst an der Bevölkerung und war daher offen für neue Herausforderungen, wie sie sich insbesondere im Gefolge der Industrialisierung stellten. Es galt nicht mehr allein Freiheit zu beschränken, sondern sie zu organisieren. Machtausübung hieß dann die Möglichkeitsfelder des Handelns zu strukturieren, ohne dabei das Handeln selbst zu determinieren. [4] Dazu war Wissen, insbesondere wissenschaftliches Wissen über Körper und soziale Realität unverzichtbar, denn es bildete ein Scharnier zwischen Regierungstechnologie und dem Einzelnen. Dieser wurde als aktives Subjekt vorausgesetzt, zugleich aber produziert. Ohne Wissen und Wissenschaft kann in der Moderne weder Herrschaft ausgeübt, noch eine soziale Ordnung aufrechterhalten werden. Ihr Fluchtpunkt ist stets die von Foucault sogenannte „Bio-Macht“, Macht über das Leben, die nie nur Herrschaft ist, sondern zugleich Formen von Subjektivität stabilisiert. Wenn Sie sich etwas Abstand zu Ihrem Essen und Trinken, Ihrem Sport, Ihren Spaziergängen, Ihrer Nutzung von Arzneien und all den „guten“, uns stetig angebotenen Dingen leisten, so sehen sich rasch im Bannkreis derartiger „Bio-Macht“.
Die Foucaultschen Überlegungen erlauben aber mehr: Erstens kann mit ihrer Hilfe die NS-Zeit in die Kontinuität moderner Geschichte gut eingebettet werden. Zweitens aber weiten sie das Spektrum der Akteure von den in der NS-Forschung meist im Fokus stehenden Institutionen von Staat und Partei auf das Wechselspiel von Wissensmächten, zu denen explizit auch Wissenschaftler und zivilgesellschaftliche Akteure wie die Verkehrsteilnehmer gehörten. Drittens stellt sich vor dem Hintergrund gouvernementaler Führung die Frage nach dem Umgang dieser Wissensmächte mit der großen Zahl der Adressaten, also all den Leuten. Die Realität des „Führerstaates“ kann dann im Sinne einer Interaktion gedeutet werden, in der es darum ging, Politik für den rassisch definierten Kern der Gesellschaft zu machen und diesen zugleich einzubinden und zu prägen.
Blut als Indikator: Die Blutprobe und die „Objektivierung“ des gerichtsmedizinischen Wissens
Wollen wir verstehen, warum Blut und Alkohol in eine so enge Beziehung gerieten, so gilt es sich kurz der neuartigen Herausforderungen durch die im späten 19. Jahrhundert einsetzende Massenmobilität zu erinnern.

Mobilität als Signum des 20. Jahrhunderts (Fliegende Blätter 122, 1905, 193)
Spätestens seit der Jahrhundertwende schufen ihre Folgeprobleme ein neuartiges gouvernementales Betätigungsfeld, das durch die zahlreichen neuartigen Mobilitätsmaschinen der Jahrhundertwende nahegelegt, keineswegs aber determiniert wurde. Raum- und Zeiterfahrungen veränderten sich grundlegend, insbesondere die Städte erhielten eine neue Kontur.

Veränderte Verkehrsverhältnisse: Die Abkehr vom Pferd (Fliegende Blätter 121, 1904, 288)
Das Automobil ermöglichte einen dezentralen Individualverkehr, mochte der in der ersten Phase des „wilden Automobilismus“ auch vorwiegend Lärmbelastung und Unfallgefahr bedeuten. Staatliche Stellen konzentrierten sich auf Infrastrukturmaßnahmen, insbesondere bei Straßenbau und -befestigung, Sicherheitsaspekte und auch Fragen der Unfallfolgen blieben jedoch noch den Betroffenen überlassen.

Kein Problembewusstsein: Alkohol als Teil moderner Mobilität (Fliegende Blätter 124, 1906, Nr. 3179, Beibl., 7)
Die frühen Kraftfahrzeuge dienten vornehmlich als Repräsentationsobjekt der Besitzenden, als Sportgerät sowie als Transportmittel. Alkohol am Steuer und dessen Untersuchung galt anfangs nicht als gouvernementale Aufgabe – und das blieb so bis in die späten 1920er Jahre. Nicht der „Staat“ drang auf eine differenzierte Ordnung des Individualverkehrs, sondern vielmehr gesellschaftliche Akteure. Es waren insbesondere die Temperenzvereine, die seit langem auf gouvernementale Führung in bisher staatsfernen Betätigungsfeldern drangen. Alkoholkonsum galt ihnen als ein zwingend einzudämmendes Risiko für die Allgemeinheit, und im Verkehr galt immer mehr: „Niemand ist sicher“ [5]. Doch es war unklar, wann eine Gefährdung wirklich einsetzte, wie diese nachzuweisen und schließlich zu bekämpfen war. Dass ausgerechnet das Blut in den Fokus der gouvernementalen Führung trat, war dabei keineswegs zufällig.
Blut ist offenbar ein ganz besonderer Saft: Die kulturhistorische Forschung hat es vorwiegend im Zusammenhang von Religion und Opfer, Recht, Genealogie und Geschlecht, der Vergemeinschaftung, der Viersäftelehre sowie einer bis heute breit gelagerten Blutmetaphorik analysiert. [6] Doch genau dieser metaphorische Überschuss geriet durch die Naturwissenschaften unter Druck. Profan wurde es in Heynes Deutschem Wörterbuch 1890 nur mehr als „rote Flüssigkeit in den Adern des tierischen Körpers“ [7] definiert. Blut bestand demnach aus exakt zu ermittelnden materiellen Substanzen, war zugleich Ausdruck für und Indikator der Umweltbedingungen des Menschen. Die 1900 erfolgte Blutgruppeneinteilung und die 1901 entwickelten Methoden, Blutflecken kriminalistisch, also zur Entdeckung von Verbrechen und Verbrechern, zu nutzen, forcierten diese Profanisierung. Auch Hygieniker scheiterten daran, Rassentypologien auf Grundlage der Blutgruppen aufzustellen.
Blut erschien als ein guter Indikator für größere Problemlagen, schien gerade durch den Einsatz naturwissenschaftlicher Wahrheitstechniken geeignet, die Gesellschaft rationaler agieren zu lassen. Für die deutsche Temperenzbewegung bedeutete dies, die methodisch nicht sehr weit entwickelte Blutalkoholbestimmung zu nutzen, um mittels Normwerten zwischen grundsätzlich tolerablem und unmäßigem Alkoholkonsum scheiden zu können. Dies galt insbesondere im Verkehr. Die vornehmlich von Medizinern, Theologen und Staatsbediensteten getragene Bewegung zielte anfangs vornehmlich auf einen alkoholfreien Dienst des Eisenbahnpersonals. [8] Nach der Jahrhundertwende traten jedoch die Automobile in den Vordergrund. Chauffeure, dann auch Privatleute, sollten „sich 24 Stunden vor Beginn der Fahrt sowie während der ganzen Dauer der Fahrt einschließlich der Fahrtpausen jeden Genusses geistiger Getränke enthalten.“ [9] Diese Agitation verpuffte bis weit in die 1920er Jahre hinein jedoch relativ wirkungslos. [10] Trunkenheit am Steuer wurde in Deutschland erst einmal kein Straftatbestand.
Anders agierten dagegen die skandinavischen Länder, deren seit langem restriktive Alkoholpolitik sich auch auf die sich neu konstituierende Verkehrspolitik auswirkte. 1921 führte Dänemark erste Strafbestimmungen ein, Norwegen und Schweden folgten. [11] Das entscheidende Problem aber blieb, Fahrunfähigkeit zu definieren und zu objektivieren. Die medizinischen Untersuchungen galten allgemeinen Körperindikatoren und stellten äußere Eindrücke, wie Sprach- und Gehfähigkeit, zusammen. Auch psychologische Tests griffen nur bei akuten Rauschzuständen. Derartige qualitativ-beschreibende Verfahren verbreiteten sich seit den späten 1920er Jahren dennoch auch in Deutschland. [12] Doch vor Gericht waren gerade geringe Beeinträchtigungen kaum kausal nachweisbar. Die „Forderung nach einem naturwissenschaftlich fundierten Urteil“ [13] war seit Ende der 1920er Jahre daher allseits vernehmbar.

Alternative zur Blutprobe: Demonstration eines Untersuchungsgerätes der Atemluft in Chicago 1932 (Zeitschrift für Ärztliche Fortbildung 29, 1932, 680)
Medizin und Gerichtsmedizin boten damals eine breite Palette von Untersuchungstechniken auf, um die Trunkenheit des Einzelnen präzise zu bestimmen. Alkohol wurde in der Atemluft und im Urin geprüft [14], doch schon vor dem Ersten Weltkrieg galt das Blut als analytisch bester Indikator für den Alkoholkonsum. [15] Die Nachweisverfahren waren jedoch „schwierig und kostspielig“ [16], äußerst fehleranfällig und erforderten zudem beträchtliche Mengen Blut. Die Blutanalyse setzte sich daher zwar bei Obduktionen durch, nicht aber bei Lebenden. Es fehlte an „Genauigkeit, Einfachheit und Kürze“ [17].

Erik M.P. Widmark und sein Hauptwerk (Datei 708-2583_midicinhistoriskasyd.se)
Genau dieses änderte sich spätestens 1932, als der schwedische Biochemiker Erik Widmark [18] die Ergebnisse seiner mehr als fünfzehn Jahre währenden Versuche in einer auf Deutsch erschienenen Monographie vorlegte. [19] In mehr als tausend Einzeluntersuchungen hatte er die Absorption, Resorption und Diffusion von Alkohol im menschlichen Körper untersucht, die kausalen Zusammenhänge in mathematischen Formeln gebündelt und zudem ein praktikables Untersuchungsverfahren entwickelt, das in Skandinavien und im Deutschen Reich rasch adaptiert wurde.
Widmark gelang es erstens, die Menge des erforderlichen Blutes auf nur wenige Tropfen zu reduzieren. Dies erlaubte Blutabnahme mittels einfach handhabbarer Kapillare, ferner Blutproben an Fingerspitzen und Ohrläppchen.

Die Entnahme der Blutprobe (Müller-Hess und Wiethold, 1933, 2 (l.); Pawlowski, 1939, 79)
Diese Mikromethode ersetzte zweitens das tradierte Destillieren durch eine standardisierte chemische Reaktion. [20] Das Blut wurde dazu eingetrocknet, die unterschiedlichen Diffusionsgeschwindigkeiten der Einzelbestandteile dann zur Alkoholbestimmung genutzt. Drittens erlaubten die Widmark-Formeln den Blutgehalt des Alkohols auch im Zeitverlauf zu bestimmen. Stunden nach einem Unfall konnte die damalige Promillezahl präzise rekonstruiert werden. Falls Sie übrigens selbst gerade bei dem Wort Promille den Bezug zum Alkohol implizit geknüpft haben, dann wird Ihnen unmittelbar deutlich, wie sehr auch Sie das Denken Widmarks verinnerlicht haben. Das ist Bio-Macht.
Widmarks Arbeiten wurden schon seit den späten 1920er Jahren im Deutschen Reich rezipiert, seine Methode seit 1930 in München, dann auch in Greifswald angewandt. [21] Seit 1932 besuchten wiederholt deutsche Gerichtsmediziner das Widmarksche Laboratorium in Lund. [22]

Gottfried Jungmichel: Gerichtsmediziner, Nationalsozialist, Oberbürgermeister und bis heute Ehrenbürger der Stadt Göttingen (Der Spiegel 1963, Nr. 24 v. 12, Juni, 28)
Einer davon war etwa Gottfried Jungmichel, der sich in der Folgezeit sowohl als einer der profiliertesten Verfechter einer verbesserten Widmarkschen Methode als auch als aktiver Nationalsozialist betätigte. Seit 1936 Leiter des Göttinger Instituts für Gerichtsmedizin, gehörte er 1945 zu den wenigen längerfristig aus dem Hochschuldienst entlassenen Ordinarien. Dass er 1952 dort doch einen neuen Lehrstuhl erhielt, von 1956 bis 1966 FDP-Oberbürgermeister Göttingens war und von 1977 bis zum heutigen Tage Ehrenbürger dieser Stadt ist, sei nur am Rande vermerkt. Jungmichels Arbeiten und eine breite Rezeption der Widmarkschen Monographie [23] führten jedenfalls dazu, dass das Widmark-Verfahren schon 1933 als „jetzt allgemein in Brauch“ [24] galt.
Das war allerdings eine für Übergangsprozesse typische Übertreibung. Das neue Verfahren mochte zwar leichter erlernbar sein, doch nach wie vor dauerte eine Analyse bis zu drei Stunden [25]. Zugleich wurden zahlreiche neue Fehlerquellen offenbar, die das Vertrauen in die Methode vor Gericht mehrfach erschütterten, durch zahlreiche kleinteilige Verbesserungen aber wieder bereinigt werden konnten. [26]

Untersuchungsset für die Blutprobe nach Widmark: Mobiles Komplettset (l.) und Widmark-Kolben (Holzer, 1933, 287 (l.); Gronover, 1935, 36)
Die Blutprobe etablierte sich in den 1930er Jahren zudem nur in wenigen Ländern. Frankreich, Großbritannien und die USA setzten auf andere Verfahren, etwa den in den 1950er Jahren auch in Deutschland genutzten Alcotest auf Basis der Atemluft.
Warum aber setzte sich die Blutprobe in Deutschland durch? Ein zentraler Grund liegt gewiss in den Professionalisierungsbestrebungen der Gerichtsmedizin. [27] Sie war in Deutschland lange Zeit eher randständig gewesen, doch nun sahen ihre Vertreter die Chance, die tradierte Fokussierung auf die „Lehre vom gewaltsamen Tode“ [28] zu durchbrechen. Nun schien es möglich, im „Kampf gegen den Mißbrauch des Alkohols“ „Volksschäden“ zu vermeiden. Widmarks Untersuchungen ermöglichten eine gezielte Biopolitik: „Trunkenheit ist zu messen“ [29] hieß es programmatisch und Widmark selbst verglich sein Verfahren „mit einem Zeugen, an dessen Objektivität nicht gezweifelt werden kann, an dessen Genauigkeit nicht getastet werden kann“ [30]. Angesichts der beträchtlichen Widerstände der klinischen Ärzte, der Chemiker und Psychologen [31], die zuvor allesamt mit Blutproben und Gutachten zur Trunkenheit betraut waren, ist aber vor allem ein Blick auf die spezifisch deutsche Konfiguration erforderlich, nämlich auf den NS-Staat und die dort praktizierte Verkehrs- bzw. Alkohol- und Rassenpolitik.
Die Geburt der deutschen Verkehrsgemeinschaft: Exklusion und Inklusion qua Blut(probe) und Alkohol(konsum)
Die propagandistischen Bilder der NS-Verkehrspolitik spielten mit den Visionen des Autobahnbaus und der nicht zuletzt von Hitler selbst propagierten Automobilisierung der Volksgemeinschaft. Demgegenüber hat die historische Forschung nachgewiesen, dass die Verkehrspolitik uneinheitlich war, die Infrastrukturentwicklung bei Straßenausbau und Verkehrssicherheit vernachlässigt wurde und die ehrgeizigen Ziele des Regimes eines Volkes auf Rädern nicht erreicht wurden. [32] Gleichwohl stieg der Kraftfahrzeugbestand in den 1930er Jahren auf bisher nicht bekannte Größenordnungen.

Kraftfahrzeugbestand im Deutschen Reich 1933-1939 (Hochstetter, 2005, 185)
Den NS-Machthabern gelang es trotz dieser strukturellen Defizite und eines 1933 vielfach verwahrlosten Pkw-Bestandes diese Motorisierung des Straßenverkehrs als Symbol einer technischen Modernisierung und der Modernität des Regimes zu nutzen. [33] Auf der Straße wurden individuelle Freiheit, Beschleunigung und Geschwindigkeit erfahrbar, war der Einzelne Herr über mechanische Kräfte, zugleich aber Teil einer wachsenden Verkehrsgemeinschaft. [34] Doch die Kosten hierfür waren erheblich. Zwischen 1933 und 1938 nahm die Zahl der Unfälle beträchtlich zu, pendelte die Zahl der Verkehrstoten zwischen 6.500 und 8.000 pro Jahr – zum Vergleich: nach deutlich mehr als 19.000 Toten 1970 lag diese Zahl 2023 bei „nur“ mehr 2.839; und das bei einem Kraftfahrzeugbestand von 60,7 Millionen.

Opfer eines alkoholisierten Kraftfahrers: Überfahrener Fußgänger (Buhtz, 1938, 129)
Absolut und relativ stand das Deutsche Reich damals an der Spitze der europäischen Verkehrstotenstatistik. [35] Dieser „Blutzoll“ stand im Mittelpunkt der öffentlichen und auch wissenschaftlichen Debatten und wurde zunehmend mit dem Alkohol am Steuer in Verbindung gebracht. Betrachtet man den absoluten Alkoholkonsum, war das erst einmal verwunderlich.

Alkoholkonsum in Deutschland 1888-1990 (Tappe, 1995, 225)
1932 war der Alkoholkonsum in Deutschland auf einem Jahrhunderttief angelangt, lag bei weniger als einem Drittel des heutigen Durchschnitts. Die zeitgenössische Wahrnehmung aber konzentrierte sich damals auf den mehr als fünfzigprozentigen Konsumanstieg von 1932 bis 1939. [36] Die steigende Zahl von Verkehrstoten und der Alkoholkonsum wurden ein sich selbst stabilisierendes Dispositiv. Angesichts einschlägiger Einzelfälle schien eine präzise statistische Analyse kaum erforderlich, war aber auch kaum möglich. Erst im August 1935 wurde eine Reichsunfallstatistik eingeführt, seit 1936 musste der Alkoholstatus der Unfallbeteiligten mit angegeben werden. Etwa ein Siebtel der Unfälle waren demnach alkoholbedingt, der Anteil bei Todesfällen lag allerdings deutlich darüber. Inklusive der Dunkelziffern gingen die Gerichtsmediziner von 30 bis 40 Prozent aus. Mochte angesichts der breit gefassten Verkehrsbegeisterung eine gewisse Opferziffer gesellschaftlich akzeptabel sein, so galt dies nicht für Alkoholopfer: Hierbei handelte es sich nach Expertenansicht um „Verkehrsunfälle, die unbedingt vermieden werden können.“ [37] Staatliches Handeln schien daher unverzichtbar, und die Blutprobe ermöglichte eine glaubwürdige Biopolitik.
Seit 1932 nahm die Gesetzgebungsmaschinerie rasch Fahrt auf. Die Kfz-Verkehrsordnung vom Mai 1932 definierte erstmals Ausschlusskriterien: „Wer unter der Wirkung von geistigen Getränken oder Rauschgiften steht und infolgedessen zur sicheren Führung nicht imstande ist, darf ein Kraftfahrzeug nicht führen.“ [38] Was die für das spätere NS-System so typischen Generalklauseln wie „Wirkung“ und „sichere Führung“ dann substanziell enthielten, musste jedoch durch objektivierende Verfahren erst definiert werden. Einen Automatismus hin zu einer allseits verbindlichen Blutalkoholkontrolle gab es sicher nicht. Schließlich widersprach sie zwei grundlegenden Rechtsprinzipien, nämlich der körperlichen Unversehrtheit der Verkehrsteilnehmer und der ärztlichen Schweigepflicht. Beide wurden 1933 durch Selbstgleichschaltung der Ärzteschaft und neue Rechtsnormen geschliffen. Die neue Strafprozessordnung von November 1933 erlaubte erstmals, Blutproben auch gegen den Willen der Beteiligten zu entnehmen. Die Reichsstraßenverkehrsordnung vom Mai 1934 enthielt diesen Passus nicht, doch erlaubte sie erstmals, den Führerschein bei Fahren unter erheblicher Alkoholwirkung einzuziehen. In den Folgejahren galt das für fast die Hälfte aller einschlägigen Sanktionen, parallel verschärften die Strafgerichte ihre Urteilspraxis. [39] All diese Maßnahmen finden sich ähnlich jedoch auch in anderen europäischen Staaten. Nach wie vor galt vornehmlich Skandinavien als der Hort einer konsequenten Verkehrssicherheitspolitik.
Doch spätestens seit 1935 wurden die deutschen Regelwerke erstens weiter verschärft, zweitens aber in einen unmittelbar rassenideologischen Kontext eingebettet. Seit Mai 1935 galt Alkoholkonsum am Steuer erstmals als „geistiger Mangel“, nicht länger nur als individuelle Abweichung. [40] Parallel zur Verreichlichung der Polizeigewalt schuf seit 1936 insbesondere Heinrich Himmler – ein überzeugter Abstinenzler – als Chef der Deutschen Polizei auf dem Verordnungswege Fakten. [41]

Völkisches Bekenntnis zur Abstinenz: Reichsinnenminister Heinrich Himmler (Auf der Wacht 55, 1938, 28)
Im September 1936 wurde die Widmarksche Blutprobe bei Trunkenheit am Steuer für die Staatspolizei obligatorisch. Zahlreiche alkoholbedingte Todesfälle um Pfingsten 1937 gaben den Anlass dazu, Trunkenheit im Verkehr zu einem eigenen Straftatbestand zu machen: „In Zukunft werden alle Schuldigen an Verkehrsunfällen, bei denen übermäßiger Alkoholgenuß durch die polizeiliche Blutuntersuchung festgestellt wird, sofort verhaftet und bleiben bis zur gerichtlichen Verhandlung in Haft. Da es nicht zu verantworten ist, daß weiterhin durch die Zügellosigkeit und den Leichtsinn einzelner Leben und Gesundheit der Allgemeinheit gefährdet wird, wird Trunkenheit am Steuer und im Straßenverkehr fortan als kriminelles Verbrechen angesehen und behandelt.“ [42] Zehn Tage später dehnte Himmler dies auf alle Unfallbeteiligten aus, im Juni 1937 ordnete er dann die öffentliche Publikation von Namen und Adresse betrunkener Unfallverursacher an. [43] Noch stärker wurden die Zügel innerhalb der NS-Bewegung angezogen, konnten Unfallverursacher doch zudem aus den Parteiorganisationen ausgeschlossen werden. Gerade innerhalb der SS propagierte Himmler ein Regime reflektierter Nüchternheit, um so den Vorbildcharakter des politischen Ordens zu unterstreichen. Für gestrauchelte SS-Männer ließ er jedoch zugleich im Konzentrationslager Buchenwald ein eigenes Trinkerlager einrichten. Und für den Dienst dieser Männerbünde galt realiter meist, dass Alkohol erst im Falle von Unfällen zum Problem wurde. Dann aber wurde auch normgemäß mit Härte vorgegangen.

Wachsender Kontrolldruck: Blutproben im Stadtkrankenhaus Berlin 1934-1938 (Pawlowski, 1939, 77)
Die neuen Rechtsnormen ließen den Kontrolldruck insgesamt deutlich anwachsen. Diese Verschärfung ist umso bemerkenswerter, da insgesamt die Beschränkungen des Straßenverkehrs abgebaut wurden, deutlich etwa an der Aufhebung aller Geschwindigkeitsbeschränkungen 1934. Die Einstellung zur Motorisierung erhielt zugleich eine offenkundig rassenideologische Dimension. Dazu müssen wir uns nochmals mit dem schillernden Begriff des Blutes auseinandersetzen.
Blut galt im NS-Regime gemeinhin als Synonym für Rasse und als Symbol einer bestimmten Vergemeinschaftung. [44] In den Grundwerken der NS-Größen waren beide Bedeutungsebenen präsent, etwa, wenn Hitler über die „Blutvermengung des Ariers“, rassische „Blutvergiftung“, Herrenblut oder die „Reinhaltung“ des Blutes phantasierte. [45] Der tumbe Unsinn solcher Begriffe war durch Anthropologie und Biochemie gleichermaßen bestätigt worden [46], die Konsequenz waren inhaltsleerer Schwulst – so etwa bei Otto Bangert oder Alfred Rosenberg [47] – und beträchtliche Definitionsprobleme – so etwa beim Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre von 1935. Wer vom Blute schwelgte, wollte erst einmal nichts hören von wissenschaftlicher Analytik und differenzierender Kritik. Ernst Jünger betonte etwa schon 1926: „Das Blut ist der Brennstoff, den die metaphysische Flamme des Schicksals verbrennt. Was es sonst noch ist, wie seine Körperchen aussehen und wie sie chemisch reagieren, das ist für uns ohne Belang. Darüber mögen sich die Männer hinter den Mikroskopen auseinandersetzen. Mit solchen Fragen füllt der Geist Bücher, aber nicht das Leben den Schicksalsraum.“ [48] Blut stand hier für eine „Wahrheit“ eigener Qualität, stand für einen Ganzheitsmythos, der sich vorrangig im Ausschluss spezifisch definierter Andersartiger manifestierte. Für die Judendiskriminierung, -verfolgung und -vernichtung haben dies etwa Alexandra Przyrembel oder Beate Meyer an den Beispielen von „Rassenschande“ und „jüdischen Mischlingen“ analysiert. [49]

„Blutvermischung“ und „Rassenschande“ in der populären Belletristik bzw. als nationalsozialistischer Wandspruch (Dinter, 1917, I (l.); Neues Volk 5, 1937, H. 6, 4)
Doch die hierin zu Tage tretende Wissenschaftsferne war nicht charakteristisch für zahlreiche alltägliche Varianten der Biopolitik. Die chemische Analyse des Blutes im Widmarkverfahren vermochte schließlich auch Wahrheit hervorzubringen, konnte sie im Kontext bestehender Gesetze und Ideologien doch scheinbar sicher zwischen jenen scheiden, die im Sinne der deutschen Verkehrsgemeinschaft handelten und denen, die ihre eigenen Bedürfnisse höher achteten bzw. aufgrund ihrer Erbanlagen keine andere Wahl treffen konnten. Mochte der chemische Analysetisch der Gerichtsmediziner auch ideologisch indifferent sein, in der spezifischen Konfiguration von NS-Verkehrspolitik, Rassenideologie und den fast sämtlich der NSDAP angehörenden Gerichtsmedizinern, war die Blutprobe Teil und Ausdruck einer spezifisch nationalsozialistischen Gouvernementalität.
Der Verkehrsteilnehmer im Fokus der nationalsozialistischen Gouvernementalität
Um diese innere Verbindung von Wissen, Macht und schließlich Subjektivierung angemessen zu verstehen, ist ihre Binnenlogik, ihre – im Foucaultschen Sinne – Ökonomik in den Blick zu nehmen. Alkoholkonsum war erst einmal ein Verlust von – im Wortsinne – volkswirtschaftlichen Werten.

Unproduktive Ausgaben: Plakat zur Gesundheitsaufklärung (Neuland 43, 1934, 141)
In der Öffentlichkeit war von jährlich einer Milliarde Reichsmark die Rede, die „der produktiven Volkswirtschaft verloren“ [50] gehe. Der Kampf gegen den Alkohol am Steuer wurde als Kampf um die materiellen und ideellen Grundlagen der Volksgemeinschaft und ihrer expansiven Dynamik verstanden. Es ging zudem um den völkischen Grundbestand, um den Schutz vermeintlich reinen Blutes, denn, es „werden wertvollste Menschenleben regimenterweise vernichtet in einem völkischen Selbstbehauptungskampf, in dem jeder einzelne unersetzlich ist.“ [51]
Derartige Überlegungen wurzelten in den Degenerationsvorstellungen, die in Hygiene und Eugenik seit der Jahrhundertwende popularisiert wurden. Doch nicht allein rassenhygienische Vorstellungen griffen hier. Vielmehr vermengten sie sich mit bis heute praktizierten Simulationstechniken der Psychotechnik bzw. der Arbeitsphysiologie.

Simulationstechniken: Reaktionstest am Dortmunder Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie 1932 (Graf, 1932, 175)
Sie sehen oben etwa einen Probanden bei einem Reaktionstest, unten einen beim Ringtest, mit dem motorische Fähigkeiten bei Trunkenheit erkundet wurden. [52]

Psychotechnische Versuche zur Alkoholwirkung in Göttingen 1938 – Aufstecken von Ringen (Danger, 1938, 7 (l.), 10)
Einschlägige Versuche wurden in den 1930er Jahren wieder und wieder durchgeführt, um die Leistungsfähigkeit spezifisch definierter Gruppen genauer auszuloten. [53] Autofahren galt als „Arbeit mit einer gewissen geistigen Konzentration“ [54]. In der Wehrmacht, genauer in der Militärärztlichen Akademie, konzentrierte man sich seit 1937 auf Marsch- und Schießleistungen, die Reaktionsfähigkeit, das Wärmegefühl sowie die sog. „Giftfestigkeit“ der Krieger. [55] Als Resultat galt während des Dienstes ein striktes Alkoholverbot für Fahrer und „Selbstdisziplin bis zum Aeußersten!“ [56]. Steuerung und Optimierung des Mängelwesens Mensch im Sinne nationalsozialistischer Ziele standen dabei im Mittelpunkt, einschlägige Forschungen an Rauschverhütungs- und Ernüchterungsmitteln verdeutlichen dies. [57]
Diese Simulationstechniken belegten, dass Alkohol am Steuer eingeschränkte Reaktionszeiten, verringerte Konzentrationsfähigkeit, motorische Störungen und Sinnesbeeinträchtigungen verursachte.

Alkohol als Koordinierungsgift: Lehrtafel des Reichsausschusses für Volkgesundheitsdienst (Ludorff, 1942, 293)
Parallel wurden die Grenzwerte einer erheblichen Verkehrsgefährdung, die Widmark noch bei 1,6 Promille vermutet hatte, in den 1930er Jahren erheblich reduziert. Die Gerichtsmediziner, die nicht nur die meisten Analysen durchführten, sondern ebenso die Forschung dominierten, erklärten Fahrer mit Blutalkoholwerten zwischen 0,7 und 0,9 Promille Ende der 1930er Jahre als grundsätzlich fahrunfähig. [58] Die Festschreibung der Grenzwerte verstärkte einerseits die Tendenz zu einer strikten Strafpraxis, auch wenn aufgrund verschiedener Sicherheitsmargen und der individuell nach wie vor variierenden Alkoholwirkung erst ab 1,3 Promille quasi automatisch abgeurteilt wurde.
Anderseits aber stellte der Diskurs einseitig auf den trunksüchtigen Fahrer ab, während die zahlreichen anderen unfallrelevanten Faktoren meist ausgeblendet wurden. Nicht passive und aktive Verkehrssicherheit, nicht Defizite von Autos, Straßen, Verkehrszeichen und Beleuchtung standen zur Debatte, sondern die Denunziation, Bestrafung und Erziehung betrunkener Verkehrsteilnehmer: [59] Aufgrund der volkswirtschaftlichen und volksbiologischen Schäden erschienen Eingriffe in die Freiheit des Einzelnen daher unabdingbar, wollte man die Leistungsfähigkeit des Volkes steigern.

Mäßigkeit als Arbeit für die Volksgemeinschaft: Plakat 1939 (Neuland 48, 1939, 235)
Derartige Zielsetzungen hatte der Einzelne zu verinnerlichen. „Freiheit, die dem Einzelnen erlaubt, zu tun, was er will, kennt das neue Deutschland nicht mehr.“ [60] Die Blutprobe erlaubte, zwischen Volksgenossen und Gemeinschaftsfremden zu unterscheiden. [61] Vor dem Hintergrund einer rassenhygienisch begründeten Kriminalisierung des Alkoholismus hatten betrunkene Unfallverursacher nicht nur Geld-, Haft- und selbst Todesstrafen zu erwarten, vielmehr erlaubten die 1933 erlassenen Gesetze gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher bzw. zur Verhütung erbkranken Nachwuchses auch eugenische Maßnahmen, etwa die Sterilisation. [62] Die Verkehrsgemeinschaft zielte auf rücksichtsvoll agierende Fahrer, deutlich ersichtlich im bis heute grundsätzlich geltenden Paragraph 1 der Straßenverkehrsordnung, nach der jeder sich so zu verhalten habe, das er den Verkehr nicht gefährde und sein Verhalten keinen anderen schädige oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindere oder belästige. Im Rahmen nationalsozialistischer Gouvernementalität erlaubten derartige Generalklauseln umfassende Ausgrenzungen: „Wir haben im deutschen Volk nach Schätzungen der Fachleute etwa 6 Millionen Menschen, die wir zu den Psychopathen, Neuropathen, Erregbaren, Asozialen und Antisozialen rechnen müssen. […] Sie sind heute auch Kraftfahrer, Radfahrer, Fußgänger. Für viele dieser Leute ist ein Glas Bier oft verhängnisvoller als für einen Gesunden mehrere Gläser. Sie gehören als Konstitutionstypen zu den unsichtbaren Ursachen der Unfälle.“ [63] Kampf dem Verkehrstod meinte immer auch Kampf für eine leistungsfähige, rassisch und charakterlich einwandfreie deutsche Verkehrs- und Volksgemeinschaft. Mochte die Blutprobe auch wissenschaftlich „objektiv“ sein, im Kontext der nationalsozialistischen Gouvernementalität diente sie den Zielen eines ausgrenzenden und tendenziell eliminatorischen Rassismus.
Die Praxis der Biopolitik
Blicken wir abschließend auf Techniken der Subjektivierung. Die Praxis der Biopolitik angesichts von Trunkenheit am Steuer griff spätestens seit 1937 auf repressive Maßnahmen zurück, die etwa durch die seit 1935 verstärkt einsetzende Zurschaustellung von sogenannten „Rassenschändern“ [64] eingeübt wurden: die Anprangerung von Straftat und Straftätern.

Betrunkene als Volksfeinde: Plakat für Abstinenz im Berufsverkehr und Schaustellung eines Unfallwagens in Halle a.S. 1938 (Der Kämpfer 1935, Nr. 2, 1 (l.); Neuland 47, 1938, 354)
Dabei blieb die Anprangerung jedoch auf Objekte – oben ein Unfallfahrzeug inmitten von Halle – bzw. auf zuerst Namen und Adresse, dann vielfach auf Fotos der einschlägig straffällig gewordenen Verkehrsteilnehmer beschränkt. [65] Wiederholt wurden 1939 Presseberichte lanciert, nach denen betrunkene Unfallverursacher nicht nur in Haft genommen, sondern gleich ins Konzentrationslager verschickt wurden. [66] Für die große Mehrzahl der Gerichtsmediziner und staatlich Verantwortlichen war dies zwingende Notwehr, da die Gesetze der Verkehrsgemeinschaft verteidigt werden mussten. Es galt, „die Gesamtheit unserer Nation vor den wilden Uebergriffen einzelner Egoisten zu befreien“ [67]. Diese Härte sollte nach der Vorstellung der Temperenzbewegung und der vielfach für ein völliges Alkoholverbot im Straßenverkehr eintretenden Gerichtsmediziner auch für die Interessenvertreter der Automobilisten gelten.

Inkriminierte Indifferenz gegenüber Alkohol am Steuer: ADAC-Aktivitäten in der Kritik (Neuland 46, 1937, 29 (l.); Der Kämpfer 1935, Nr. 2, 2)
Derartige Zeugnisse verwiesen nicht nur auf Interessenunterschiede im polykratischen NS-System. Die neuen Institutionen, Verfahren, Analysen und Reflexionen, Berechnungen und Taktiken im Umgang mit der Trunkenheit am Steuer dienten im Sinne nationalsozialistischer Gouvernementalität immer auch der Ausbildung einer spezifisch völkischen Subjektivität, die von der Mehrzahl der Bevölkerung auch grundsätzlich praktiziert wurde: Der Einzelne konnte wählen, wie er sich den Vorgaben gegenüber verhielt, wurde durch begrenzte Wahlfreiheit durchaus als selbstverantwortliches Subjekt definiert. Diese Freiheit war Teil eines spezifisch nationalsozialistischen Erziehungsprojektes, das sich des neuen Wissens um den Blutalkohol bediente, um gemeinschaftskonformes Handeln und Denken zu produzieren. Temperenzbewegung und auch staatliche Stellen hatten während der Weimarer Republik nur allgemein auf die Gefahren des Alkohols am Steuer verwiesen.

Verhaltene öffentliche Hinweise: Straßenplakat der Deutschen Guttempler in Bremen 1930 (Neuland 39, 1930, Sp. 621-622)
Sie sehen dafür oben ein recht typisches Beispiel. Die Aufklärungsmedien und -kampagnen der NS-Institutionen waren dagegen nicht nur strikter, sondern knüpften Verhaltenserwartungen stetig an das überlegene Wissen der Physiologie und Gerichtsmedizin.

Aufklärung über die Wirkungen von Alkohol am Steuer: Plakat 1935 (Neuland 44, 1935, 66)
Die nationalsozialistische Gouvernementalität bemühte sich um wissenschaftlich unterfütterte Argumente und versuchte dadurch rechtskonformes Handeln und Denken herbeizuführen. Es galt, selbstgeleitete Mechanismen der Sicherheit zu entwickeln, um so Verkehrsgeschehen und völkische Gemeinschaft stabilisierten. Die Blutprobe selbst konnte dabei durchaus auch der Entlastung Beschuldigter dienen.

Nationale Aufladung: Der deutsche Fahrzeugführer trinkt nicht! (Neuland 45, 1936, 59)
Obwohl moderne Marketingmethoden bekannt waren und praktiziert wurden, lehnten die in das NS-Gesundheitssystem integrierten Temperenzvereine sowie die Reichsstelle für die Sucht- und Rauschgiftbekämpfung ein allzu drastisches Death-Marketing, wie es beispielsweise in den USA nicht unüblich war, als „undeutsch“ ab.

„Undeutsche“ Schockwerbung gegen Alkohol am Steuer in den USA (Neuland 48, 1939, 62)
Deutsche Aufklärungsbestrebungen banden die Information demgegenüber immer wieder an unmittelbar politische Bezüge, insbesondere die Imperative der NS-Verkehrspolitik. Zugleich wurden Botschaften von Mäßigung und Nüchternheit mit volksbiologischen Verpflichtungen des Einzelnen angesichts des sog. „Rassengiftes“ Alkohol gekoppelt.

„Rassegift“ Alkohol: Plakat 1934 (Neuland 43, 1934, 67)
Die nationalsozialistische Gouvernementalität zielte auf ein bewusstes und überzeugtes Gehorchen, ließ eine gewisse Widerspenstigkeit aber durchaus zu. Der Anspruch des Staates auf Biopolitik zur Unfallprävention stand auch dadurch nie in Frage. [68]

Neue Verkehrswege, neue Normvorgaben und neue Chancen zum Gehorsam (Ludorff, 1942, 295)
Festzuhalten bleibt allerdings auch, dass die anvisierte Nüchternheit im Verkehr nicht erreicht, dass bestenfalls eine Stabilisierung auf hohem Niveau bewirkt wurde. Trotz des Verweises auf wissenschaftliches Wissen und ihre Objektivierungsverfahren blieb die Akzeptanz der Blutprobe begrenzt. Gerichtsmediziner klagten über die Ignoranz der Massen: „Wohl kein Thema ist in den letzten Jahren in den Laienkreisen so viel erörtert worden, wie das Thema ‚Alkohol und Alkoholunfall‘, und über nichts sind mehr widersprechendere Meinungen abgegeben worden, als hierüber.“ [69] Geradezu empört hieß es: „Gegen die Blutentnahme wurde von allen Seiten Sturm gelaufen. Sie wurde als ein lebensgefährlicher Eingriff bezeichnet“.
Zum eigentlichen Kampffeld zwischen gouvernementaler Führung und trinkfreudigen Alkoholfahrern entwickelten sich einerseits der Markt, anderseits die Gerichte. Seit 1936 nahmen die Angebote von und die Nachfrage nach sog. Ernüchterungsmitteln beträchtlich zu, ohne dass derartige Ausweichhandlungen aber zu größeren Erfolgen führten. [70] Vor Gericht wurde dagegen immer wieder die Frage individueller Besonderheiten und Abweichungen verhandelt, die durch die Blutprobe und die damit verbundenen Normsetzungen grundsätzlich unterbunden werden sollte. [71] Die auch innerhalb der Gerichtsmedizin, insbesondere aber zwischen den verschiedenen Lebenswissenschaften bestehenden Interpretationsunterschiede führten zu einem regen Gutachterwesen, das gute Nebeneinkünfte garantierte. [72] Die gouvernementale Führung konnte dadurch jedoch nicht wirklich beeinträchtigt werden. Im Gegenteil: Im Rahmen der Wehrmacht und der Besatzungspolitik weitete sich das deutsche System während des Zweiten Weltkrieges über weite Teile Europas aus, während die gerichtsmedizinische Kontrolle von Verkehrsunfällen in der Blutalkoholuntersuchungsstelle der Berliner Militärärztlichen Akademie zentralisiert wurde. [73]
Zusammenfassung und Ausblick
Lassen Sie mich abschließend auf meine fünf Ausgangsfragen zurückkommen und sie beantworten.
Erstens: Die Verbindung von Blut und Alkohol wurde innerhalb der frühen Physiologie und Biomedizin ausgetestet, und als ein möglicher Indikator für Grade der Gefährdung durch zivilgesellschaftliche Akteure, durch Kraftfahrer, propagiert. Die staatlichen Instanzen zögerten lange, und griffen erst zu als die Widmarksche Blutprobe offenbar verlässliche Resultate erbrachte. Die Profanisierung des Blutes durch die Naturwissenschaft war weniger bedeutsam als der gemeinsame Fluchtpunkt einer im Blute liegenden Wahrheit über den Alkoholkonsum und auch den Trinkenden.
Zweitens: Die Blutprobe setzte sich in Deutschland durch, als die Methode elaboriert war, als die rechtsstaatlichen Widerstände gebrochen waren, die neue auf Automobilisierung setzende Verkehrspolitik eine Hege des deutschen Menschen erforderlicher machte und mit dem Begriff der Verkehrsgemeinschaft eine neue Forderungsmentalität etabliert worden war. Sie war zugleich funktional für die in sich heterogene NS-Verkehrspolitik, da nicht die Defizite der Infrastrukturmaßnahmen oder der Sicherheitstechnik im Mittelpunkt standen, sondern vielmehr der trunksüchtige Verkehrsteilnehmer. Qualitativ-individualisierende Verfahren traten gegenüber der messenden Quantifizierung in den Hintergrund.
Drittens: Führende Gerichtsmediziner bestätigten die Aussagekraft der Wahrheitstechnik Blutprobe. Als Herren des Verfahrens profitierte die relativ kleine Profession von der zunehmend obligatorischen neuen Objektivierungstechnik – und als Ergebnis lässt sich eine weit überdurchschnittliche Loyalität gegenüber und Identifikation mit Staat und NSDAP ausmachen. Sie wandten das neue Wissen im Sinne der gouvernementalen Führung an, differenzierten und verbesserten es, arbeiteten so – wissend um die rassenideologischen Implikationen – dem Führer entgegen.
Viertens: Die Geschichte der Blutprobe zeigt, dass ein Blick auf analytisch isolierte Techniken nicht ausreicht, um ihre Affinität zu bestimmten Formen gouvernementaler Führung nachzuweisen. Die Blutprobe war während des Nationalsozialismus Ausdruck der NS-Ideologie, erlaubte sie doch Biopolitik im Sinne des Regimes. In den 1950er und 1960er Jahren, als Hunderttausende von Führerscheinen eingezogen wurden, Trunkenheit am Steuer das zweithäufigste Strafdelikt war und zehntausende in die Gefängnisse wanderten, ohne dass dadurch der Anstieg der getöteten Verkehrsopfer auf fast 20.000 pro Jahr gebrochen werden konnte, verhinderte die damit verbundene Fokussierung auf den Promillewert eine differenzierte Einzelfallbewertung und förderte die Vernachlässigung moderner Sicherheitstechnik und neuer Ansätze der Rechtspflege. Gleichwohl entsprach und entspricht ihr Einsatz den Ansprüchen an „Objektivierbarkeit“ im demokratischen Rechtsstaat, gilt sie bis heute zu Recht „als wertvolles Beweismittel mit hoher Aussagekraft“ [74]. Der zeithistorische Kontext ist vielfach wichtiger als die Wahrheitstechnik selbst.
Fünftens: Auch die allgemeine NS-Forschung kann an diese Fallstudie vielfach anknüpfen:
Die Einführung der Blutprobe war Teil und Ausdruck eines gouvernementalen Erziehungs- und Subjektivierungsprozesses, der auf rassistisch gebrochene Argumente und Gemeinwohlorientierung setzte. Der „Volksstaat“ gründete nicht vorrangig auf Bestechung und materielle Vorteile, sondern auf Subjektivierungsprozessen, deren Chance für Gehorsam die Mehrzahl der Deutschen aufgriff. Dies erlaubt differenzierte Aussagen zur Frage der Ursachen für die Loyalität zum Regime.
Die Blutprobe wurde vorrangig auf die „deutsche“ Gesellschaft angewandt und lässt die Unbedingtheit in der Anwendung eines Reinheitsmythos auch abseits der Verfolgung „undeutscher“ Minderheiten aufscheinen. Ausgrenzungs- und Reinigungsmechanismen griffen tiefer und weiter als dies in vielen Studien und Handbüchern mit ihrer Fokussierung auf Judenverfolgung, Judenmord und die Kriegszeit aufscheint.
Das schillernde Konzept polykratischer Herrschaft sollte vor dem Hintergrund einschlägiger Studien insbesondere um Wissensakteure ergänzt werden. Die in der Forschung gängige gesonderte Analyse staatlicher, staatlich-wirtschaftlicher und wissenschaftsimmanenter Interessenlagen greift häufig zu kurz und könnte ertragreich durch Studien ergänzt werden, in denen die Konfigurationen zwischen Regierung, Wissen, Ökonomie und Subjektivierung genauer ausgelotet werden. Dies betrifft auch die Ausdifferenzierung nicht sehr trennscharfer Typologien, wie etwa der Fraenkelschen Unterscheidung von Ordnungs- und Maßnahmenstaat.
Die Foucaultsche Gouvernementalitätsthese erlaubt letztlich eine spannende vergleichende Perspektive zwischen nationalsozialistischen und anderen Formen gouvernementaler Führung. Dies gilt sowohl für die Vorläufer als auch die vielen Kontinuitäten des NS-Regimes, die wir so gerne ausblenden, die wir im Regelfall aber auch weder kennen, noch kennen wollen. Der Schlagschatten des Nationalsozialismus ist allseits sichtbar – doch es ist zugleich der Schlagschatten einer modernen Biopolitik, die unseren Alltag allseits durchzieht.
Uwe Spiekermann, 30. November 2024
Quellen- und Literaturhinweise
[1] Michel Foucault, Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft, Frankfurt a.M. 1973; Ders., Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt a.M. 1977.
[2] Martin Saar, Macht, Staat, Subjektivität. Foucaults Geschichte der Gouvernementalität im Werkkontext, in: Jürgen Martschukat (Hg.), Geschichte schreiben mit Foucault, Frankfurt a.M. und New York 2002, 23-45, hier 30.
[3] Michel Foucault Die „Gouvernementalität“ (Vortrag), in: Ders., Schriften in vier Bänden. Dits et Ecrits, Bd. III: 1976-1979, hg. v. Daniel Defert u. Francois Ewald, Frankfurt a.M. 2003, 796-823, insb. 820.
[4] Vgl. Susanne Krasman, Gouvernementalität: Zur Kontinuität der Foucaultschen Analytik der Oberfläche, in: Martschukat (Hg.), 2002, 79-94, hier 88.
[5] Klaus Richter, Motorisierung und Trinksitten, Berlin o.J., 21.
[6] Vgl. etwa BRAUN, Christina v. Christina und Christoph Wulf (Hg.), Mythen des Blutes, Frankfurt a.M. und New York 2007.
[7] Moriz Heyne, Deutsches Wörterbuch, Bd. 1, Leipzig 1890.
[8] Vgl. etwa [Otto] de Terra, Bekämpfung der Trunksucht durch die Eisenbahnverwaltung, Der Arbeiterfreund 35, 1897, 381-383; Ders., Alkohol und Verkehrssicherheit, Deutsche Monatsschrift für das gesamte Leben der Gegenwart 9, 1905/06, 663-670. Anlass waren meist Unfälle, verursacht durch Alkoholkonsum der Schrankenwärter und des Fahrpersonals. Vgl. als Einblick in die reichhaltige Publizistik Paul Schenk, Die Alkoholfrage. 1. Halbjahr 1906, Aerztliche Sachverständigen-Zeitung 12, 1906, 264-268, hier 268.
[9] Automobil und Alkohol, Zeitschrift für Socialwissenschaft 10, 1907, 253.
[10] Automobil und Alkohol, Mäßigkeits-Blätter 26, 1909, 17-21.
[11] J. Fog, Die ärztliche Untersuchung betrunkener Kraftwagenführer. (Ergebnisse aus 1000 Untersuchungen für die Kopenhagener Polizei.), Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 17, 1931, 73-88, v. a. 73-76.
[12] Paul Camerer, Die Bedeutung der Blutuntersuchung zur Feststellung von Alkoholeinwirkung in polizeilichen und gerichtlichen Fällen, insbesondere bei Kraftfahrzeugunfällen und die Eignung der Blutalkoholbestimmung nach Widmark, Zeitschrift für Medizinalbeamte 46, 1933, 194-201, hier 195.
[13] Fritz Schwarz, Der Alkoholnachweis in der forensischen Praxis unter besonderer Berücksichtigung der Technik, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 10, 1927, 377-407, hier 377.
[14] Vgl. etwa Godfrey Carter, Alcohol and the motorist. Alcoholic concentration in urine as a test of intoxication, British Medical Journal 1927, Nr. 3477, 333-335.
[15] Einen Überblick insbesondere über das Niclouxsche Verfahren bei Waldemar Schweisheimer, Der Alkoholgehalt des Blutes unter verschiedenen Bedingungen, Med. Diss. München, Leipzig 1913. Vgl. auch H. Kionka, Der Alkoholgehalt des menschlichen Blutes, Jena 1927; Erich Aue, Der Alkoholspiegel im Blut unter verschiedenen Bedingungen, Jena 1938.
[16] Müller-Hess und Wiethold, Ueber die Widmarksche Methode der Alkoholbestimmung im Blut und ihre praktische Bedeutung für die Kriminalpolizei, Kriminalistische Monatshefte 7, 1933, 1-5, 27-32, hier 2.
[17] R.M. Mayer, Zur Methodik der Alkoholbestimmung, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 18, 1932, 638-646, hier 639.
[18] Zur Person vgl. R.C. Baselt, Introduction. Erik Matteo Prochet Widmark 1889-1945, in: E.M.P. Widmark, Principles and Applications of Medicolegal Alcohol Determination, Davis 1981, V-VIII; Rune Andréasson und A. Wayne Jones, The Life and Work of Erik M.P. Widmark, American Journal of Forensic Medicine and Pathology 17, 1996, 177-190.
[19] E[rik] M.P. Widmark, Die theoretischen Grundlagen und die praktische Verwendbarkeit der gerichtlich-medizinischen Alkoholbestimmung, Berlin und Wien 1932.
[20] Zur Methode vgl. aus der Fülle der Literatur Robert Kriebs, Der Nachweis von Alkohol im Blut nach Widmark und seine Bedeutung für die gerichtliche Beurteilung von Verkehrsunfällen, Berlin-Dahlem 1934; Friedrich Masius, Ueber die Widmark’sche Blutprobe auf Alkohol. Eine experimentelle Nachprüfung auf Genauigkeit und praktische Verwendbarkeit des Verfahrens, Med. Diss. Marburg 1934.
[21] Josef Koller, Über die Durchführung der chemisch-analytischen Blutalkoholbestimmung nach Widmark und deren forensische Bedeutung. (Vorläufige Mitteilung.), Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 21, 1933, 269-274, hier 269; Gottfried Jungmichel, Die praktische Bedeutung der Widmarkschen Alkholbestimmung im Blut für die Rechtspflege, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 21, 1933, 463-473, hier 463.
[22] R[une] Andréasson und A. W[ayne] Jones, Historical Anecdote Related to Chemical Tests For Intoxication, Journal of Analytical Toxicology 20, 1996, 207-208.
[23] Vgl. etwa Ermel, Die schwedische Blutprobe auf Alkohol als Beweismittel im Strafverfahren, Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht 26, 1932, Sp. 674-675 sowie dann insbesondere Gottfried Jungmichel, Alkoholbestimmung im Blut. Methodik und forensische Bedeutung, Berlin 1933.
[24] Holzer, 1933, 284.
[25] Hugo Decker, Über die interferometrische Bestimmung des Blutalkoholgehaltes, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 33, 1940, 33-43, hier 43.
[26] Vgl. etwa Josef Koller, Zur Technik der quantitativen Alkoholbestimmung im Blut nach der Methode von Widmark, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 19, 1932, 513-515; H.R. Kanitz, Bemerkungen zur Technik der Blutalkoholbestimmung nach Widmark für Reihenuntersuchungen, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 24, 1935, 273-274; Günther Weyrich, Ein vereinfachtes Wägeverfahren für die quantitative Alkoholbestimmung im Blute nach Widmark, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 28, 1937, 354-358; G[ottfried] Jungmichel, Der Alkoholgehalt des Blutes und seine kriminalistische Bedeutung bei Verkehrsunfällen, 3. Aufl., Berlin-Dahlem 1939.
[27] Hierzu im Grundsatz kundig und detailliert Friedrich Herber, Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz, Paderborn 2006.
[28] Gerhard Buhtz, Begrüßungsansprache. Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für gerichtliche, soziale Medizin und Kriminalistik auf der 29. Tagung in Innsbruck vom 15. bis 17. Mai 1940, Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 34, 1940, 1-7, hier 3 bzw. 7 (folgende Zitate).
[29] Otto Landt, Alkohol und Verkehrsgenuß. Trunkenheit ist zu messen, Neuland 43, 1934, 5.
[30] Erik M.P. Widmark, Untersuchungsobjekte für gerichtlich-medizinische Alkoholanalysen, Forschungen zur Alkoholfrage 46, 1938, 122-130, hier 123.
[31] Einen Eindruck vermitteln A. Gronover, Chemische und physikalische Bestimmungsmethoden von Alkohol im Blut, Zeitschrift für Untersuchung der Lebensmittel 70, 1935, 34-40, insb. 34; Müller-Hess und Wiethold, 1933.
[32] Als Einführung kann dienen Christopher Kopper, Modernität oder Scheinmodernität nationalsozialistischer Herrschaft. Das Beispiel der Verkehrspolitik, in: Christian Jansen, Lutz Niethammer und Bernd Weisbrod (Hg.), Von der Aufgabe der Freiheit. Politische Verantwortung und bürgerliche Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Festschrift für Hans Mommsen zum 5. November 1995, Berlin-West 1995, 397-411.
[33] Vgl. Dietmar Fack, Automobil, Verkehr und Erziehung. Motorisierung und Sozialisation zwischen Beschleunigung und Anpassung 1885-1945, Opladen 2000.
[34] Vgl. hierzu differenziert Dorothee Hochstetter, Motorisierung und „Volksgemeinschaft“. Das Nationalsozialistische Kraftfahrkorps (NSKK) 1931-1945, München 2005, insb. 151-157 sowie allgemeiner Norbert Stieniczka, Wegbereiter auf bereiteten Wegen? Das Automobil als konservatives Symbol für Modernität, in: Ute Schneider und Lutz Raphael (Hg.), Dimensionen der Moderne. Festschrift für Christoph Dipper, Frankfurt a.M. u. a. 2008, 403-421.
[35] Vgl. Hochstetter, 2005, 374.
[36] Zu behaupten, „Die Trunksucht war ein Hauptbestandteil der Nazi-Ideologie“, so Hjalmar Schacht in seiner Aussage vor dem Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg am 30.04.1946 (zit. n. Peter Steinkamp, Zur Devianz-Problematik in der Wehrmacht: Alkohol- und Rauschmittelmissbrauch bei der Truppe, Phil. Diss. Freiburg i.Br. 2008 (Ms.), 1), ist daher kaum angängig, mag es für bestimmte männerbündische Strukturen des NS-Regimes auch zugetroffen haben.
[37] Werner Haselier, Die Unfallrolle des Alkohols im Kraftfahrzeugverkehr, Med. Diss. Münster, Gelsenkirchen 1941, 17.
[38] Zit. n. Camerer, 1933, 194.
[39] Entziehung des Führerscheins wegen Trunkenheit, Neuland 44, 1935, 122.
[40] Vgl. Herbert Elbel, Blutalkoholkonzentration und Alkoholwirkung, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 28, 1937, 64-75, hier 65.
[41] Zu Himmlers Verwendung des Begriffs Blut s. Heinrich Himmler. Geheimreden 1933 bis 1945 und andere Ansprachen, hg. v. Bradley F. Smith und Agnes F. Peterson, Frankfurt a.M., Berlin-West und Wien 1974, 53-57.
[42] Ferd[inand] Goebel, Kampf dem Verkehrstod! Unfälle und ihre Ursachen, Berlin-Dahlem 1937, 15.
[43] G[ottfried] Jungmichel, Der Alkoholgehalt des Blutes und seine kriminalistische Bedeutung bei Verkehrsunfällen, 3. Aufl., Berlin-Dahlem 1939, 16.
[44] Blut, in: Cornelia Schmitz-Berning, Vokabular des Nationalsozialismus, Berlin und New York 1998, 109-110.
[45] Adolf Hitler, Mein Kampf, 743.-747. Aufl., München 1942, 313, 316, 319.
[46] Vgl. hierzu schon Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz (Hg.), Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland, Frankfurt a.M. 1988, insb. 355-381. Als Beispiel zeitgenössischer Kritik vgl. Hugo Iltis, Der Mythos von Blut und Rasse, Wien 1936.
[47] Otto Bangert, Gold oder Blut: Wege zur Wiedergeburt aus dem Chaos, München 1927; Alfred Rosenberg, Der Mythos des 20. Jahrhunderts. Eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit, 33.-34. Aufl., München 1934, insb. 22, 258, 560; Ders., Blut, Boden, Persönlichkeit, in: Ders., Blut und Ehre. Ein Kampf für deutsche Wiedergeburt. Reden und Aufsätze von 1919-1933, hg. v. Thilo v. Trotha, 5. Aufl., München 1935.
[48] Ernst Jünger, Das Blut [Standarte, 29. April 1926], in: Ders., Politische Publizistik. 1919 bis 1933, hg. v. Sven Olaf Berggötz, Stuttgart 2001, 191-196, hier 193, 194.
[49] Beate Meyer, „Jüdische Mischlinge“. Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933-1945, Hamburg 1999 (zu den Definitionsproblemen insb. 96-104); Alexandra Przyrembel, >Rassenschande<. Reinheitsmythos und Vernichtungslegitimation im Nationalsozialismus, Göttingen 2003, insb. 24-42. Einseitig und vielfach fraglich dagegen Michael Ley, „Zum Schutze des deutschen Blutes …“. „Rassenschandegesetze“ im Nationalsozialismus, Bodenheim b. Mainz 1997.
[50] Pohl, Kampf dem alkoholbedingten Verkehrsunfall, in: Gegen den Mißbrauch – für Besseres! Ergebnisse der Jahrestagung / 6. bis 9. Oktober 1935 in Kiel / des Deutschen Vereins gegen den Alkoholismus, Berlin-Dahlem 1936, 18-22, hier 18.
[51] Richter, o.J., 24.
[52] Otto Graf, Über den Zusammenhang zwischen Blutalkoholkonzentration und physischer Alkoholwirkung, Arbeitsphysiologie 6, 1932, 169-213; Georg Klatt, Neue Versuche über die Wirkung des Alkohols auf die Arbeitsleistung, Neuland 41, 1932, Sp. 513-515.
[53] Wilhelm Danger, Experimentelle Studien zur Frage der Beziehungen zwischen Blutalkoholgehalt und Alkoholwirkung, Med. Diss. Göttingen 1938; Herbert Bauer, Experimentelle Beobachtungen an Kraftradfahrern unter Alkoholeinwirkung, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 29, 1938, 193-199.
[54] Siegfried Joachim Voges, Über Alkohol und Verkehrsgefährdung, Med. Diss. Düsseldorf 1937, 2.
[55] W. Hecksteden und W. Fehler, Über den Einfluß körperlicher Arbeit auf die Geschwindigkeit der Umsetzung von Alkohol im menschlichen Körper, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 36, 1942, 311-318.
[56] Haselier, 1941, 28.
[57] Vgl. etwa H[erbert] Elbel und J. Schmelz, Über Rauschverhütungsmittel, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 33, 1941, 259-264; Herbert Elbel, Pervitin und Alkohol, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 36, 1942, 90-100.
[58] R. Strohmayer, Alkohol und Verkehrsunfall, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 29, 1937, 11-33; Elbel, 1937, 66-68.
[59] Dies betont auch in anderem Zusammenhang Geoffrey J. Giles, Drinking and Crime in Modern Germany, in: Peter Becker und Richard F. Wetzell (Hg.), Criminals and Their Scientists. The History of Criminology in international Perspective, Cambridge u. a. 2006, 471-485, hier 485.
[60] Theo Gläß, Stich und Hieb im Kampf gegen den Alkohol. 50 Fragen und Antworten, 3. Aufl., Berlin 1936, 24.
[61] Dies betonte schon vgl. [Konrad] Weymann, Alkoholmißbrauch und Kriminalität, Berlin-Dahlem 1931.
[62] Vgl. Ders., Die Bekämpfung der Trunksucht und ihrer Folgen im Dritten Reich, Berlin-Dahlem 1934.
[63] Ferd[inand] Goebel, Kampf dem Verkehrstod! Unfälle und ihre Ursachen, Berlin-Dahlem 1937, 9.
[64] Vgl. etwa zu den Breslauer Prangerumzügen Przyrembel, 2003, 74-75.
[65] Richter, o.J., 29, berichtet über eine Anordnung des Magdeburger Polizeipräsidenten v. 27. August 1938, nach der die Fotos der Unfallverursacher im Haupteingang des Polizeipräsidiums öffentlich aufgehangen werden mussten.
[66] Anton Eppel, Der durch eigenes Verschulden tödlich verunglückte Fußgänger und sein Blutalkoholgehalt, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 32, 1940, 312-316.
[67] Haselier, 1941, 27.
[68] Zur Präventionspolitik vgl. Beil, Alkoholbedingte Verkehrsunfälle in Frieden und Krieg, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 33, 1941, 265-286, hier 279.
[69] Haselier, 1941, 27 bzw. 28 (nächstes Zitat).
[70] Joachim Gutschmidt, Spezifität der Blutalkoholbestimmung nach Widmark, Klinische Wochenschrift 18, 1939, 58-59.
[71] W. Deckert, Die analytisch bedingte Fehlergröße bei der Blutalkoholbestimmung nach Widmark und der Fehlereinfluss durch die Art der Blutaufnahme, Klinische Wochenschrift 18, 1939, 1193-1195.
[72] Rudolf Manz, Zur Frage psychotechnischer und psychiatrischer Alkoholversuche für forensische Zwecke, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 38, 1943, 168-190, insb. 168-169.
[73] Zur 1941 gegründeten Blutalkoholuntersuchungsstelle der Militärärztlichen Akademie vgl. Christoph Alex, Das Institut für Wehrgerichtliche Medizin der Militärärztlichen Akademie in Berlin 1938-1945, Med. Diss. Leipzig 1998, 65-75.
[74] Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (DGRM), der deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM) und der Deutschen Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie (GTCH) zum Verzicht auf Blutentnahme bei Alkohol im Verkehr (2008) (https://www.gtfch.org/cms/index.php/sektorkommittee-der-dach). Vgl. auch Helmut Satzger, Die relevanten Grenzwerte der Blutalkoholkonzentration im Strafrecht, Juristische Ausbildung 2013, 345-360; Alkohol im Straßenverkehr, hg. v. d. Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (2017) (https://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/Broschueren/FS_Alkohol_im_Strassenverkehr.pdf).