Hundekuchen bündelten zentrale Errungenschaften des 19. Jahrhundert, verbanden Physiologie und Enthäuslichung, Globalisierung und Kapitalismus in einem neuen, standardisierten Produkt. Es wurde in den 1860er Jahren in Großbritannien entwickelt, und das viele Monate haltbare Universalfuttermittel verbreitete sich seit den 1870er Jahren rasch in der westlichen Welt, in den USA, in Russland, in Österreich-Ungarn – und dem neu entstandenen Deutschen Reich. Dort ansässige Unternehmer übernahmen Konzept und Herstellungstechnik vom britischen Vorbilde, allüberall stand der in London produzierte Sprattsche Hundekuchen Pate. Vor Ort versuchte man dessen Qualität zu erreichen, den heimischen Markt gegen Importe zu verteidigen, ihn zugleich zu erweitern. Hierzulande entstand rasch eine größere Zahl von Hundekuchenfabriken, die aus Getreide, Gemüse und Importfleisch neue und doch gegenüber Spratt’s „Meat Fibrine Dog Cakes“ wenig veränderte Ware produzierten.
Der Hundekuchen vereinfachte die an sich aufwändige Fütterung von Tieren, die in ihrer Mehrzahl noch Funktionen und Aufgaben hatten, bei der Jagd, dem Bewachen des Eigentums, der Suche nach Verdächtigen, der Hege von Schafherden und nicht zuletzt beim Gütertransport. Die Hunde dieser Zeit waren nicht vorrangig Haustiere, vermeintliche Freunde und Gefährten, wie die ca. 12 Millionen vierbeinigen Steuermarkenträger heutzutage. Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein wurden Hunde vorrangig nach ihren Aufgaben und Funktionen in der bäuerlichen, bürgerlichen und adeligen Gesellschaft bewertet. Es ging nicht um Dobermann und Schäferhund, um Teckel und Spitz, sondern um Jagd- und Wachhund, um Karrenzieher und Hegehunde. Entsprechend bestand eine Trennung zwischen den edlen Hunden, die immer auch den Status ihrer Besitzer repräsentierten und den einfachen Helfern der gemeinen Leute. Folgerichtig gab es deutlich weniger Hunde, absolut und relativ: Kommt heute ein Hund auf sieben Staatsbürger, so waren es beim Aufkommen des Hundekuchens einer pro zwanzig Einwohner – etwas mehr als zwei Millionen.
Die moderne Physiologie beendete diese tradierten funktionalen Zuschreibungen nicht, doch entwickelte sie ein anderes, wissenschaftlich begründetes Bild des Tieres: Ihr Ausgangspunkt war die stoffliche Gleichheit aller Kreaturen. Mit Menschen und Pflanzen waren sie durch einen weltumspannenden und weltprägenden Stoffwechsel verbunden. Die domestizierten Hunde waren Allesfresser, hatten sich im Umfeld des Menschen vor allem mit pflanzlicher Kost und Fleischresten zu begnügen. Ihre Nahrungsbedürfnisse entsprachen in etwa denen des Menschen, die Art ihres Futters war jedoch anders, vor allem billiger, stand weit unter der Nahrung des Menschen. Hundekuchen waren demgegenüber etwas Besonders, nicht von ungefähr stammten die ersten Käufer aus dem englischen Landadel. Das neue Futter war anfangs nicht für Haustiere, für städtische „Luxushunde“ gedacht, schon dessen schiere Größe barg für kleine, schwach bezahnte Hunde massive Probleme. Hundekuchen waren vielmehr eine Fertigspeise für die Leistungsträger unter den Vierbeinern. Sie markierten zugleich aber eine Futtergrenze zum Menschen, denn Hundekuchen wurden von Beginn an mit einem Verzehrstabu belegt, mochten sie rein physiologisch auch durchaus essbar gewesen sein. Gegenüber unserer Gegenwart gab es weitere Unterschiede: Als Konsumgut waren sie eher ländlich, eher kleinstädtisch, noch nicht Kennzeichen einer urbanen Versorgungsinfrastruktur für gehätschelte Kleingefährten. Ihre Käufer waren die vermeintlich staatstragenden Eliten und der alte Mittelstand, nicht aber die Arbeiterschaft, die sich schon den Aufwand für einen Hund kaum leisten konnte. Gehen wir nun daran, diese Thesen auszufächern und empirisch an einem Beispiel zu überprüfen: Der Geschichte der Deutschen Hundekuchen-Fabrik, die erst in Hannover, dann in Berlin produzierte.
Die englische Herausforderung: Spratt’s und mehr
In den 1870er Jahren, nach der Gründung des Deutschen Reiches, erfolgte die Fütterung der Hunde hierzulande noch in tradierten Bahnen. Sie war ein abgesonderter, zugleich aber integraler Teil der häuslichen Nahrungsmittelproduktion: „Die gute Ernährung des Hundes bietet um so weniger Schwierigkeiten, als derselbe ja bekanntlich Alles frißt, was Menschen genießen. Brod, Fleisch, Knochen, Gemüse und Milch, gekocht sowohl wie roh, sind ihm die natürlichste und die ihm zusagendste Nahrung; Fett, obwohl sehr gern gefressen, ist ihm schädlich, ebenso viel Salz. Von gekochten Speisen zieht er die mehl- und zuckerhaltigen vor, und nimmt auch sehr gern süßes Obst. Nur sorge man, daß Alles, was dem Hunde vorgesetzt wird, rein, frisch und niemals zu heiß, sondern nur lau sei, versorge ihn mit reichlichem Wasser in stets reinen Geschirren und achte auch in Bezug auf sein Lager, daß dies immer reinlich und trocken sei und häufig erneuert werde“ (Otto Friedrich, Aufzucht und Pflege des edlen Hundes, 3. Aufl., Zahna 1876, 8). Hundefütterung war Aufgabe der Dienstboten, meist aber der Frauen als Teil ihrer Hausarbeit (Hermann Kaiser, Ein Hundeleben, Cloppenburg 1993, 43-46).
Während sich das Futter selbst wenig änderte, veränderte sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dessen Herkunft: „Hundebrot“ war seit der frühen Neuzeit eine regelmäßige bäuerliche Abgabe an den Gutsherrn, Grundlage der Fütterung von Jagdmeuten, Abschlagszahlung für herrschaftlichen Schutz. Abzugeben war zumeist Getreide, „Hundekorn“ – und es ist nachvollziehbar, dass die Bauern versuchten, die besseren Qualitäten für sich zu behalten. „Hundebrot“ hatte daher eine weitere Bedeutung, handelte es sich doch auch um das dunkle, elende Brot der Armen, des Gesindes, gebacken aus Gerste, Buchweizen, Roggen und dem Unrat, der Spreu, der Kleie, – die Brotreform mit ihrem Lob des vollen Korns begann erst in den 1890er Jahren (vgl. etwa Johann Georg Krünitz, Das Gesindewesen, nach Grundsätzen der Oekonomie und Polizeywissenschaft abgehandelt, Berlin 1779, 92). Verstädterung und Frühindustrialisierung trugen Hundebrot vermehrt in städtische Gefilde: „Ein Art Brod, Hundebrod genannt, welches zur Fütterung von Thieren bei einigen Bäckern bereitet wird, kaufen auch arme Familien zu eigenem Verbrauch“ (Schmidt’s Jahrbücher der in- und ausländischen gesammten Medicin 48, 1845, 95). Diese Strukturen zerbrachen Mitte des Jahrhunderts, waren als „Bauernbefreiung“ Teil der Integration der bäuerlichen Wirtschaft in den modernen Steuerstaat, in die Versorgungsstrukturen arbeitsteiliger Marktgesellschaften: Die Aufhebung der preußischen Jagd-Dienste und -Gebühren bildete 1850 einen wichtigen Einschnitt, mochten sich auch Abgaben wie das „Hundebrot“ im Süden der deutschen Lande noch länger halten. Damit waren einem marktgängigen Fertigprodukt wie Hundekuchen die Wege grundsätzlich geebnet.

Frühe Anzeigen für Spratt‘s Hundekuchen (The Field 1866, Ausg. v. 3. November, 31 (l.); The Norfolk News 1867, Nr. 1174 v. 22. Juni, 1)
Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass der Begriff „Hundekuchen“ in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schon in deutschen Übersetzungen von Aristophanes, Juvenal oder aber Boccaccio auftauchte; allerdings als Gebäck der Armen. Als Hundefutter handelt es sich jedoch um eine Übersetzung des englischen Begriffs „Dog Cakes“, den der im englischen Devon geborene Erfinder James Spratt (1809-1880) für seine seit 1862 in London hergestellten „Meat Fibrine Dog Cakes“ nutzte. Die Firma entwickelte sich anfangs nur langsam, auch wenn nach der Einstellung des jungen Buchhalters und Assistenten Charles Cruft (1852-1938) das neue Produkt offensiver beworben wurde. Spratt verkaufte sein Unternehmen 1870 an eine Investorengruppe, die sich zunehmend auf den Vertrieb und Absatz der Hundekuchen konzentrierte und dadurch den Umsatz im Inland und dann auch auf dem europäischen Festland rasch erhöhen konnte (für eine detaillierte Geschichte der Firma Spratt’s in Großbritannien und dem Deutschen Reich verweise ich auf einen bald erscheinenden weiteren Artikel).

Frühe Präsenz in Hannover (Hannoverscher Courier 1873, Nr. 5992 v. v. 5. März, 1 (l.); Der Sporn 16, 1878, 336)
Nach der Gründung des Deutschen Reiches finden sich hierzulande ab spätestens 1873 Anzeigen für den Sprattschen „Hunde-Zwieback“ – auch dies eine Übersetzung des englischen Begriffes „Biscuit“, den vor allem englische Wettbewerber Spratt‘s für ihre Produkte verwandten. Deren deutsche Großhändler nutzten und prägten den Begriff „Hundekuchen“ jedoch seit 1875. Er verwies nicht auf das süße, für Menschen bestimmte Backwerk, insbesondere die hochgeschätzten Leb-, Honig- und Baumkuchen, sondern war eine Übernahme aus dem Futtermittelgewerbe. Dort ummantelten Begriffe wie Ölkuchen die Herkunft der Angebote, bei denen es sich zumeist um nutzbare Abfallstoffe handelte, die als Tierfutter und Düngemittel gleichwohl marktgängig waren. Knochenmehle dienten als Dünger, Fleischfuttermehl nährte Schweine, Rinder und auch Hunde.

Clarke und Barr: Weitere Londoner Hundekuchen im deutschen Markt (Dresdner Journal 1877, Nr. 193 v. 22. August, 904 (l.); Hamburgischer Correspondent 1879, Nr. 64 v. 15. Juni, 18)
Hannover war für Spratt’s ein doppelt nahegelegener Markt: Zum einen von der Entfernung her, denn die Exporte gingen anfangs nach Hamburg, von dort per Bahn in Städte mit Großhandelsdepots. Dieses Netz knüpfte an bereits bestehende Großhandelsstrukturen an, nutzte die Absatzwege vornehmlich im Futtermittelsektor. Hundekuchen waren ein Ergänzungsprodukt, traten neben das Kraftfutter für Schweine und Rinder. Und trotz des Namens konnte das neue englische Produkt in gemahlener, mund- und schnabelgängiger Form auch an Geflügel und Fische verfüttert werden. Entsprechend gab es auch seitens der noch nicht allzu zahlreichen zoologischen und Vogelhandlungen ein Grundinteresse an der Importware. In Hannover orderte man sie zuerst in Hamburg, dann auch im näher gelegenen Kassel, ab spätestens 1878 auch vor Ort, in der nahe des Güterbahnhofs gelegenen Handelsgesellschaft von James Plant. Diese 1876 gegründete Firma hatte sich auf den Vertrieb von Lederwaren und Reitartikeln spezialisiert (Hannoverscher Courier 1876, Nr. 7845 v. 12. April, 3; ebd. 1881, Nr. 11063 v. 28. Juli, 5). Hochwertige Ware aus England spiegelte ein gehobenes Sortiment, aber auch die Stellung der britischen Monarchie als global führender Wirtschaftsmacht. Zweitens gab es zwischen dem 1814 zum Königreich aufgestiegenem Hannover und der britischen Krone enge dynastische Beziehungen, bestand doch seit 1714 eine Personalunion, die erst 1837 aufgelöst wurde, als Königin Victoria (1819-1901) den britischen Thron bestieg, während die hannoversche Königswürde von ihrem Onkel, dem reaktionären Ernst August I. (1771-1851) übernommen wurde. Hannover besaß weiterhin enge Beziehungen zum aufstrebenden Inselreich, die auch durch die preußische Annexion 1866 nicht unterbrochen wurde. Die frühe Übernahme des Hundekuchens stand in der Tradition dieser besonderen Beziehungen.
Spratt’s nutzte dies, förderte insbesondere die von der Firma erst in Großbritannien, dann in den Niederlanden, Belgien und Frankreich angestoßenen Hundeausstellungen. Diese zielten nicht nur auf eine Adelung der Hundezucht, der Förderung der Jagd und der Ausbildung eines rasch wachsenden Marktes von Hundeartikeln und Tiermedikamenten. Ausstellungen dienten zugleich als zentraler Werbeort für das neuartige Hundefutter. Spratt’s wurde auch im Deutschen Reich zum Förderer der Haltung leistungsfähiger Funktionshunde und rassereiner Zuchttiere. Zugleich stellten sich die Aussteller einem begrenzten Wettbewerb, an dessen Ende sie regelmäßig mit werbeträchtigen Auszeichnungen geehrt wurden. Spratt‘s & Co. erhielt auf der ersten Hannoveraner Hundeausstellung 1879 ein Diplom für „hervorragende Leistungen“ und eine „goldene Medaille“ (Hannoverscher Courier 1879, Nr. 9751 v. 31. Mai, 2), die als Qualitätsgarant gleich wieder in der Anzeigenwerbung hervorgehoben wurden.

Die Hannoversche Hundeausstellung als Werbeargument (Hannoverscher Courier 1879, Nr. 9768 v. 12. Juni, 4 (l.); Echo der Gegenwart 1880, Nr. 138 v. 25. Mai, 5)
Hundezuchtvereine und der Hannoveraner „Verein zur Veredelung der Hunderassen für Deutschland“
Hundekuchen standen in den 1870er Jahren für Globalisierung – und in Abwandlung einer bekannten Sentenz des just verstorbenen Henry Kissingers kann man sagen, dass Globalisierung damals nur ein anderes Wort für britische Herrschaft war. Doch insbesondere in den USA und im Deutschen Reich begannen Hundehalter und Unternehmer nach wirtschaftlichen Alternativen zu suchen, nationale Angebote zu entwickeln. Neben der 1880 gegründeten Deutsche Hundekuchen-Fabrik in Hannover gab es andere, früher gegründete Firmen, die sich teils aus Hundezuchtanstalten (Caesar & Minka, Zahna), teils aus Getreide- und Futterhandlungen (Gebrüder Herbst, Magdeburg), teils aus Mühlen- und Bäckereibetrieben (Krietsch, Wurzen) entwickelten. Hundekuchen war für sie ein neues Nebenprodukt, das sich harmonisch in die bisherige Angebotspalette integrieren ließ. Das Besondere in Hannover war, dass dort der 1878 gegründete „Verein zur Veredelung der Hunderassen für Deutschland“ den entscheidenden Anstoß zur lokalen Produktion gab. Er war 1839 als Hannoverscher Jagdverein gegründet worden. Das englische Vorbild einer gezielten Hundezucht stand bei der Umbenennung im Mittelpunkt, die Führung von Stammbüchern wurde zum wichtigsten Ziel (Chronik des deutschen Hundewesens – Eckdaten zur Geschichte des VDH, Dortmund 2006, 4).

Hunde als Passion: Versammlung des Berliner Hundeliebhabervereins „Hector“ (Über Land und Meer 40, 1878, 689)
Der Hannoveraner „Verein zur Veredelung der Hunderassen für Deutschland“ war Teil einer sich langsam ausdifferenzierenden Vereinskultur, die eine sich langsam verändernde Beziehung von Mensch und Tier spiegelte. Moderne Hundehaltung resultierte aus einer modernen Haltung zu Hunden. Tierschutzvereine entstanden in größeren Städten in den späten 1850er Jahren, etablierten sich in den Folgejahrzehnten als bürgerliche Institutionen. Sie wurden begleitet und gefördert von zeitgenössischen Erfolgstiteln, etwa dem seit 1863 erscheinenden „Illustrirten Thierleben“ des Zoologen Alfred Brehm (1829-1884), das Tiere vermenschlichte und dem bis heute währenden Anthropomorphismus Bahn brach. Die ethisch begründete Wendung gegen Tierleid und Tierquälerei enthielt allerdings immer auch eugenische Elemente, zumal in Diskussionen über humanere Tötungsformen kranker Pferde und Hunde. Spezielle Hundezuchtvereine boten vor dem Hintergrund der „Origins of Species“, des 1859 veröffentlichten Hauptwerk Charles Darwins (1809-1882), eine positive Eugenik. In Hannover hieß dies: „Der […] Verein zur Veredelung der Hunderacen hat es sich nun unter Anderem auch zum Ziele gesetzt, die Reinhaltung aller Hunderacen zu fördern, namentlich aber für diejenigen Racen einzutreten, deren Untergang nahe scheint, also besonders für die deutschen“. Ziel war Förderung der „Racenreinheit“, der Kampf gegen „Bastardhunde“ und damit auch ein Ende des steten Imports teurer „edler Hunde“ zumal aus England (Zitate n. Internationale Ausstellung von Hunden, Hannoverscher Courier 1879, Nr. 9611 v. 7. März, 2).
Die Hundezuchtvereine waren jedoch immer auch gesellige, in die Öffentlichkeit drängende Institutionen. Auch diesbezüglich war England Vorreiter gewesen, denn Hundeausstellungen gab es dort seit den späten 1850er Jahren, der 1873 gegründete Londoner Kennel Club förderte sie dann gezielt. In deutschen Landen fanden erste Hundeausstellungen in den 1860er Jahren statt, in Hamburg und Altona. In den 1870er Jahren wurden sie dann bereits durch Hundefutterproduzenten gefördert, so etwa in Cannstatt 1871 und Stuttgart 1873. Ende der 1870er Jahre entstand zudem ein breiter Kranz von Fachzeitschriften, die nicht nur die Tier- und Hundezucht förderten, sondern zugleich auch das Renommee guter Zuchthunde und ihrer Besitzer erhöhten (Wolfgang G. Theilemann, Adel im grünen Rock. Adeliges Jägertum, Großprivatwaldbesitz und die preußische Forstbeamtenschaft 1866-1914, Berlin 2004, insb. 88-120).

Hundefutterprobe als Teil des Vereinslebens im Leipziger Hundeverein Diana (Leipziger Tageblatt 1878, Nr. 346 v. 12. Dezember, 6698)
Im Deutschen Reich setzte ab 1876 der Berliner Hundeliebhaberverein „Hektor“ erste Akzente, doch der Hannoveraner Verein durchbrach von Beginn an lokale Begrenztheit, indem er eine nationale Aufgabe vorantrieb: Das Allgemeine deutschen Hundestammbuch sowie die nationale Vernetzung im Dachverband der 1888 gegründeten „Delegiertenkommission“ waren unmittelbare Folgen (Margot Klages-Stange, Der Wert unserer Hunde, Hannoverscher Kurier 1926, Nr. 41 v. 26. Januar, 6). Hundezuchtvereine verbanden öffentlich besoldete Jäger, eine adelige, der Jagd frönende Oberschicht, aufstiegswillige und erfolgreiche Bürger sowie Zoologen und Veterinärmediziner. In Hannover agierte der im deutsch-französischen Krieg bewährte Graf Alfred von Waldersee (1832-1904) als Präsident. Der Kommandeur des X. Armeekorps verkörperte zugleich die Interessen der Armee an leistungsfähigen Hunden. Präsidiumsmitglied Albrecht Prinz zu Solms-Braunfels (1841-1901) war Teil des europäischen Hochadels und ein Kenner der englischen Hundezucht. Jäger, Züchter und Veterinärärzte der Kgl. Tierarzneischule bildeten den Kern der 1879 bereits 160 Mitglieder (Hannoverscher Courier 1879, Nr. 9570 v. 11. Februar, 2), zu denen aber auch Vertreter des gehobenen Bürgertums gehörten, etwa der jüdische Bankier Emil Meyer (1841-1899).
Seit seiner Gründung plante der Hannoveraner Verein auch eine Hundeausstellung: Es galt den Engländern und auch den Berlinern mit ihrer 1878 veranstalteten „Elite-Ausstellung von Racehunden“ etwas mindestens Gleichwertiges an die Seite zu stellen (Hannoverscher Courier 1878, Nr. 9380 v. 18. Oktober, 2). Die beträchtlichen Kosten wurden durch eine publikumswirksame Lotterie aufgebracht (Hannoverscher Courier 1879, Nr. 9502 v. 2. Januar, 3; ebd., Nr. 9644 v. 26. März, 2). Hinzu traten Sachspenden für Preise, die Unterbringung und Fütterung der Hunde – wodurch sich die Beziehungen zum englischen Hundekuchenproduzenten Spratt’s und seiner Hannoveraner Niederlage vertieften.

Kooperation des Hannoveraner Hundevereins und der Londoner Firma Spratt’s (Der Sporn 17, 1879, 56)
Für den Verein war diese erste Hundeausstellung erfolg- und lehrreich zugleich. Das Vereinsziel einer an klare Merkmale gebundenen Hundezucht wurde weiter popularisiert, damit aber zugleich die Trennung zwischen Rassehunden und der Mehrzahl der Straßen- und Gebrauchshunde vertieft. Hundesteuer und Maulkorbzwang sollten dies unterstützten, zugleich die Zahl unnützer Hunde verringern helfen (Hannoverscher Courier 1880, Nr. 10659 v. 26. November, 3). Die Schwierigkeiten bei der Organisation und Finanzierung der Ende Mai 1879 durchgeführten Hundeausstellung ließen es jedoch auch ratsam erscheinen, eine lokale Infrastruktur aufzubauen, mit deren Unterstützung die Vereinsziele einfacher zu erreichen waren. Dazu gehörte nicht zuletzt die 1880 umgesetzte Gründung einer vereinsnahen Hundekuchenproduktion.
Gründung der Deutschen Hundekuchen-Fabrik in Hannover
Am 15. Juni 1880 wurde die „Deutsche Hundekuchen-Fabrik von J. Kühl“ ins Hannoversche Handelsregister eingetragen. Inhaber war der „Kaufmann und Fabrikant“ Johannes Kühl (Berliner Börsen-Zeitung 1880, Nr. 305 v. 19. Juni, 16; Deutscher Reichsanzeiger 1880, Nr. 144 v. 22. Juni, 8).

Reichsweite Präsenz der Werbung kurz nach der Gründung (Hannoverscher Courier 1880, Nr. 10400 v. 6. Juni, 4 (l.); Neueste Nachrichten 1880, Nr. 127 v. 1. Juni, 10)
Schon Wochen zuvor hatte die Werbung für das neue Produkt eingesetzt, den „Deutschen Vereins-Hundekuchen“. Der gestempelte Kuchen gab einen ersten visuellen Eindruck des Tierfutters, benannte zugleich den zentralen Unterschied zu den verschiedenen im Deutschen Reich produzierten Konkurrenzprodukten: Es handelte sich um einen vom „Verein zur Veredelung der Hunderacen für Deutschland“ empfohlenen und kontrollierten Futterartikel. Dazu hatte man eine gemischte Kommission eingerichtet, die soziales Prestige, finanzielle Sekurität und wissenschaftliches Renommee verkörperte. Die Hundekuchen und Rohmaterialien sollten durch einen Chemiker der lokalen Tierarzneischule ständig kontrolliert werden, so dass es sich um ein standardisiertes Nahrungskomprimat von hoher Qualität handeln würde. Zugleich war der Vereinshundekuchen relativ preiswert; günstiger jedenfalls als die meisten deutschen und die englischen Konkurrenzprodukte. Jedem Zeitgenossen war klar, dass die Markenpräsentation an zwei Londoner Vorbilder anknüpfte: Als Qualitätsprodukt erinnerte sie einerseits an den seit 1863 im uruguayischen Fray Bentos produzierten Liebigschen Fleischextrakt. Die Londoner Liebig’s Extract of Meat Company nutzte nicht nur das Renommee des Namensgebers, sondern verpflichtete mit dem Hygieniker Max von Pettenkofer (1818-1901) und dem Physiologen Carl von Voit (1831-1908) zwei führende Wissenschaftler als Kontrolleure. Andererseits spiegelte der gestempelte und perforierte Kuchen das seit 1875 reichsweit geschützte Markenzeichen von Spratt’s & Co. in London.
Der Hannoveraner Verein hatte Johannes Kühl mit der Herstellung beauftragt, weil dieser „am hiesigen Orte eine mit den besten maschinellen Einrichtungen versehene Fabrik für Hundekuchen errichtet und seinen ganzen Betrieb zur Sicherung der Consumenten unter Controle des ‚Vereins zur Veredelung der Hunderacen für Deutschland‘ gestellt“ habe. Mehr noch: „Der Fabrikant ist bezüglich der Zusammensetzung der Kuchen und des Preises derselben an die Anordnungen der Commission gebunden, so daß eine die Interessen der Consumenten wahrende Garantie besteht“ (Deutsche Hundekuchenfabrik von J. Kühl in Hannover, Hannoverscher Courier 1880, Nr. 10384 v. 17. Juni, 4). Kühl erschien entsprechend in der Generalversammlung des Vereins, diskutierte den gemeinsamen Vertrag mit Präsidium und Mitgliedern und verwies auf „eine größere Anzahl Zuschriften hervorragender Züchter, welche sich über die Qualität der Hundekuchen lobend aussprachen“ (Hannoverscher Courier 1880, Nr. 10617 v. 2. November, 3).

Kontrollierte Qualität (Hannoverscher Courier 1880, Nr. 10384 v. 17. Juni, 4)
Offenkundig handelte es sich bei der Deutschen Hundekuchen-Fabrik um eine für beide Seiten attraktive Zusammenarbeit: Der Verein erhielt reichsweite Publizität und zudem ein preiswertes vor Ort hergestelltes Futtermittel. Der Fabrikant konnte schon bei Beginn das soziale Kapital des Vereins nutzen, gewann dadurch einen Vertrauensvorschuss insbesondere bei Adligen, Jägern und Hundezüchtern. Vor diesem Hintergrund ist auch der Name von Firma und Produkt zu verstehen. Im – wie so häufig – irreführenden Wikipediaartikel zur Firma wird ohne Quellenbelege von einem nationalistischen und antienglischen Ressentiment gesprochen. Und in der Tat handelte es sich bei den Vereinsmitgliedern zumeist um patriotisch donnernde Zeitgenossen, Vereinssekretär Emil Meyer betonte etwa: „‚Englische Hunde, und zwar recht schlechte englische Hunde, haben wir leider schon zu viele in Deutschland!“ (zit. n. Hegewald, Den Hühnerhund […], Leipzig 1881, 49). Angesichts des Wettbewerbs zwischen den verschiedenen Hundezuchtvereinen zielte das doppelte Adjektiv „Deutsch“ jedoch vorrangig auf die innerdeutsche Hegemonie des Hannoverschen Vereins. England blieb, das unterstrich die frühe Werbung, ein Vorbild. Dieses zu erreichen, gar zu überholen, war Aufgabe eines beherzten Wettbewerbs. „Deutsch“ war damals Ausdruck nachholenden Bemühens, noch nicht wilhelministischer Hybris.
Wer war nun der Fabrikant Johannes Kühl? Der verdienstvolle Stadtsuperintendent Hans Werner Dannowski (1933-2016) berichtete nach Gesprächen mit dessen Nachfahren, dass dieser 1852 in Burg auf der Ostseeinsel Fehmarn geboren wurde, dann in Lübeck eine Kaufmannslehre absolvierte. Er gründete eine Familie, drei Kinder wurden geboren, seine Frau starb jedoch im Kindbett (Hans Werner Dannowski, Hannover – weit von nah, Hannover 2002, 172). 1876 übernahm er die Firma Kellinghusen & Kühl in Bergedorf, die er unmittelbar nach der Gründung der Deutschen Hundekuchen-Fabrik auflöste (Deutscher Reichsanzeiger 1876, Nr. 130 v. 3. Juni, 6; ebd. 1880, Nr. 152 v. 1. Juli, 9). Hannover, 1880 eine Großstadt mit 120.000 Einwohnern, war für ihn Chance und Herausforderung zugleich. Das Hannoveraner Adreßbuch verzeichnete für 1880 weder einen Johannes Kühl noch eine in der Glockseestraße 7A gelegene Dampfbrotbäckerei (Adreßbuch Hannover 1880, T. I, 158, 350, 354, 482). Das legt nahe, dass er die von 1881 bis 1883 erwähnte „Dampf-Brod-Bäckerei“ neben der ebenfalls ab 1881 vermerkten „Deutschen Hundekuchen-Fabrik“ betrieb (Ebd. 1881, T. I, 357; ebd. 1882, T. I, 362; ebd. 1883, T. I, 367). Die Fabrik lag im Parterre, der Unternehmer lebte als Mieter in dem eingeschossigen Haus (Ebd. 1882, T. I, 158).
Johannes Kühl heiratete am 22. Dezember 1883 in einer Ziviltrauung Anna Elise Henriette Schmidt (Evangelisches Kirchenbuchamt Hannover, Film Nr. 185137, Nr. 86, 662-663) und kaufte dann, wohl im Januar 1884, das Anwesen Füsilierstraße 30 (Amtsblatt für Hannover 1886, St. 6 v. 8. Februar, 208). Dieses lag nahe am damaligen Güterbahnhof. Der Hauskauf dürfte Folge einer erfolgreichen Geschäftstätigkeit sein. Familie Kühl wohnte in dem dreistöckigen Haus in bürgerlich-mittelständischem Umfeld im Parterre mit sieben weiteren Parteien (Adreßbuch Hannover, 1884, T. I, 157). Zugleich wurde der Sitz der Deutschen Hundekuchen-Fabrik und der Dampf-Brod-Bäckerei in die Füsilierstraße verlegt, die Produktionskapazität zugleich vergrößert (Ebd. 1884, T. I, 374).

Idealisierte Darstellung der Deutschen Hundekuchen-Fabrik in der Füsilierstraße 30 (Neue Jagd-Zeitung 1, 1888, 132)
Die bauliche Struktur der Hundekuchenfabrik und der weiterhin annotierten „Cakes- u. Bisquitfabrik“ ist unklar, ein Hinterhofausbau wahrscheinlich. Johannes Kühl lebte 1888 weiterhin im Parterre, gemeinsam mit sechs weiteren Hausparteien (Adreßbuch Hannover 1888, T. I, 171). Im Hinterhof war zudem die Großhandlung Wisser & Co. angesiedelt, die auch Spratt’s Hundekuchen vertrieb. Die Firma besaß eine damals noch nicht übliche Fernsprechleitung (Ebd. 1888, T. I, 414). Nach dem Verkauf der Firma im Jahre 1889 an Spratt’s Generalbevollmächtigten Erwin Stahlecker änderte sich am Firmensitz erst einmal nichts (Ebd. 1889, T. I, 158, 412). Johannes Kühl zog allerdings in eine neue Wohnung, erst in die Herschelstr. 33, im Folgejahr dann in die Höltystr. 11 (Ebd. 1889, T. I, 535; ebd. 1890, T. I, 548). Er firmiert nun als Grubenbesitzer resp. als Kiesgrubenbesitzer (Ebd. 1892, T. I, 604). Kühl zog anschließend in eine repräsentative Unternehmensvilla in die Kolonie Kühlshausen des Villenviertels Kirchrode. Er machte eine erfolgreiche Karriere als Geschäftsmann, u.a. im Aufsichtsrat der 1899 gegründeten Hannoverschen Landesbank oder als Mitgründer der Hannoverschen Terraingesellschaft AG (Deutscher Reichsanzeiger 1899, Nr. 20 v. 23. Januar, 15; ebd. 1901, Nr. 239 v. 8. Oktober, 10).
Der Deutsche Vereins-Hundekuchen als standardisiertes wissenschaftliches Produkt
Der Deutsche Vereins-Hundekuchen war ein wissenschaftlich kontrolliertes und standardisiertes Futtermittel. Es war möglich durch einen neuen Referenzrahmen, dem von der modernen organischen Chemie entwickelten Lebensmodell eines allgemeinen Stoffwechsels. Dieses veränderte nicht nur die Landwirtschaft, in der gezielte Stoffsubstitution mit mineralischen Düngemitteln zunehmend höhere Erträge ermöglichte. Davon profitierte die gewerbliche Herstellung von Nahrungsmitteln und eine von den stofflichen Erfordernissen ausgehende Ernährung der Menschen. Und dies veränderte auch die Ernährung von Nutz- und Haustieren: „Die Aufgabe lief also darauf hinaus, die eigentlichen Nährstoffe in dem Futter zu ermitteln und die Rolle festzustellen, welche sie in der Verdauung, im Stoffwechsel, in der Ernährung zu übernehmen haben“ (H[ermann] Settegast, Die landwirthschaftliche Fütterungslehre, Breslau 1872, 12). Hundekuchen waren nicht irgendein Futtermittel, sondern dienten dem „Ersatz der durch die Lebensverrichtungen umgesetzten Körperbestandtheile des Thieres“ (Martin Wilkens, Der gegenwärtige Stand der Fütterungslehre, in: Ders., Beiträge zur landwirthschaftlichen Thierzucht, Leipzig 1871, 153-174, hier 160).
Das neue Futtermittel war ein Kompaktnährmittel, das durch das Verbacken von Getreide, Gemüse und Fleischresten als Dauernahrung diente und zugleich die Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Hunde garantierte. Die Fabrikanten zielten auf ein stofflich ausgewogenes Produkt, das zugleich aber relativ preiswert war. Dazu diente ein globaler Rohwareneinkauf. Weizen (und Mais) wurden zumeist aus Kanada, den USA und Russland importiert, preiswertere Getreide wie Gerste, Hafer oder Roggen stammten vielfach aus heimischem Anbau; ebenso die eingebackenen Gemüse, etwa Rüben oder Möhren. Importiert wurde meist auch der für den Eiweiß- und Fettgehalt zentrale Fleischanteil. Er stammte aus Fleischabfällen, etwa der südamerikanischen Fleischextraktproduktion in Uruguay und Argentinien oder den Schlachtereien in Cincinnati oder Chicago. Hundekuchen waren ein globales Produkt, das je nach Rohware recht unterschiedlich zusammengesetzt sein konnte.

Stickstoff und Eiweiß: Fleischmehle als Dünger und als Futtermittel (Gladbacher Volkszeitung 1873, Nr. 96 v. 30. August, 4)
Hundekuchen hatten zahlreiche Vorläufer im Felde gewerblich hergestellter Lebensmittel. Fleischmehl und Fleischzwiebäcke wurden seit Mitte des 19. Jahrhunderts immer wieder als Kraftspeise und Konserve für Soldaten, Reisende und Arme propagiert. Sie scheiterten zumeist an fehlendem Nährwert bzw. begrenzter Haltbarkeit. Das galt auch für bis heute bekannte Klassiker dieser Zeit, etwa des Fleischextraktes, der Erbswurst oder des Fleischpulvers Carne pura. Mangelnde Kenntnisse der Stoffzersetzung und fehlende Würzung mündeten regelmäßig in einseitigem und schlechtem Geschmack. Menschen konnte sich dem verweigern, kaum aber Tiere. Hunde würden schon fressen, sei es mangels Futteralternative, sei es nach einer gewissen Gewöhnung. Die Durchsetzung des Hundekuchens war ein Erfolg stofflichen Denkens, war Teil einer wesentlich breiter gedachten Rationalisierung der modernen Welt. Sicherheitstechniken wie die Trichinenbeschau, die Nahrungsmittelkontrolle oder der Schlachthofzwang machten das Alltagsleben berechenbarer – der Central-Schlacht- und Vieh-Hof in Hannover wurde 1879 eröffnet (Centralblatt der Bauverwaltung 1, 1881, 290-291). Auch Hunde profitierten davon.
In Hannover wurde das neue stoffliche Denken nicht zuletzt von den Mitgliedern der Kgl. Tierarzneischule getragen, die 1887 zur tierärztlichen Hochschule aufstieg (Eindrücke, aber nicht mehr, liefert Wolfgang von Engelhardt und Gerhard Breves, Die Physiologie an der Tierärztlichen Hochschule Hannover seit der Gründung 1778, Hannover und Gießen 2011). In Versammlungen des „Vereins zur Veredelung der Hunderacen für Deutschland“ waren Vorträge von Mitgliedern des Lehrkörpers, etwa des Regimentspferdearztes und Lehrbeauftragen Paul Brücher (1826-1908) oder des Direktors Karl Günther (1822-1896) stete Programmpunkte (Hannoverscher Courier 1878, Nr. 9465 v. 8. Dezember, 2 (l.); ebd. 1880, Nr. 10262 v. 4. April, 6). Letzterer gehörte, zusammen mit seinem Nachfolger Karl Dammann (1839-1914), der Kontrollkommission des Vereins an, die neben der Analyse der Rohware und des fertigen Hundekuchens auch „zweckmäßige Verbesserungen durch Versuche“ (Hannoverscher Courier 1880, Nr. 10384 v. 17. Juni, 4) ermöglichen sollte.
Mit den Hundekuchenuntersuchungen betraut wurde Carl Arnold (1853-1929), der nach dem Studium der Pharmazie, Physik und Chemie in München, Tübingen und Heidelberg ab 1880 als Repitor an der Tierarzneischule begann und dort 1890 zum Professor für Chemie reüssierte. Sein schon vor der Gründung der Deutschen Hundekuchen-Fabrik erstellter erster Bericht machte die Zusammensetzung der Deutschen Vereins-Hundekuchen publik: „Die Kuchen werden aus Fleischmehl, Roggenmehl, Weizenkleie, etwas Kochsalz und reinem basischen Calciumphosphat dargestellt.“ Die maschinelle Mischung führte zu einem gleichmäßig zusammengesetzten Produkt, „so dass jede Abweichung von der vom Verein genehmigten Rezeptur auffallen musste.“ Zugleich verglich Arnold dessen stoffliche Zusammensetzung mit denen der Sprattschen Hundekuchen und kam zu dem wenig überraschenden Ergebnis: „Die Kuchen werden von den Thieren mit grosser Begierde angenommen, und sind durch ihren höheren Phosphorsäure- und Stickstoffgehalt dem englischen Fabrikate entschieden vorzuziehen“ (beide Zitate n. C[arl] Arnold, Vergleichende Untersuchungen deutscher und englischer Hundekuchen, Jahresbericht der Königlichen Thierarzneischule zu Hannover 13, 1879/80, Hannover 1881, 27-28, hier 27). Dieses Resultat fand seinen Weg in die wissenschaftliche Literatur, vor allem aber in die Fachpresse (Zeitschrift des Vereins für Hundezucht und Dressur im Königreiche Böhmen 1, 1881, 79). In der Generalversammlung des Hannoverschen Vereins wurde dagegen allein der höhere Nährwert des eigenen Produktes hervorgehoben (Hannoverscher Courier 1881, Nr. 10812 v. 26. Februar, 3; Hamburgischer Correspondent 1881, Nr. 58 v. 26. Februar, 3). Öffentlich betonte der Verein sogar nur, dass die Hannoveraner Hundekuchen „mit den besten auf gleicher Stufe“ ständen (Hannoverscher Courier 1880, Nr. 10384 v. 17. Juni, 4). In der Werbung tönte Kühl dagegen von dem „gesundestes Hundefutter“ (Kladderadatsch 33, 1880, Nr. 38/39, 3).

Wissenschaftliche Analysedaten mit begrenztem Aussagewert (Chemisch-technisches Repertorium 23, 1884, 147)
Weitere vergleichende Analysen folgten und wurden von der Deutschen Hundekuchen-Fabrik irreführend verdichtet, betonte sie doch, dass ihre Produkte einen 20-25 Prozent höheren Nährwert wie die Konkurrenzprodukte besäßen und sie das beste „Futter zur ausschließlichen Ernährung der Hunde“ seien (Hannoverscher Courier 1885, Nr. 13697 v. 25. November, 6). „Wissenschaft“ wurde dadurch zum Argument im Kampf um den Käufer, Wissenschaftler zu Zuträgern des Güterabsatzes. Carl Arnold sollte 1894 zum Kontrolleur von Spratt’s aufsteigen und in den Folgejahren zur Gewährsperson für die vermeintlich überlegene Qualität der einst von ihm selbst verfemten englischen Hundekuchen.

Vermeintlich höherer Nährwert als Verkaufsargument (Hannoverscher Courier 1886, Nr. 13780 v. 15. Januar, 4)
Wirtschaftlicher Flankenschutz durch Schutzzölle
Das seit den späten 1870er Jahre beträchtliche Wachstum der deutschen Hundekuchenproduzenten war allerdings nicht allein auf die immer wieder mit nationalem Pathos verbundenen Aktivitäten der deutschen Hundevereine und der wissenschaftlichen Förderung des Kompaktfutters zurückzuführen. Es war vielmehr auch Folge der vielbeschworenen zweiten Reichsgründung 1879/80, also der konservativen Wende in der deutschen Innenpolitik und dem Übergang zum Schutzzoll. Der junge deutsche Staat geriet damals durch billige Agrarimporte aus den USA und Russland unter Druck. Die teils deutlich höheren Zölle sollten vorrangig die ostelbische Agrarwirtschaft schützen, hinzu kam der Schutz (noch) nicht wettbewerbsfähiger Industriebranchen, zumal der Schwer- und der Textilindustrie.
Hundekuchen konnte von den englischen Anbietern bis Ende 1879 kostenlos ins Deutsche Reich eingeführt werden. Seit dem 1. Januar 1880 wurden sie im Zolltarif dann als „gewöhnliches Backwerk“ eingruppiert, so dass pro Zentner eine Mark Zoll anfiel. Im Mai 1880 aber versechsfachte sich dieser Wert, lag nun bei 6 Mark pro Zentner (Kölnische Zeitung 1880, Nr. 150 v. 31. Mai, 5). Hundekuchen wurde nicht mehr länger als Backwerk, sondern als Fleischware eingruppiert; oder, wie Spötter meinten, als „‚feine Fleischwaaren‘, und nicht vielmehr als ‚Conditorwaaren‘“ (Kladderadatsch 35, 1882, 107). Die Behörden waren sich zwar bewusst, dass die Kuchen vorrangig aus Mehl bestanden, doch erschienen ihnen die „beigemischten Fleischfasern“ ein weder nach der Menge, noch dem Verwendungszweck „unwesentlicher Bestandtheil“ des Futterkomprimats zu sein (Central-Blatt der Abgaben, Gewerbe- und Handels-Gesetzgebung und Verwaltung in den Königlich Preußischen Staaten 1880, 252). Spratt’s Eingabe an den Bundestag „betr. die Zollbefreiung von Fleischfaser-Hundekuchen (§. 512 der Protokolle von 1880)“ wurde abschlägig beschieden. Damit besaßen die deutschen Anbieter einen 30%igen Preisvorteil gegenüber den leistungsfähigeren englischen Betrieben, die mit einem weit größeren Maschinenpark preiswerter arbeiteten. Ludwig Bamberger (1823-1899), liberaler Oppositionsführer und Bankier, ordnete all dies unter dem Dachbegriff Zollkuriosa ein, war der verwaltungstechnische Aufwand für eine angemessene Eingruppierung verarbeiteter Produkte doch beträchtlich. Zugleich aber schien ihm damit die Einfuhr englischen Hundekuchens unmöglich gemacht worden (Allgemeine Zeitung 1882, Nr. 131 v. 11. Mai, Außerordentl. Beil, 3).

Preisnachteil durch Zollbelastung: Spratt’s versus Deutscher Vereins-Hundekuchen (Adressbuch der Kaufleute aller Länder Erde, Bd. 7a: Westfalen, Ausg. 9, 1884-86, Nürnberg s.a., I)
Bundesrat, Reichstag und Reichskanzler befassten sich mit der Affäre, war eine weitere Petition des Sprattschen Repräsentanten in Berlin doch gut begründet: Der Vorsitzende des Berliner Hundevereins „Hektor“ bezeichnete die Kuchen als „für Menschen ganz ungenießbar“, während ein chemisches Gutachten feststellte, dass „die Hundekuchen lediglich aus dem Mehle von Cerealien und Fragmenten von Leguminosen unter Zusatz von 3 Prozent Fleischfasern (Fleischabfällen, Leimbildnern, Flechsen, Sehnen etc., d.h. solchen Stoffen, die als Nahrungsmittel für Menschen nicht verwendbar sind) hergestellt seien“ (Sammlung sämmtlicher Drucksachen des Deutschen Reichstags, 5. Leg., Sess. II, Berlin 1882/83, Bd. I, Berlin 1883, Nr. 70, 1). Der Reichstag befürwortete eine zollmindernde Eingruppierung als Backwerk, doch der Bundesrat entschied negativ (Karlsruher Zeitung 1883, Nr. 68 v. 21. März, 5; Amtliches Waarenverzeichniß zum Zolltarife, Berlin 1888, 162). Spratt’s zog sich allerdings nicht vom deutschen Markt zurück, sondern lieferte weiterhin mit deutlich verminderten Gewinnspannen und höheren Preisen. 1884 kosteten 50 Kg im Rheinland 23 M, während für den Deutsche Vereins-Hundekuchen dort nur 20,50 M zu zahlen waren (Zeitschrift des landwirthschaftlichen Vereins für Rheinpreußen 52, 1884, 39). Schon vorher betonte man in Hannover offensiv, dass der Deutsche Vereins-Hundekuchen englischen Fabrikaten „entschieden vorzuziehen sei […], da durch den neuerdings erfolgten Einfuhrzoll die englischen Kuchen im Preise höher stehen wie die deutschen“ (Arnold, 1881; Zeitschrift des Vereins für Hundezucht und Dressur im Königreiche Böhmen 2, 1882, 79). Doch 1885 errichtete die multinationale englische Firma eine neue Produktionsstätte in Berlin. Ohne die Zollbelastung pendelte sich der Preis anschließend auf ca. 18,50 Mark pro Zentner ein. Das setzte auch für die deutschen Anbieter einen neuen, niedrigeren Richtpreis – bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges.
Aufbau eines leistungsfähigen Vertriebsnetzes
Wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Flankenschutz beförderte den offenkundigen, leider aber nicht zu quantifizierenden Erfolg der Deutschen Hundekuchen-Fabrik. Doch die rasche Etablierung eines leistungsfähigen Vertriebsnetzes war eine bemerkenswerte Eigenleistung. Johannes Kühl gelang es binnen weniger Jahre, den Deutschen Vereins-Hundekuchen zu einer reichsweit präsenten Marke zu machen, ihn gar über die Grenzen des Reiches hinaus zu vermarkten. Das galt nicht zuletzt im Vergleich zu den deutschen Wettbewerbern: Caesar & Minka blieben auf die Nische der Hundezüchter beschränkt, die Gebrüder Herbst und Krietsch dürften trotz reichsweiter Werbung vornehmlich Regionalanbieter in Mittel- und Ostdeutschland geblieben sein. Einzig die 1883 von Julius Kayser in Tempelhof gegründete Berliner Hundekuchen-Fabrik konnte mittels zahlloser kleiner Anzeigen in Zeitungen und vor allem Zeitschriften eine ähnliche Präsenz erreichen wie die Hannoveraner Fabrik. Deren Vertriebsnetz gründete auf vier verschiedenen Säulen.
Erstens nutzte Kühl mit dem etablierten Großhandel die damals gängigste Form des Güterabsatzes. Leistungsfähige Handelsfirmen wurden vertraglich an die Hundekuchenfabrik gebunden, bezogen deren Produkte direkt aus Hannover, verkauften sie dann an Händler und auch Einzelkunden. Hundekuchen wurden zwar auch in kleineren Mengen an einzelne Hundehalter verkauft, jedoch blieb der Absatz von größeren Abnehmern geprägt: Hundezüchter, Pikeure, Heeres- und Polizeivertreter kauften das mehrere Monate haltbare Produkt nicht nur in den gängigen Zentnersäcken, sondern vielfach in weit größeren Mengen. Neben Hannover besaß die Deutsche Hundekuchen-Fabrik Mitte der 1880er Jahre einschlägige Depots in Berlin, Frankfurt a.M., Hamburg, Köln, Leipzig (Duisburger Tageblatt 1886, Nr. 195 v. 24. August, 3). Kühl vergab zudem Verkaufsrechte an dezentrale Niederlagen, die meist in Groß- und Mittelstädten residierten. Dabei handelte es sich häufig um kombinierte Groß- und Einzelhandelsgeschäfte, meist aus dem Futtermittelsektor. Sie erhielten ihre Ware mit dem üblichen Händlerrabatt von den Depots. Festzuhalten ist, dass Hundekuchen preisgebundene Artikel waren. Dies bedeutete gesicherte Margen, gab aber auch Spielraum für Mengenrabatte.

Annoncierung des Alleinverkaufs der Bielefelder Niederlage (Bielefelder Tageblatt 1882, Nr. 303 v. 28. Dezember, 4)
Präsenz vor Ort war nicht zuletzt für die wachsende Zahl der Halter von „Luxushunden“ wichtig, denn Haustiere oder studentische Renommierhunde erforderten nur kleine Mengen, zumal Hundekuchen in diesem Falle eher Beifutter waren. Solche Kundennähe wurde eigens beworben: „Obige deutsche Hundekuchen-Fabrik von J. Kühl in Hannover hat schon in größeren Städten Niederlagen errichtet, ebenso in Halle beim Kaufmann Herrn Julius Kegel“ (Saale-Zeitung 1880, Nr. 209 v. 7. September, 10). Gleichwohl hatte der Vertrieb über die ständische Kette Produzent-Großhändler-Einzelhändler einen gravierenden Nachteil. Großhändler vertraten meist Hundekuchen verschiedener Firmen. Einer produktspezifischen Werbung allein für die Deutschen Vereins-Hundekuchen und daran anschließende Markenbindung wurden so erschwert. Da Hundekuchen trotz der frühzeitigen Markenbildung grundsätzlich ein homogenes, einfach zu substituierendes Produkt waren, kam es zudem zu relativ häufigen Wechseln bei Großhändlern und Niederlagen (Neueste Nachrichten und Münchner Anzeiger 1884, Nr. 131 v. 10. Mai, 6).

Produktdominanz, keine Exklusivvertretungen (Kölnische Zeitung 1883, Nr. 144 v. 26. Mai, 4)
Zweitens nutzte die Deutsche Hundekuchen-Fabrik von Beginn an auch lokale Fachgeschäfte. Hundekuchen waren ein neuartiges Produkt, das noch nicht eindeutig von bestimmten Fachgeschäften bezogen wurde – wie etwa Fleisch vom Metzger oder Charcutier. Hundekuchen war sowohl in Tier- und Futterhandlungen, in zoologischen und Mehlhandlungen als auch in Drogerien und Gemischtwarenhandlungen zu kaufen. Die Unsicherheit über das Sortiment bewirkte eine überdurchschnittliche Werbeaktivität durch Einzelhändler vor Ort – wobei dann die Marke im Mittelpunkt stand.

Absatz per Drogerie in Leipzig (Leipziger Tageblatt 1880, Nr. 234 v. 27. Juli, 4452)
Ladengeschäfte dieser Art verankerten Hundekuchen lokal, popularisierten insbesondere deren Kauf in Städten. Im Gegensatz zum institutionellen Großabsatz war der Vertriebsaufwand jedoch höher, zumal die Verpackungsfrage anfangs kaum gelöst war. Die Ladeninhaber kauften gemeinhin Zentnersäcke und verkauften die Hundekuchen dann lose nach Gewicht, staffelten den Preis dabei nach der Verkaufsmenge. Dadurch wurden Hundekuchen für den städtischen Einzelkonsumenten nochmals teurer; und es verwundert daher kaum, dass in den Haushalten traditionelles, im Haus gekochtes Hundefutter bis weit ins 20. Jahrhundert dominierte. Die kleinteilige Struktur des Ladenabsatzes unterstützte daher grundsätzlich regionale Anbieter – die typisch waren für die deutschen Konsumgütermärkte im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Sie konnten, auch über Vertreter, in engerem Kontakt zu den vielgestaltigen Händlern stehen.

Händlerwerbung in Stuttgart und Heidelberg (Neues Tagblatt 1883, Nr. 144 v. 24. Juni, 5 (l.); Heidelberger Anzeiger 1883, Nr. 228 v. 29. September, 2)
Drittens bildeten Hundevereine und Hundeausstellungen einen wichtigen Bestandteil des Vertriebs für Hundekuchen und die Entwicklung der Märkte für Hundeartikel, inklusive Tiermedizin. Ähnlich wie das Wachstum der Konfektionswarenbranche durch den Vergleich der Kleidung bei geselligen Ereignissen, in der Oper oder auf Bällen institutionell gefördert wurde, etablierte die noch sportliche Wettbewerbssituation der Hundeausstellungen eine neuartige Ästhetisierung, wie man sie von Tier- oder Landwirtschaftsausstellungen so nicht kannte: „Die Ausstellung soll nämlich zunächst dem Kenner und Interessenten nach dieser oder jener Richtung hin zeigen, was durch rationelle Zucht und Pflege erreicht werden kann, bezw. erreicht worden ist; […]. Die zweite Aufgabe, der für den Augenblick noch eine erhöhte Bedeutung beigelegt werden muß, besteht darin, den Sinn des Publicums für schöne Gestalten , edle Formen und intelligente Köpfe zu stärken, seinen Geist mit Bildern und zu erstrebenden Zielen zu füllen und es so indirect zu einem treibenden Momente auf der Bahn des Fortschritts und der Vervollkommnung machen“ (Berliner Börsen-Zeitung 1880, Nr. 255 v. 24. Mai, 2). Hundekuchen waren ein wichtiges Formmittel, galt doch, dass der Hund ist, was er frisst.
Hundeausstellungen waren und blieben die Domäne von Spratt’s. Doch auch die Deutsche Hundekuchen-Fabrik wurde aktiv. Blicken wir etwa ins niederrheinische Kleve: Auch „auf die rationelle Ernährung des Hundes ist man bedacht und in der Dianahalle finden wir Fleischfuttermehl, vorzugsweise aber Hundekuchen, sowohl englisches wie deutsches Fabrikat. Kühl-Hannover hat ein Postament aus Hundekuchen, einem festen braunen Gebäck in kleinen Täfelchen zum Preise von M. 37 pro 100 Kg., errichtet und einen ausgestopften Hund darauf gestellt“ (Die Clever Jagd-Ausstellung, Rhein- und Ruhrzeitung 1881, Nr. 229 v. 1. Oktober, 1-2, hier 1). Entsprechende Präsenz gab es natürlich insbesondere im lokalen Markt, denn in Hannover fand 1882 eine zweite Ausstellung des Hannoverschen Vereins statt (Hannoverscher Courier 1883, Nr. 11945 v. 9. Januar, 3). Sie ermöglichte Kühl den direkten Kontakt mit Großkunden, die entweder direkte Lieferverträge abschlossen oder aber später in den Depots oder Niederlagen orderten.

Verweis auf das Versandgeschäft (Westfälisches Volksblatt 1883, Nr. 266 v. 3. Oktober, 4)
Viertens schließlich entwickelte die Deutsche Hundekuchen-Fabrik – wie fast alle ihre Konkurrenten – ein umfangreiches, auf Markenartikelwerbung gründendes Versandgeschäft. Der Versandhandel war Folge umfassender Postreformen Anfang der 1870er Jahre (Uwe Spiekermann, Basis der Konsumgesellschaft, München 1999, 296-298). Insbesondere die seit 1875 breit eingeführte Nachnahme ermöglichte neue reichsweite Absatzchancen für standardisierte Konsumgüter. Eine Postkarte genügte, dann wurde der Hundekuchen sowohl in größeren Mengen als auch in der von Beginn an offerierten 5-Kilogramm-Probepackung versandt. Die Post lieferte derartige Kleinpakete für 50 Pfg. Porto in alle Orte des Deutschen Reiches.

Probepackung per Nachnahme – für nur zwei Mark (Kölnische Zeitung 1880, Nr. 181 v. 1. Juli, 8)
Die hohe Bedeutung des Versandgeschäftes hatte für die Produzenten aber auch Nachteile. Es gab grundsätzlich keine gesicherten lokalen Märkte mehr, denn mittels Werbung konnten auch andere Hundefutteranbieter ihre Produkte anbieten. In Hannover betraf das etwa Liebigs Fleischfuttermehl, das ab spätestens 1881 von den Gebrüdern Herbst in Magdeburg angeboten wurde, ab 1883 auch von Paul Rosendorf aus Stolzenau a.d. Weser (Hannoverscher Courier 1883, Nr. 12412 v. 13. Oktober, 8). Der Kunde war umkämpft, erforderte stete Anstrengungen.
Vertrieb Deutscher Vereins-Hundekuchen im Ausland
Die Deutsche Hundekuchen-Fabrik konzentrierte ihre Absatzbemühungen vorrangig auf das Deutsche Reich. Gleichwohl exportierte sie ihre Produkte zumindest auch in die Schweiz und in das cisleithanische Österreich. Das Vertriebsnetz wurde ab spätestens 1882 durch Depots in Wien und später in Zürich ergänzt. Dies war auch Folge der beiden am 23. Mai 1881 abgeschlossenen Handelsverträge zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn einerseits, der Schweiz anderseits. Ersterer beseitigte fast alle Einfuhr-, Ausfuhr- oder Durchfuhrverbote. Mit der Schweiz wurde ein Meistbegünstigungsvertrag abgeschlossen, so dass (mit etwas mehr Restriktionen) der Export von deutschen Hundekuchen aus Hannover zollfrei erfolgen konnte. Fracht- und Nachnahmegebühren lagen aber höher.

Versandgeschäft nach Österreich-Ungarn (Zeitschrift des Vereins für Hundezucht und Dressur im Königreiche Böhmen 2, 1882, 16)
Die Deutsche Hundekuchen-Fabrik konzentrierte sich anfangs vor allem auf Werbung in der sich in der K.u.K.-Monarchie damals rasch entwickelnden Fachpresse. Vertrauenswerbung dominierte, entsprechend wichtig waren Verweise auf das Kontrollregimes des „Vereins zur Veredelung der Hunderacen für Deutschland“. Kühl zielte damit auf den Absatz größerer Mengen, denn grenzüberschreitender Versandhandel von kleineren Probepakten war deutlich teurer. Neben dem üblichen Zentner-Sack bot er gegen moderaten Rabatt auch eine halbe resp. ganze Tonne Hundekuchen an (Oesterreichische Forst-Zeitung 1, 1883, 14).

Niederlage in Wien (Das Vaterland 1884, Nr. 315 v. 15. November, 12 (l.); Oesterreichische Forst-Zeitung 2, 1884, 298)
Das änderte sich 1884 mit der Vertriebsübernahme durch eine Hauptniederlage in Wien. Nun konnte man die Deutschen Hundekuchen auch per Kilo kaufen, auch 5-Kilo-Pakete wurden angeboten (Neue Freie Presse 1885, Nr. 7538 v. 24. August, 8). Angesichts der dort elaborierteren Werbung nutzte der Wiener Repräsentant vielfach visuelle Elemente, meist Hundebilder (Allgemeine Sport-Zeitung 5, 1884, 968). Die Anzeigen erläuterten das Produkt nicht, denn auch in Österreich hatte Spratt’s das Produkt schon früher eingeführt (Spratt’s Patent Fleischfaserkuchen, Illustrirte Sport-Zeitung 2, 1879, 182-183; F. Konhäuser, Futterkuchen für Hunde, Wiener Landwirthschaftliche Zeitung 30, 1880, 81).
Auch in Österreich-Ungarn nutzte die Deutsche Hundekuchen-Fabrik Hundeausstellungen zur Markterschließung. Im böhmischen Badeort Teplitz-Schönau übernahm sie die werbeträchtige Fütterung der Tiere (Teplitz-Schönauer Anzeiger 1884, Nr. 65 v. 23. August, 3). Johannes Kühl präsentierte jedoch nicht allein seinen mit dem 1. Preis ausgezeichneten Hundekuchen, sondern auch seinen eigenen Bernhardiner (Die internationale Hunde-Ausstellung zu Teplitz in Böhmen, Allgemeine Sport-Zeitung 1884, 808-809, hier 809). Auch in Wien wurden die Deutschen Hundekuchen 1884 und 1885 prämiert. Gleichwohl endeten die Exportbemühungen im cisleithanischen Österreich kurz danach. Das lag wahrscheinlich an der dort insgesamt größeren Zurückhaltung gegenüber dem neuen Kompaktfutter. Österreichische Markenanbieter gab es kaum, die 1888 aus dem Zuchtgeschäft entstandene „Erste Oesterreichische Hundekuchen- und Geflügelfutter-Fabrik“ von Wilhelm Nitsche im östlich von Aussig gelegenen Großpriesen blieb von geringer Bedeutung. Erst die seit 1893 in enger Abstimmung mit Spratt’s in Wien produzierten „Patent-Fleischfaser-Hundekuchen“ der neu gegründeten Firma Fattinger etablierten einen starken österreichischen Markenartikel.

Marktpräsenz auch in der Schweiz (Züricherische Freitagszeitung 1883, Nr. 27 v. 6. Juli, 4)
Noch geringere Bedeutung hatte der zeitweilige Vertrieb der Deutschen Hundekuchen in der Schweiz. Die Hundeausstellung in Zürich 1882 stand am Beginn intensivierter Exportbemühungen. 1883 etablierte die Deutsche Hundekuchen-Fabrik dort ein Generaldepot, das in der deutschsprachigen Schweiz die Werbetrommel rührte (Der Bund 1883, Nr. 180 v. 2. Juli, 4).

Etablierung von lokalen Niederlagen in der Schweiz (Die Ostschweiz 1884, Nr. 56 v. 7. März, 3)
Obwohl es dem Kühlschen Repräsentanten gelang, weitere Niederlagen einzurichten, endeten die Werbebemühungen wahrscheinlich Ende 1884 (Zürcherische Freitagszeitung 1884, Nr. 8 v. 22. Februar, 4). Der in der Schweiz enge Markt für Hundefutter konnte neben Spratt’s kaum weitere Anbieter nähren. Einheimische Marken, wie etwa die Ende der 1880er Jahre zeitweilig aufkommenden „Basler Hundekuchen“, blieben ohne größere Bedeutung.
Werbung für Deutsche Vereins-Hundekuchen
Der Deutsche Vereins-Hundekuchen wurde in den 1880er Jahren überraschend breit und mit einer überdurchschnittlichen Variationsbreite von Reklamemotiven beworben. Von einer einheitlichen Werbestrategie kann allerdings nicht die Rede sein, denn Werbeabteilungen etablierten sich in deutschen Unternehmen erst in den 1890er Jahren. Die Deutsche Hundekuchen-Fabrik warb bis 1886 vorrangig mit einfachen Textanzeigen, die das Produkt, die Firma, den Preis und lobende Worte über den Deutschen Vereins-Hundekuchen enthielten. Auch Verweise auf den Hannoveraner Hundezuchtverein finden sich regelmäßig in den Anzeigen. Im Mittelpunkt stand das Produkt – und beworben wurden allein Hundekuchen.

Zugelieferter Werbetext für einen Einzelhändler (Gummersbacher Zeitung 1880, Nr. 108 v. 14. September, 4)
Johannes Kühl warb vorrangig unter eigenem Namen und auf eigene Rechnung: Derartige Markenartikelwerbung diente dem Einkauf per Versand. Seine Werbetexte wurden jedoch auch von vielen Großhändlern genutzt, die einzig ihren Namen ergänzten, um Hundekuchen so direkt zu verkaufen. Überraschenderweise nutzte die Deutsche Hundekuchen-Fabrik das anfangs offensiv präsentierte Bild des perforierten und gestempelten Produktes nur noch selten – die Nähe zur Werbung von Spratt’s war wohl zu groß. Als Klischee, als Werbevorlage für Großhändler, wurde es jedoch weiterhin verwandt.

Bildliche Werbung für ein etabliertes und zollgeschütztes Produkt (Hamburger Fremdenblatt 1884, Nr. 270 v. 16. November, 16)
Redaktionelle Werbung findet sich nur selten. Die abseits des eigentlichen Reklameteils erscheinenden „Zusendungen“ priesen über Gebühr, starteten beim Wohl der Tieren, endeten bei kaum haltbaren Werbestanzen für die Hundekuchen: „Man hat dieses reinliche Futter stets zur Hand; es kann trocken, aufgeweicht und gekocht, in Verbindung mit Küchenabfällen und Ueberresten gefüttert werden. Alle Hunde fressen diese Kuchen mit Vorliebe und – was die Hauptsache ist – eine große Anzahl von Krankheiten wird mit dieser Fütterung entschieden vermieden. Die Engländer haben schon längst von diesem Fortschritt profitirt, aber die englischen Kuchen sind noch sehr theuer. Da ist unlängst auf Veranlassung des deutschen Hundevereins in Hannover eine deutsche Hundekuchen-Fabrik entstanden, in welcher die Fabrikation unter steter Kontrole vor sich geht“ (Saale-Zeitung 1880, Nr. 209 v. 7. September, 10). Wichtig bei derartigen Texten war die behauptete Erfahrung im Umgang mit Hunden: „Was mir an den Deutschen Vereins-Hundekuchen, gegenüber den bisher gefütterten Fabrikaten gefällt, das ist der Umstand, daß sie sich leicht mit der Hand zerbröckeln lassen, während man bei den sonstigen Fabrikaten das Messer und den Hammer tüchtig gebrauchen muß, um sie klein zu kriegen […], und diese Arbeit kann Einem die Fütterung des Hundes mit Kuchen sehr verleiden – und dann scheint mir, daß in den Kühl’schen Deutschen Vereins-Hundekuchen der Stickstoff, d.h. der wesentliche Bestandtheil aller thierischen Nahrung, in einem größeren Procentsatz enthalten sei, wie in den sonstigen Kuchen“ (Hermann Haché, Etwas über den Deutschen Vereins-Hundekuchen, Neue Jagd-Zeitung 1, 1888, 166). Mochte der Lobessermon derartiger Werbetexte auch frappieren, so knüpfte er doch immer auch ein Band zur praktischen Verwendung der Hundekuchen, hob deren Bequemlichkeit hervor, sprach von freudig fressenden Tieren, nutzte dabei auch vermeintlich wissenschaftliche Ergebnisse, lobte Bekömmlichkeit und Billigkeit der Deutschen Vereins-Hundekuchen (Hamburger Nachrichten 1884, Nr. 257 v. 28. Oktober, 11).
Anders als spätere Werbung dieser Art informierte die Deutsche Hundekuchen-Fabrik allerdings nicht über die Zusammensetzung ihres Produktes, gewährte keinen näheren Einblick in die Produktion. Arbeitsunfälle, wie die vollständige Zermahlung der rechten Hand eines Arbeiters bei der Bestückung einer Teigwalze, blieben außen vor (Hannoverscher Courier 1885, Nr. 13582 v. 17. September, 2). Kühl nutzte auch den Umzug des Unternehmens von der Glocksee- in die Füsilierstraße 1884 nicht für Werbezwecke. Werbemittel gab es kaum, nur ein Futternapf ließe sich aufführen (Deutscher Reichsanzeiger 1886, Nr. 106 v. 5. Mai, 12). Neben den Anzeigen gab es Preiskurante und Werbezettel.

Werbung mit Erfolg auf Hundeausstellungen (Leipziger Tageblatt 1886, Nr. 255 v. 12. September, 5131)
Widerhall fanden allerdings die Ehrungen auf den insgesamt nicht allzu zahlreichen von der Deutschen Hundekuchen-Fabrik besuchten Hundeausstellungen (Heidelberger Anzeiger 1886, Nr. 142 v. 20. Juni, 2). Diese suggerierten eine hohe Qualität und eine gewisse Weltläufigkeit. Die gewonnen Medaillen zierten zwar Werbeblätter, blieben aber schon zahlenmäßig weit hinter denen vieler Wettbewerber zurück.

Deutsches Produkt, präsent auch im Ausland (Neueste Nachrichten und Münchner Anzeiger 1887, Nr. 43 v. 12. Februar, 6)
Erst 1887 wandelte sich die Werbung. Sie wurde einerseits vielgestaltiger, integrierte zugleich wieder Bildelemente. Vorangegangen war seit 1885 eine deutlich höhere Taktung der Anzeigenfrequenz. Dies dürfte eine Antwort auf die Gründung von Spratt’s Patent (Germany) Limited in Berlin gewesen sein, mit der die Zollbelastungen des importierten englischen Hundekuchens beseitigt wurden.

Irreführende Präsentation als größte und älteste Fabrik Deutschlands (General-Anzeiger der Stadt Mannheim und Umgebung 1887, Nr. 303 v. 23. Dezember, Bl. 2, 3 (l.o.); Westend-Zeitung 2, 1887, Nr. 148, 4 (l.u.); Augsburger Abendzeitung 1887, Nr. 305 v. 5. November, 11)
Die Werbung spiegelte seither den wachsenden Wettbewerbsdruck. Die Deutsche Hundekuchen-Fabrik setzte auf Superlative, faktisch auf die Irreführung des Publikums. Entgegen der eigenen Aussagen war sie weder die älteste noch die größte Fabrik Deutschlands; auch wenn präzise Daten zur Größe der damaligen Unternehmen fehlen. Auch die Aussage, dass der Deutsche Vereins-Hundekuchen „fast auf allen Ausstellungen mit ersten Preisen prämirt“ (Neue Jagd-Zeitung 1, 1888, 192) und verfüttert worden sei, ist sachlich falsch.

Erweitertes Sortiment und (idealisierte) Betriebsstätte (Neue Jagd-Zeitung 1, 1888, 132)
Parallel veränderte sich 1888 das Angebot: Neben den bisher allein angebotenen Hundekuchen traten nun Hundekuchen für Puppies, also Welpen, fand sich billiger Hafermehlkuchen sowie mit Lebertran fortifizierter Hundekuchen für schwächliche und kranke Tiere. Zudem lieferte Kühl Geflügelfutter, Präriefleisch für Fasane, Fleischfaser-Fasanenfutter, Präriefleisch für Fische, Fleischfaser-Fischfutter sowie Taubenfutter (Neue Jagd-Zeitung 1, 1888, 132). Was aussieht wie eine massive Investition in das eigene Angebot spiegelt jedoch den wirtschaftlichen Niedergang der Hannoverschen Hundekuchenfabrik. Es scheint, dass sie seit 1888 nicht mehr selbstbestimmt produzierte, sondern schon vor dem Verkauf zu einem Lohnproduzenten der Spratt’s Patent (Germany) Ltd. abgesunken war.

Das so ähnliche Sortiment der überlegenen englischen Konkurrenz (Fliegende Blätter 88, 1888, Nr. 2225, Beibl. 3, 3)
Zergen mit dem Marktführer Spratt’s Patent (Germany) Ltd.
Der relative Niedergang mag überraschend erscheinen, hatte sich spätestens 1887 jedoch deutlich abgezeichnet. Die Deutsche Hundekuchen-Fabrik war 1880 als Gegenentwurf zur Londoner Spratt‘s & Co. gegründet worden. Bis 1886 wurde die damit verbundene wirtschaftliche Rivalität einigermaßen fair ausgetragen – sieht man einmal von verfehlten „wissenschaftlichen“ Vergleichen ab. Im Großhandel wurden beide Hundekuchen teils parallel nebeneinander angeboten.

Gedeihlicher Absatz (Kölnische Zeitung 1884, Nr. 333 v. 30. November, 8 (l.); Bielefelder Zeitung 1886, Nr. 204 v. 2. September, 4)
Ab 1887 begann Johannes Kühl jedoch mit Täuschungsvorwürfen; auch weil er sich von Spratt’s seinerseits angegriffen fühlte, als diese in Annoncen vor „werthlosen Nachahmungen“ warnte. Auf Werbezetteln stichelte er gegen den Weltmarktführer: „Prämiirt wurde der Deutsche Vereins-Hundekuchen […] nicht etwa für Gratis-Fütterung auf Hunde- und Geflügel-Ausstellungen, womit sich eine englische Firma die grösste Zahl der goldenen Medaillen erwirbt, resp. erkauft, sondern für die Qualität der Waare.“ Neuerlich bemühte er die Kontrollkommission des Hannoverschen Hundezuchtvereins als Garantie, „dass demselben vor sämmtlichen Concurrenzprodukten der Vorzug zu geben ist“ (Werbefaltblatt Deutsche Hundekuchen-Fabrik 1887, Wikipedia.de). Damit legte er gewiss die Finger in die Wunde eines sich stetig schulterklopfenden und begünstigenden Oberschichtenmilieus, doch vergaß er dabei, dass er seine eigene wirtschaftliche Existenz just diesem Milieu verdankte. Spratt’s verwies damals auf „90 höchste Auszeichnungen“ (Kölnische Zeitung 1887, Nr. 29 v. 29. Januar, 4), die trotz berechtigter Skepsis gegenüber dem kommerzialisierten „Medaillenschwindel“ ein Beleg für eine gewisse Solidität dieser Hundekuchen war.

Attacke auf Spratt’s: Täuschungsvorwurf gegen den Marktführer (Hannoverscher Courier 1887, Nr. 14532 v. 10. April, 6)
Während Spratt’s schwieg, legte Johannes Kühl nach. In einer wiederholt geschalteten Anzeige verwies er nicht nur auf die Verfütterung des Deutschen Vereins-Hundekuchen auf der vom „Verein der Veredelung für die Veredlung der Hunderassen für Deutschland“ in Hannover 1887 organisierten Hundeausstellung. Er gab ferner öffentlich zu Protokoll: „Da es in Deutschland kein Patent für Hundekuchen giebt, so ist jedes Fabrikat, wenn ‚Patent‘ gezeichnet, eine Täuschung des Publikums.“ (Hannoverscher Courier 1887, Nr. 14547 v. 20. April, 4)

Aggressives Einlenken mit nationalistischen Untertönen (Hannoverscher Courier 1887, Nr. 14562 v. 29. April, 8)
Dieses Mal reagierte Spratt’s Patent (Germany) Ltd.: Erwin Stahlecker, der Generalbevollmächtige der Firma, hob in einem an Kühl gerichteten Schreiben hervor, dass ein Eigenname keine Täuschung sein könne. Kühl solle in Zukunft solche Aussagen unterlassen, andernfalls werde man den eigenen Einfluss und das Firmenkapital nutzen, um dieser Bitte Nachdruck zu verleihen. Und süffisant legte er nach: „Ueberhaupt muss es mit demjenigen Fabrikanten wohl nicht allzu gut stehen, der durch derartige, von Jedermann für lächerlich gehaltene Annoncen nach Luft zu schnappen scheint.“ Zudem würden Spratt’s Hundekuchen selbst von den Vorstandsmitgliedern des Hannoverschen Hundezuchtvereins häufiger verfüttert als der Deutsche Vereins-Hundekuchen. Kühl veröffentlichte dieses Schreiben, versah es mit gekränkten Anmerkungen, verbat sich jede Kritik und verwies nochmals stolz auf den guten Ruf seines „Deutschen“ Erzeugnisses. Auch 1888 enthielten seine Anzeigen teils den Hinweis: „Jedes Zeichen ‚Patent‘ ist eine Täuschung“ (Neue Jagd-Zeitung 1, 1888, 192). Zu diesem Zeitpunkt hatte Spratt’s jedoch in Hannover bereit die faktische Kontrolle übernommen, im Mai 1889 wurde dies auch öffentlich exekutiert.
Eine genaue Bewertung dieses Zergens zwischen der Deutschen Hundekuchen-Fabrik und Spratt’s Patent (Germany) Ltd. ist angesichts der höchst lückenhaften Quellenlage kaum möglich. Kühl ließ Souveränität vermissen, fühlte sich durch wirtschaftlichen Wettbewerb in seiner Ehre bedroht und reagierte ähnlich wie zehntausende Mitglieder der damals massiv an Bedeutung gewinnenden Mittelstandsbewegung, etwa des von Hermann Schulze-Gifhorn geleiteten „Centralverbands deutscher Kaufleute und Gewerbetreibender“. Diese Mannen attackierten die kapitalistische Konkurrenz neuer Betriebsformen des Handels wie Konsumgenossenschaften, Filialbetriebe und Warenhäuser, forderten staatlichen Schutz durch Steuern und Verbote. Hetze und Verleumdung, Fehlinformationen und kruder Antisemitismus schienen ihnen berechtigt, um den Mittelstand gegen das Großkapital zu stützen, um die Grundfesten der Monarchie und des Deutschtums zu bewahren. Kühl war einer von vielen, die sich als Modernisierungsverlierer verstanden, obwohl sie in den folgenden Wachstumsphasen zu den Gewinnern gehören sollten.
Nachzutragen gilt jedoch, dass Kühls Patent-Rückfragen in veränderter Form auch vor Gericht ausgefochten wurden. Spratt’s hatte in Anzeigen seine Hundekuchen nämlich als „patentirte“ Produkte bezeichnet. Das mochte für Großbritannien zutreffen: James Spratt erhielt im November 1861 ein Patent für sein „Meat Fibrine Dog Cakes“, weitere Patente datierten von 1868 und 1881 (Maurice Baren, How Household Names Began, London 1997, 119; Spratt’s Dog Biscuits, The Chemist and Druggist 28, 1886, 299). Doch im Deutschen Reich galten diese nicht. Spratt’s wurde in einem über drei Instanzen geführten Prozess 1888 zu einer Geldstrafe wegen Vergehens gegen das deutsche Patentgesetz verurteilt und unterließ weitere Aussagen dieser Art (Berliner Tageblatt 1888, Nr. 282 v. 6. Juni, 5).
Die Übernahme und Fortführung der Deutschen Hundekuchen-Fabrik durch Spratt’s
Am 27. Mai 1889 wurde die Deutsche Hundekuchen-Fabrik von J. Kühl im Hannoveraner Handelsregister gelöscht (Deutscher Reichsanzeiger 1889, Nr. 129 v. 1. Juni, 13). Sechs Tage zuvor war die „Deutsche Hundekuchenfabrik Erwin Stahlecker“ eingetragen worden. Sie übernahm die Fabrik in Hannover, der Firmensitz aber lag nun in Berlin, im 1885 umgestalteten Alten Viehhof, am Stammsitz der Spratt’s Patent (Limited) Germany in der Usedomstraße 28 (Ebd. 1889, Nr. 123 v. 24. Mai, 11; Adreßbuch Berlin 1891, T. II, 504). Die vertraglichen Kautelen sind unklar, die in der Literatur genannte Kaufsumme von 100.000 Goldmark hochgradig unwahrscheinlich (Dannowski, 2002, 173). Trotz der veränderten Besitzverhältnisse gingen Produktion und Absatz der Deutschen Vereins-Hundekuchen in der Zweigniederlassung Hannover aber weiter.

Markenkontinuität ohne Hersteller (Lippisches Volksblatt 1889, Nr. 118 v. 3. Oktober, 4 (l.); Echo der Gegenwart 1891, Nr. 81 v. 5. April, 7)
Im lokalen Adreßbuch wurde 1890 in der Füsilierstraße 30 die Spratt‘s Patent Limited AG, London, der Kaufmann Stahlecker sowie – im Hinterhof – die Großhändler Wisser & Co. verzeichnet (Adreßbuch Hannover 1890, T. I, 160). Obwohl die Deutsche Hundekuchenfabrik Erwin Stahlecker mit ihrem Inhaber im damaligen Geschäftsanzeiger vermerkt war, lebte der Inhaber weiterhin in Berlin. Vor Ort wohnte allerdings Wilhelm Stahlecker, Erwins Bruder (Adreßbuch Hannover 1890, T. I, 419, 689). Das blieb auch 1891 und 1892 so (Adreßbuch Hannover 1891, T. 1, 166, 441, 723; ebd. 1892, T. I, 175, 757), obwohl die Hannoveraner Firma 1892 bereits unter dem Namen von Robert Baelz firmierte.
Neuer Besitzer der Hannoverschen Fabrik war aber der schon mehrfach erwähnte Erwin Stahlecker. Er wurde am 6. September 1863 als Sohn des Mühlenbesitzers Wilhelm und Maria Stahlecker im württembergischen Bietigheim geboren und am 11. Oktober evangelisch getauft (Lutherische Kirchenbücher 1500-1985, Württemberg, Dekanat Besigheim, Pfarrei Bietigheim, Taufen 1823-1875, 1863, Bl. 14, Nr. 73). Wichtiger als die persönliche Herkunft war jedoch das familiäre Umfeld. Sein Onkel Wilhelm Heinrich Stahlecker (1837-1873) hatte 1862 die ebenfalls in Bietigheim geborene Marie Caroline Friedericke Baelz (1845-1886) geheiratet. Einer ihrer Brüder war Robert Baelz (1854-1912), der seit den späten 1870er Jahren zuerst Spratt’s Produkte in Kontinentaleuropa vertrieb und 1887 zum Direktor von Spratt’s Patent Ltd. in London ernannt wurde. Es ist anzunehmen, dass er ein wichtiger Fürsprecher seines Verwandten war, der am 15. Juni 1887 zum Generalbevollmächtigten von Spratt‘s Patent (Germany) Limited ernannt wurde (Deutscher Reichsanzeiger 1887, Nr. 138 v. v. 16. Juni, 9).

Innovation vor dem Ausscheiden (Westfälisches Volksblatt 1890, Nr. 99 v. 12. April, 8)
Stahlecker war innerhalb Spratt’s nicht nur Manager. 1891 erhielt er ein Patent für einen seit 1890 von Spratt’s vermarkteten Patent-Pferde-Striegel (Leipziger Tageblatt 1890, Nr. 293 v. 20. Oktober, 6757; Patentblatt 16, 1892, 220), verkörperte also den Übergang vom Futtermittel- zum Tierproduktehersteller. Stahlecker erhielt Patente in den USA, in Großbritannien und weiteren Staaten, in denen das neue Gerät seit 1890 erfolgreich vermarktet wurde (Official Gazette of the United States Patent Office 66, 1891, 78; Saddlery and Harness 1, 1891/92, 24).
Für die Deutsche Hundekuchen-Fabrik war Stahlecker nur eine Übergangsfigur. Er übertrug sie am 26. November an Robert Baelz (Deutscher Reichsanzeiger 1891, Nr. 281 v. 28. November, 11). Formal erlosch die Deutsche Hundekuchenfabrik Erwin Stahlecker am 1. Dezember 1891, die dann von der Deutschen Hundekuchen-Fabrik Robert Baelz fortgesetzt wurde (Ebd., Nr. 287 v. 5. Dezember, 10; Hannoverscher Courier 1891, Nr. 17374 v. 5. Dezember, 6). Stahleckers Prokura wurde am 16. Januar 1892 gelöscht (Berliner Tageblatt 1892, Nr. 282 v. 20. Januar, 5).
Stahlecker arbeitete nach dem Ausscheiden bei der Deutschen Hundekuchen-Fabrik und Spratt’s zuerst als Redakteur der Jagdzeitung „St. Hubertus“ (Der Sammler 63, 1894, Nr. 74, 8), ab 1894 als Redakteur und später, bis 1937, als Chefredakteur der heute noch erscheinenden Zeitschrift „Wild und Hund“ (Heiko Hornung, Die Chefredakteursbüchse, Wild und Hund 120, 2014, H. 20, 130-135, hier 132). Nach seinem Ausscheiden organisierte er mehrere von Spratt’s unterstützte Hundeausstellungen (Hannoverscher Courier 1893, Nr. 18411 v. 17. August, 6; Berliner Börsen-Zeitung 1896, Nr. 397 v. 28. August, 4). Ähnlich wie Johannes Kühl etablierte sich auch Stahlecker in der Großindustrie. Der “Redacteur Erwin Stahlecker“ gehörte 1898 zu den Gründern der in Berlin ansässigen R. Stock’schen Kabelwerke AG (Berliner Börsen-Zeitung 1898, Nr. 600 v. 23. Dezember, 30). Er heiratete am 27. März 1902 in Berlin schließlich die 32-jährige Werkmeistertochter Anna Pauline Friederike Leese (Landesarchiv Berlin, Heiratsregister 1874-1936, Berlin V A, 1902, Nr. 202).

Kontinuität und Ausweitung des Vertriebsnetzes (Neue Augsburger Zeitung 1889, Nr. 139 v. 16. Juni, 11 (l.); Velberter Zeitung 1890, Nr. 10 v. 23. Januar, 3)
Nach dem Verkauf ging das Geschäft mit Deutschen Vereins-Hundekuchen erst einmal weiter – auch wenn unklar ist, ob entsprechend vermarktete Produkte bereits auch in Berlin hergestellt wurden. Die Deutsche Hundekuchen-Fabrik weitete währenddessen ihr Vertriebsnetz aus. Die Hundeausstellung etwa in Frankfurt a.M. 1891 wurde besucht, ein Preis gewonnen (Allgemeine Sport-Zeitung 12, 1891, 0868). Der Firmenverkauf an Stahleckers Förderer und Verwandten Robert Baelz erfolgte 1891 eher unbemerkt. Das operative Geschäft übernahm Anfang 1892 Arthur Metzdorf, der zuvor schon zum Generalbevollmächtigten von Spratt’s ernannt worden war. Er sollte in den folgenden Jahrzehnten die prägende Kraft in der Firma werden (Deutscher Reichsanzeiger 1892, Nr. 17 v. 20. Januar, 9; ebd., Nr. 34 v. 8. Februar, 14).
Die Abwicklung der Deutschen Hundekuchen-Fabrik in Hannover
Die Übernahme der Deutschen Hundekuchen-Fabrik durch Robert Baelz läutete das Ende des Produktionsstandortes Hannover ein. Die Produktion der Deutschen Vereins-Hundekuchen wurde dort anfangs weitergeführt, 1894/95 jedoch in die neue Spratt’s-Fabrik in Berlin-Rummelsburg verlagert. Parallel harmonisierte man die Absatzwege beider Hundekuchenmarken (Augsburger Abendzeitung 1892, Nr. 64 v. 4. März, 13). Die damalige Werbung spielte zwar weiterhin mit den Kühlschen Vorlagen, doch die Standorthierarchie war eindeutig: „Alle Bestellungen nach Berlin erbeten.“

Kontinuität der Kühlschen Werbung unter Sprattschem Vorzeichen (Deutsche Jäger-Zeitung 22, 1893-94, Nr. 1, Anhang, VI)
Der Kauf der Deutschen Vereins-Hundekuchen-Fabrik durch Robert Baelz gibt zugleich Einblicke in die Chancen von Einwanderungsunternehmern im Zeichen der „Pax Britannica“. Baelz wurde am 20. Oktober 1854 in Bietigheim geboren. 1879 heiratete er Maria Finckh (1854-1937), mit der zwei Kinder hatte. 1881 wanderten sie nach Großbritannien aus, wo Robert Baelz 1883 britischer Staatsbürger wurde. Im Rahmen der Ende der 1870er Jahre gegründeten Handelsfirma Hemans & Baelz hatte er den Absatz von Spratt’s-Produkten in Kontinentaleuropa organisiert, ehe er 1887 Direktor in der Londoner Zentrale wurde (Daily News 1887, Nr. 12751 v. 21. Februar, 2). Der Einwanderer stand für die 1884/85 erfolgten Direktinvestitionen in den USA, Russland und dem Deutschen Reich, wo allesamt leistungsfähige Produktionsstätten erreichtet wurden. Respektvoll hieß es: “He was a man of great experience and an English merchant, and possessed a very great tact and ability. He possessed a very great insight into the business” (Spratts Patent, Limited, Railway News 1887, Nr. 1209 v. 5. März, suppl., 415-416, hier 415).
Baelz war Teil einer kosmopolitischen Elite, sein Bruder Erwin (1849-1913) baute Brücken zur japanischen Medizin. Er selbst wurde einer der führenden Repräsentanten der deutschen Kolonie in London, der als „Vater der Schwaben“ (Neues Tagblatt 1908, Nr. 47 v. 26. Februar, 9) zugleich Heimatverbundenheit und Weltoffenheit verkörperte. Auch nach seinem Eintritt bei Spratt’s unterstützte er mit seiner Handelsfirma Robert Baelz & Co. die Exporterfolge der deutschen Industrie in Großbritannien, etwa des Stuttgarter Produzenten von Malzprodukten und Säuglingsernährung Eduard Loeflund (1835-1920). 1893 wurde er Direktor Co-Direktor der britischen Dependance der Stollwerckschen Verkaufsautomaten (Liverpool Journal of Commerce 1893, Nr. 9764 v. 13. Februar, 4; Gabriele Oepen-Domschky, Kölner Wirtschaftsbürger im deutschen Kaiserreich, Köln 2003, 125, 130, 247). Baelz blieb auch in der Ferne eng mit Deutschland verbunden, war langjähriger Vorsitzende des deutschen Liederkranzes in London (Norddeutsche Allgemeine Zeitung 1904, Nr. 299 v. 21. Dezember, 6). Kaum ein Fest der Auslandsdeutschen, auf dem er nicht den doppelten Wilhelm II. (den Kaiser und den König von Württemberg) hochleben ließ, ebenso aber Bismarck, Wilhelm I. und deutsche Künstler und Wissenschaftler. Kaum ein Empfang deutscher Monarchen, Politiker und Unternehmer, bei dem nicht auch Robert Baelz anwesend war. Er wurde 1906 Präsident von Spratt’s Patent Ltd. und starb 1912 in Stuttgart (Morning Leader 1906, Ausg. v. 9. April, 2; Schwäbischer Merkur 1912, Nr. 78 v. 16. Februar, 15). Er hinterließ ein Vermögen von fast 40.000 £, war also vielfacher Multimillionär. Seine Witwe kehrte nach Stuttgart zurück, wo sie stetig für patriotische Zwecke spendete. Dies alles zu wissen hilft die antienglische Spratt’s-Hetze des Hundekuchenherstellers Albert Latz (1855-1923) zu Kriegsbeginn einzuordnen (General-Anzeiger für Bonn und Umgegend 1914, Nr. 8755 v. 11. September, 5), bis hin zu Enteignung der britischen Kapitaleigner und die Überführung der Firma in den Scheidemandel-Konzern 1917: Deutsche Treue…

Übernahme der Produktion der Vereins-Hundekuchen: Die 1894 erbaute Fabrik von Spratt’s Patent (Germany) Ltd. in Berlin-Rummelsburg (Bayerische Forst- und Jagd-Zeitung 2, 1895, Nr. 9, 7)
Das lange Ende des Deutschen Vereins-Hundekuchens
Robert Baelz verlegte im Januar 1895 seine Deutsche Hundekuchenfabrik von Berlin nach dem damals noch eigenständigen Rummelsburg, der deutschen Spratt’s-Zentrale (Deutscher Reichsanzeiger 1895, Nr. 27 v. 30. Januar, 12). Die Firma blieb weiterhin bestehen, das Hannoveraner Adreßbuch verzeichnete in der Füsilierstraße 30 Spratt’s und die Deutsche Hundekuchenfabrik Robert Baelz Seit an Seit (Adreßbuch 1895, T. 1, 196; ebd. 1897, T. I, 212; ebd. 1899, T. I, 223; ebd. 1901, T. I, 231). Es ist unwahrscheinlich, dass vor Ort aber 1895 weiter Hundekuchen hergestellt wurden. Stattdessen dienten die Liegenschaften seither wohl als „Versandlager“ (Ebd. 1904, T. I, 690) sowohl des Deutschen Vereins-Hundekuchens als auch der Sprattschen Produkte. Federführend hierfür war die Großhandlung Wisser & Co. Seit 1905 residierten alle nach der Neuvergabe der Straßennummern am gleichen Standort unter der Adresse Füsilierstraße 16 (Ebd. 1905, T. I, 223).

Deutsche Vereins-Hundekuchen wurden weiter produziert und vertrieben, jedoch kaum noch beworben. Allerdings fehlte spätestens ab der Jahrhundertwende das Adjektiv „Deutsch“. Es ist anzunehmen, dass vornehmlich an Vertragskunden geliefert wurde, denn hier galt der Markenname noch etwas. Die Deutsche Hundekuchenfabrik Robert Baelz behielt ihren Namen auch nach dem Tode ihres Eigentümers 1912. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Firma selbst von der 1901 in eine Aktiengesellschaft umgewandelte Spratt’s Patent A.-G. übernommen wurde. 1921 tauchte der „Vereins-Hundekuchen“ jedenfalls als „Spratt’s Ersatz“ nochmals auf, jedoch nur in einer der Not geschuldeten Billigvariante aus Gramineenmehl, Hafermehl, Mastfuttermehl und kohlsaurem Kalk. Auch ein „Vereinsgeflügel- und Kükenfutter (Spratt’s Ersatz)“ wurde vom damals zuständigen Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft genehmigt (Deutscher Reichsanzeiger 1921, Nr. 53 v. 4. März, 1). Im November 1921 wurde die Genehmigung wieder aufgehoben, denn die Rohstoffversorgung hatte sich verbessert, so dass nun auch wieder weizenhaltige Hundekuchen produziert werden konnten, deren Herstellung zum 1. Januar 1915 eingestellt werden musste (Ebd. 1921, Nr. 269 v. 17. November, 1).
Es ist wahrscheinlich, dass Vereins-Hundekuchen anschließend nicht mehr produziert wurden. Im Mai 1928 wurde jedenfalls die Löschung der Deutschen Hundekuchenfabrik Robert Baelz aufgrund von Vermögenslosigkeit und Untätigkeit amtlich angekündigt und am 17. Oktober 1928 vollzogen (Ebd. 1928, Nr. 125 v. 31. Mai, 18; ebd., Nr. 251 v. 26. Oktober, 7). Am 8. März 1929 hieß es schließlich auch offiziell: „Die Firma ist erloschen“ (Ebd. 1929, Nr. 62 v. 14. März, 14; Hannoverscher Kurier 1929, Nr. 117 v. 10. März, 28). Am alten Fabrikationsort arbeitete „A. Wisser & Co., Spratts-Hundekuchen u. Geflügelfutter“ weiter (Adreßbuch Hannover 1927/28, 526).
Damit endete diese kleine deutsch-britische Unternehmens- und Beziehungsgeschichte. Die Deutschen Hundekuchenfabriken und der Deutsche Vereins-Hundekuchen zeugen von Wettbewerb, von Rivalität, von nationalistischem Übereifer, von Rache. Am früheren Firmensitz findet man heute keine Überbleibsel, ganz normal. Das Grundstück wurde 1956 neu bebaut. Die Liegenschaften vor Ort gingen wohl bei den verheerenden britischen Luftangriffen im September 1943 in Schutt und Asche auf.

Keine Überbleibsel – 1956 erbautes Haus in Hannovers Bronsartstraße 30 – wohl ehedem Füsilierstraße 30 resp. 16 (Uwe Spiekermann, 26. Dezember 2020)
Uwe Spiekermann, 9. Dezember 2023








